M&A-Markt geht auf Tauchstation

Neue Deals erst im zweiten Halbjahr erwartet - Marktverwerfungen rücken Ausstiegsklauseln in den Fokus

M&A-Markt geht auf Tauchstation

Investmentbankern fährt der Schreck in die Glieder: Angesichts der Coronakrise ist der Markt für Fusionen und Übernahmen (M&A) unversehens auf Tauchstation gegangen. Neue Transaktionen werden erst im zweiten Halbjahr erwartet. Unterdessen rücken zunehmend Ausstiegsklauseln in den Fokus.Von Anna Sleegers, FrankfurtInnerhalb weniger Tage hat der Ausbruch der Coronakrise neben sehr vielen anderen Gewissheiten auch die Aussichten für die Fusionsberater pulverisiert. Selbst wenn sich die Lage in Europa in den kommenden Wochen stabilisieren sollte, rechne er frühestens im zweiten Halbjahr mit neuen Transaktionen, sagt ein hochrangiger Investmentbanker, der sich im aktuellen Marktumfeld nicht mit Namen zitieren lassen will, der Börsen-Zeitung. “Bis dahin dürften für die Unternehmen andere Themen auf der Prioritätenliste stehen, etwa die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs und die Liquiditätssicherung”, meint er.Dabei waren die auf Mergers & Akquisitions (M&A) spezialisierten Investmentbanker so zuversichtlich in das neue Jahr gestartet. Unternehmen mit gut gefüllter Kriegskasse und Expansionsambitionen für den US-Markt, Rekordzuflüsse für Private Equity und billiges Geld in Hülle und Fülle – einiges sprach dafür, dass 2020 ein Rekordjahr werden könnte. Darauf deuteten auch die beiden großen Deals des ersten Quartals hin, der Verkauf der Aufzugssparte von Thyssenkrupp an ein Bieterkonsortium unter der Führung des Finanzinvestors Advent und die Übernahme von Bombardier Transportation durch Alstom.Die beiden Transaktionen im Wert von 18,7 Mrd. Dollar (ThyssenKrupp Aufzüge) und 8,2 Mrd. Dollar (Bombardier/Alstom) katapultierten mit Rothschild & Co. und der UBS zwei traditionell eher im Mittelfeld spielende Adressen an die Spitze der auf der Basis vorläufiger Zahlen vom Datendienstleister Refinitiv erstellten League Tables für das erste Quartal (siehe Tabelle).Die beiden Top-Transaktionen weisen allerdings einen Schönheitsfehler auf: Sie sind noch nicht in trockenen Tüchern. Lässt im Falle des Kaufs der Bombardier-Sparte das erforderliche Placet der Wettbewerbshüter einstweilen auf sich warten, so steht nach Informationen aus Finanzkreisen beim Verkauf der Aufzugssparte von Thyssenkrupp die Refinanzierung noch nicht. Laut einer Mitteilung der Kanzlei Goetzpartners, die das Käuferkonsortium beraten hat, hofft man, den Deal bis Ende des dritten Quartals abgeschlossen zu haben.Zur Zitterpartie entwickelt hat sich auch ein anderer offener Deal. Angesichts des massiven Ausverkaufs, den das Technologieunternehmen AMS in den vergangenen Tagen an der Börse erlebt hat, ist es mehr als fraglich, ob es gelingen kann, die 1,7 Mrd. Euro schwere Kapitalerhöhung durchzubekommen, mit der die Österreicher die Übernahme des Münchener Lichtspezialisten Osram finanzieren wollten.Vor dem Hintergrund dieser Gemengelage werden nach Einschätzung von Tobias Larisch von der Kanzlei Latham & Watkins in den kommenden Monaten sogenannte Material-Adverse-Change-Klauseln besonders in den Fokus rücken. Dabei handelt es sich um Ausstiegsklauseln, die es der Bank erlaubt, ihr Finanzierungsangebot im Falle wesentlicher nachteiliger Entwicklungen an den Märkten bzw. beim Zielunternehmen zurückzuziehen. Wegen des intensiven Wettbewerbs um Akquisitionsfinanzierungen hätten die Banken mit diesem Ansinnen in der Vergangenheit meist nur in eingeschränktem Umfang landen können. “Bei künftigen Deals könnte das Thema jetzt auf den Tisch kommen”, gibt der M&A-Anwalt zu bedenken.”Wenn die Talsohle erreicht ist, könnte die Stunde der Strategen kommen”, glaubt der Latham-Partner. Larisch: “Das herausfordernde Finanzierungsumfeld bietet insbesondere für Transaktionen, die als Gegenleistung Aktien vorsehen, Chancen.” Aber auch für Private Equity ergäben sich neue Möglichkeiten, da der jüngste Crash die Bewertungen vieler Unternehmen auf ein attraktives Niveau korrigiert habe.