PERSONEN

Marcel Ospel

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 28.4.2020 "Die Zeit heilt alle Wunden", sagt der Volksmund. Für Marcel Ospel, den ersten Chef und späteren Präsidenten der 1998 aus der Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft und des Schweizerischen...

Marcel Ospel

Von Daniel Zulauf, Zürich”Die Zeit heilt alle Wunden”, sagt der Volksmund. Für Marcel Ospel, den ersten Chef und späteren Präsidenten der 1998 aus der Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft und des Schweizerischen Bankvereins entstandenen UBS, hat es für eine Rehabilitierung zu Lebzeiten nicht mehr gereicht. Der Basler verstarb am Sonntag im Alter von 70 Jahren vollständig zurückgezogen aus dem öffentlichen Leben an einer schweren Krankheit.Einer breiten Öffentlichkeit in Erinnerung bleiben vor allem seine Tabubrüche, seine Exzesse und die zur Schau gestellte Arroganz der Macht, die für eine Zeit des Größenwahns in der globalen Finanzindustrie standen. Der als Sohn eines Bäckermeisters in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Basel aufgewachsene Banker gehörte zu den ersten Schweizer Top-Managern, die ihren Lohn offenlegten. Mit über 12 Mill. sfr hatte dieser 2001 im Urteil der breiten Bevölkerung eine geradezu unverschämte Höhe. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise sollte Ospels Gehalt auf über 26 Mill. sfr steigen.2001 war auch das Jahr, in dem Ospel bei der UBS das Präsidium des Verwaltungsrates übernahm und in dieser Rolle dem Höhepunkt seiner Macht zustrebte. Zwar verlangte die Aufsichtsbehörde, eine Gewaltenteilung, so dass Ospel in der Person des Briten Luqman Arnold seinen eigenen Nachfolger als CEO einsetzen musste. Doch der unbestrittene Herr im Haus blieb der Schweizer. Nur wenige Monate nach seinem Antritt verließ Arnold die Bank, nachdem er sich mit Ospel in Fragen um die Rettung der Swissair überworfen hatte.Apropos Swissair: Im Oktober 2001 musste die Schweizer Airline wegen Geldmangels auf dem Boden bleiben, und Tausende von Passagieren saßen mit wertlosen Tickets fest. Schuld an dem Grounding sei eine verspätete Überweisung der UBS, hieß es im Chaos. Derweil ließ Ospel seinen Vize Alberto Togni in der abendlichen Hauptsendezeit des Schweizer Fernsehens ausrichten: “Der Herr Ospel hat in Gottes Namen auch noch andere Verpflichtungen.”Von dem kommunikativen Ausrutscher, mit dem die UBS die durch das Swissair-Grounding tief im Stolz getroffenen Eidgenossen heftig vor den Kopf gestoßen hatte, sollte sich Ospel nie mehr ganz erholen. Zwar wuchs die UBS unter seiner Ägide zu einem Powerhouse im globalen Bankgeschäft heran, und seine (im Nachhinein heillos überzogene) Ambition, in den USA an die Spitze vorzustoßen, trug ihm zwischenzeitlich einiges an Bewunderung im Establishment ein. Doch in der Bevölkerung repräsentierte der Mann mit dem Nadelstreifenanzug und dem runden Gesicht auch im Erfolg vor allem die Arroganz der Bankerkaste.Das Grounding der UBS folgte im Spätherbst 2007, als die immensen Verluste der Bank im amerikanischen Hypothekengeschäft allmählich sichtbar wurden. Ospel selbst sah sich im Dezember 2007 noch als “Teil der Lösung”, indem er frisches Kapital in Singapur beschaffte. Doch der gescheiterte Präsident unterschätzte die Dynamik des Niederganges seiner Bank und musste im April 2008 – nur fünf Monate vor der Staatsrettung – das Feld räumen.Vom Talent des einstigen Banklehrlings war bis zu seinem Tod kaum mehr die Rede. Dabei war auch dieses außergewöhnlich. Deutlich zu erkennen war es ab 1996, als er den verstaubten Basler Bankverein als frisch gekürter Chef mit Hilfe diverser Übernahmen in den USA in die Welt des modernen Bankings katapultierte. Dass er damit auch bei dieser Bank das Kapitalkleid bis zum Letzten strapazierte, räumte er drei Jahre nach der (rettenden) Fusion mit den Bankgesellen selbst ein. Ospel hinterlässt sechs Kinder aus drei Ehen.