fir Frankfurt – Eine der beliebtesten Erzählungen in staatlich kontrollierten russischen Medien im In- und Ausland und ihnen gleichgesinnten unabhängigen Organen lautet, dass die USA hinter der Verbreitung des Coronavirus stecken. Seit drei Monaten erzählen sie die Geschichte rauf und runter, weltweit, auf Russisch, Englisch, Arabisch, Spanisch, Deutsch. Mitunter in Abwandlungen. Mal sind die – unbestimmt bleibenden – “herrschenden Eliten” des Planeten die originären Virenschleudern, mal stecken die Letten dahinter, dann das französische Forschungsinstitut Pasteur, schließlich die Nato. Als Sündenböcke herhalten müssen ebenso Investor George Soros und Microsoft-Gründer Bill Gates, denen angelastet wird, Biowaffenlabore gesponsert zu haben. Auch der Sprecher des Außenministeriums in Peking hatte sich zu der steilen Theorie verstiegen, US-Militärs könnten das Virus nach China eingeschleppt haben. Der “alternativen Fakten” zugeneigte US-Präsident macht es derweil nicht viel besser, wenn er Gerüchte streut, indem er die These aufgreift, das Virus entstamme möglicherweise einem chinesischen Institut.Fakt ist: In der Pandemie sprießen Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen, haben Märchenerzähler Hochkonjunktur. 400 Fälle von Desinformation mit Bezug zu Corona hat die East Stratcom Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) seit Ende Januar ausgemacht. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Desinformationskampagnen gegen die EU und Staaten in ihrem Umfeld aufzuspüren. Zum Repertoire von “Sputnik”, “RT”, “News Front”, “Geopolitica.ru” und Co. zählen Aussagen wie diese: Die Krise komme einer Bankrotterklärung kapitalistischer und demokratischer Staaten gleich, die unfähig zur Bewältigung der Pandemie seien. Oder wie jene: Italien finde Unterstützung aus Russland, nicht aber von der EU. Kremltreue Publikationen in den USA verbreiten die Mär, die staatliche Ordnung würde neu sortiert. Das Gesundheitsministerium diktiere zunehmend die Politik, und im Hintergrund bereiteten sich Banker und Militärs auf die Machtübernahme vor.”Einige staatliche und staatlich unterstützte Akteure versuchen, die öffentliche Gesundheitskrise zu nutzen, um geopolitische Interessen zu verfolgen, und hinterfragen hierzu häufig direkt die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union und ihrer Partner”, befindet der EAD. Und der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mahnte im Februar: “Wir kämpfen nicht nur gegen eine Epidemie, sondern gegen eine Infodemie. Fake News verbreiten sich schneller und leichter als dieses Virus und sind ebenso gefährlich.”