Marktneutrale Strategien bringen Stabilität ins Depot

Gewisse Vorteile hinsichtlich der Risikoreduzierung - Erfolg ist keine Modeerscheinung

Marktneutrale Strategien bringen Stabilität ins Depot

Viel ist in den vergangenen Wochen diskutiert und geschrieben worden, was die allmählich zu Ende gehende massive Liquiditätsversorgung durch die Federal Reserve Bank für die Märkte für Risikoaktiva bedeutet. Sind nach einer im Jahr 2011 nur kurzzeitig unterbrochenen Rally, die bereits seit dem Frühjahr 2009 anhält, Aktien noch kaufenswert? Zumal die Gewinnentwicklung vieler Unternehmen in den Industrie- und Schwellenländern hinter der Entwicklung der Aktienbörsen herhinkte. Sind die diversen Anleihemarktsegmente nicht restlos überteuert?Gleichzeitig hat der Anleger, sei er eine Privatperson oder ein institutioneller Investor, ein historisches Anlagedilemma zu lösen. Die rekordniedrigen Renditen für Staatsanleihen bester Qualität, wie die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen mit unter 0,9 % pro Jahr belegen, reichen weder für die Renditevorstellungen normaler Anleger aus, noch entsprechen sie den Auszahlungsverpflichtungen von Lebensversicherungen oder Pensionskassen. Kaum verwunderlich, dass sich die Investoren scharenweise Anlageklassen zugewandt haben, die für sie in früheren Zeiten “exotisch” oder schlicht tabu gewesen wären. Mittlerweile zählen hoch-verzinsliche Unternehmensanleihen (High Yields), Schwellenländeranleihen oder Leveraged Loans bereits zum gängigen Repertoire in vielen Portfolien. Blick verbreitert sichAber auch auf der Seite der “alternativen Investments” erlebt das Interesse der Anleger eine Renaissance. Der Begriff Hedgefonds war vor und besonders nach der globalen Finanzkrise nicht positiv besetzt, sondern rief in der Regel Argwohn oder Ablehnung hervor. Dies hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Viele hedgefondsartige Strategien lassen sich heute innerhalb des Rechtsrahmens eines Luxemburger Publikumsfonds umsetzen, was angesichts der strengen Regulierung eine größere Sicherheit vor betrügerischen Machenschaften bietet. Allein in den letzten beiden Jahren wurde eine Vielzahl von Hedgefonds im Publikumsfonds-Format neu an den Markt gebracht, und sie weisen solide Mittelzuflüsse auf.Wie ist dieser Erfolg zu erklären? Es ist zunächst ein Resultat der immer drängenderen Suche nach Renditequellen, die den Blick der Anleger breiter werden lässt. Und es ist die Sorge, dass eine Kombination von Anlagen im Falle einer Wiederkehr einer Finanzmarktkrise mehr oder weniger stark im Gleichklang verlieren könnte. Daher sucht die Investorengemeinde nach Anlageklassen, die nach Möglichkeit unkorreliert sind und Verluste begrenzen können. Allein durch die Herausnahme des Marktrisikos (Beta) koppelt man sich bereits von der allgemeinen Marktentwicklung ab – sofern der Manager in der Lage ist, durch eine Kombination von Positivpositionen (Longs) bzw. Negativpositionen (Shorts) im Portfolio eine positive Rendite zu erzielen.Marktneutrale Anlagestrategien haben also gewisse Vorteile hinsichtlich der Performancestabilität und damit der Risikoreduzierung. Aber auch hier ist es wichtig, sich der immanenten Risiken bewusst zu sein. Häufig generiert ein marktneutraler Long-Short-Manager seine Performance aus einem bestimmten Anlagestil heraus. Dies können strukturelle Expositionen zu niedrig kapitalisierter Unternehmen (Small Cap Bias) oder auch die Anlage in stark wachsende oder niedrig bewertete Unternehmen sein (Growth Bias oder Value Bias). Häufig kommen die Wertsteigerungen – trotz der formalen Marktneutralität – aus einem Engagement in weniger liquiden Wertpapieren. Zumeist ist eine solche Anlagestrategie erfolgreich, sie kann aber bisweilen Perioden erleben, in denen die Illiquiditätsprämien für Verluste sorgen. Diese Korrekturen entstehen in der Regel abrupt und sind von heftigem Ausmaß. RichtungswechselEin guter Long-Short-Manager wird versuchen, die Wendepunkte in der Vorteilhaftigkeit zu antizipieren und sein Portfolio rechtzeitig für die entgegengesetzte Seite zu positionieren. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der Long-Short-Manager diese Richtungswechsel nur unzureichend vorhersehen beziehungsweise sich ihr Portfolio anders verhält als geplant. So hat der Index für marktneutrale Aktienstrategien des Indexanbieters im Jahr 2008 bis zu 8,2 % verloren, was weit unterhalb der selbst gesteckten Ziele lag. Zyklen unterworfenDamit zeigt sich, dass jede Anlagestrategie eines Long-Short-Managers ebenso wie Long-only-Strategien gewissen Zyklen unterworfen ist. Früher oder später wird eine Situation eintreten, in der die Anlagestrategie nicht aufgeht und zwischenzeitlich Verluste produziert. Glücklicherweise verlaufen die Verlustperioden von marktneutralen Managern zumeist nicht synchron mit jenen an den Aktienmärkten, so dass sich hieraus Diversifikationsvorteile durch die Kombination von marktneutralen Anlagen mit Aktien- oder Rentenstrategien ergeben. Diese Vorteile zeigen sich insbesondere über längere Zeiträume. Kurzzeitig, das heißt bei der Betrachtung einzelner sehr volatiler Tage, kann der Gleichlauf größer sein, dieser relativiert sich jedoch nach einiger Zeit.Wie kann man die Long-Short-Strategie selbst widerstandsfähiger gegen Performancezyklen machen? Auch hier besteht die Lösung aus dem Diversifikationsargument. Durch die Kombination verschiedener marktneutraler Manager, die jeweils auf verschiedenen Wegen versuchen, positive Renditen zu erzielen, kann die Wertentwicklung signifikant geglättet werden. Idealerweise kombiniert man Manager, die in unterschiedlichen Anlageklassen aktiv sind, zum Beispiel in Aktien- und Rentensegmenten, verschiedenen Regionen oder Investmentstilen. Der Rückgang in der Schwankungsbreite des Portfolios muss dabei nicht zulasten der langfristigen Renditeerwartung gehen, die Zugewinne liegen regelmäßig auf der Risikoebene. Als Ergebnis erhält der Anleger ein Portfolio, das eine wesentlich verbesserte risikoadjustierte Rendite (Sharpe Ratio) besitzt.Kann also ein Anleger durch die Kombination von zwei oder drei marktneutralen Long-Short-Managern einfach sein Multimanager-Portfolio aufbauen?Obschon sich bereits bei diesem Diversifikationsniveau Vorteile einstellen, müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, um ein erfolgreiches und widerstandsfähiges marktneutrales Portfolio zu kreieren. Zunächst einmal benötigt man Manager, die in der Mehrzahl der Perioden eine positive Performance erzielen können, das heißt einen fähigen Alpha-Manager. Diese triviale Weisheit allein ist schon eine Herausforderung, der nur wenige Portfoliomanager gewachsen sind. Ferner ist es vorteilhaft, wenn es sich bei den ausgewählten Managern um wirklich marktneutrale Strategien handelt. Denn gerade versteckte Marktabhängigkeiten (Beta) sind es, die bei großen Marktkorrekturen auch bei vermeintlich marktneutralen Managern auf die Renditen drücken.Daher favorisieren wir Alpha-Manager, die ihr Portfolio in engen Bändern um die Marktneutralität halten. Den größten stabilisierenden Faktor erhält man, wenn man verschiedene Anlagestrategien und Managermentalitäten kombiniert, idealerweise über verschiedene Anlageklassen hinweg. So ist es unwahrscheinlich, dass ein High-Yield-, ein Asien-Aktien- oder ein Europa-Nebenwertemanager zur gleichen Zeit eine Performancedelle erleben. Je mehr Anlageklassen in einem Multi-Manager-Portfolio kombiniert werden können, umso besser.Wenn man eine ausreichende Zahl vielversprechender Long-Short-Manager in gering miteinander korrelierenden marktneutralen Strategien identifiziert hat, spielt das Thema Risikomanagement bei der Konstruktion und der Überwachung des Portfolios eine überragende Rolle. Viele Fonds, die im Zeitablauf gescheitert sind, konnten in extremen Marktphasen ihre Risiken nicht ausreichend steuern, um Verluste zu begrenzen. Hierfür benötigt man komplexe Risikomanagement-Systeme, wie sie typischerweise bei Asset Managern zum Einsatz kommen. Hilfreich ist es, wenn die selektierten Alpha-Manager im selben Unternehmen angesiedelt sind, man also einen uneingeschränkten Einblick in die Strategien und Portfoliopositionen hat. Auch das Thema Eingriffsmöglichkeit in die Strategien, wenn sich die Dinge nicht wie gewünscht entwickeln, ist nicht zu unterschätzen. Vorzüge sind dokumentiertZusammenfassend kann man sagen, dass der Erfolg marktneutraler Anlagestrategien keine Modeerscheinung ist, sondern die Vorteile für die Stabilität eines Portfolios hinreichend dokumentiert sind. Die Zahl der Portfoliomanager, die zusätzlich zu der Long-Seite auch die Short-Seite des Marktes beherrschen, hat massiv zugenommen. Aus diesem Grund können diese Strategien künftig ein integraler Bestandteil eines diversifizierten Gesamtportfolios werden.—Von Walter Liebe, Senior Investment Advisor bei Pictet Asset Management