Mehr emotionale Intelligenz erforderlich

Mittelständischen Firmenkunden erfolgreich dienen

Mehr emotionale Intelligenz erforderlich

Die Lektüre der Sonderbeilagen der Börsen-Zeitung zum Retail oder Corporate Banking der vergangenen Jahre offenbart, dass sich die Autoren vielfach auf Sachverhalte konzentrieren, die das Leistungspotenzial der von ihnen vertretenen Institute bei einer Dominanz vertrieblicher Inhalte zum Gegenstand haben. Nun geht es für den einen oder anderen sicherlich unter anderem darum, durch die Beschreibung bankbetrieblicher Leistungskomponenten die eigene Kompetenz zu betonen und somit indirekt für das eigene Haus zu werben. Das gehört dazu.In summa scheint die inhaltliche Gewichtung dennoch ein Reflex auf eine Entwicklung zu sein, die Anfang der neunziger Jahre schrittweise einsetzte und sukzessive zu einer immer stärkeren Verkaufsorientierung der Finanzwirtschaft führte. Vorbei sind die Zeiten, in denen die über Jahrzehnte anzutreffende Praxis der Subordination durch Begriffe wie “(Kredit)Antrag”, “Kreditgewährung” oder “Gebühren” das Miteinander von Kunde und Bank beschrieb. Heute geht es um “Vertrieb” und “Cross-Selling”, gestützt durch “Customer Care” – beziehungsweise “Customer-Relationship-Management-Systeme”.Dabei ist das Verbum “vertreiben” etymologisch negativ konnotiert und somit sprichwörtlich für den mancherorts anzutreffenden Umgang mit Kunden. Dienstleistungen werden als “Produkte” verpackt, obwohl die Wirtschaftswissenschaft lehrt, dass Dienstleistungen gerade immaterielle Güter sind, die entstehen, wenn ein Wirtschaftssubjekt für ein anderes eine entgeltliche Tätigkeit ausübt. Zugegebenermaßen ist “Produkt” wiederum der betriebswirtschaftliche Komplementärbegriff, aber hier geht es eben um ein materielles und nicht wie in der Kreditwirtschaft um ein immaterielles Gut. Die Wortwahl korrespondierte mit einem Zeitgeist, der die Rentabilität gerade in deutschen Banken und Sparkassen mit referenzieller Bezugnahme auf die Industrie zu erhöhen suchte.Auch der Begriff der Finanzindustrie entstammt diesem Umfeld, wenngleich Meyers Konversationslexikon schon 1876 unter “Industrie” ausschließlich “die Gesamtheit derjenigen Arbeiten (verstand), welche die Erhöhung des Werths der von der Natur dargebotenen Rohstoffe . . . mittels technischer Verrichtungen zum Zwecke haben; im engeren Sinne versteht man darunter insbesondere den fabrikmäßigen Gewerbebetrieb”. Trotz aller sprachlichen Verrenkungen, die, für Sprachwissenschaftler enttäuschend, ihren Niederschlag zwischenzeitlich auch im Aufsichtsrecht gefunden haben, scheint sich eines nicht grundlegend verändert zu haben, nämlich die langjährig unterdurchschnittliche Rentabilität großer Teile der deutschen Kreditwirtschaft.Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Ausgangspunkt der bankbetrieblichen Wertschöpfungskette, die Kunde-Bank-Beziehung, möglicherweise einer anderen Betrachtung bedarf. Dies umso mehr, als die Loyalität von Kunden in den letzten 30 Jahren schrittweise abgenommen hat. Sicherlich sind damit strategische Entscheidungen mit aussteuernden Konsequenzen wie “Abschied vom Mittelstand” ebenso verbunden wie die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe, die Beteiligung an Cum-ex-Geschäften oder Strafzahlungen in verstörender Höhe für nahezu schon systemisch anmutende Rechtsverletzungen, die den Ruf mancher Häuser gravierend geschädigt haben. Dennoch zeigt sich, dass es gelingen kann, die Beziehung zwischen Kunde und Bank so zu intensivieren, dass die Gefahr ungewollter Abwanderungen unter Beibehaltung einer eher geringen Preiselastizität beseitigt, zumindest aber substanziell minimiert wird.Hierfür bedarf es keiner ausschließlich vertrieblich basierten, sondern einer gleichermaßen emotional ausgerichteten Annäherung an Kunden und Nichtkunden, einer emotional ausgerichteten Annäherung, die das Interesse am Kunden und seinem Unternehmen auch tatsächlich in den Mittelpunkt stellt. Begriffe wie “Wallet Sizing” als das “Vermessen des Ertragspotenzials” einer Verbindung sind in diesem Zusammenhang ebenso verräterisch wie das Angebot von “Kampfkonditionen”, um neue Kunden zu gewinnen; zumal nicht nur die Betriebswirtschaftslehre, sondern auch die Konsumforschung im Grundsatz nachgewiesen haben: je stärker die Kundenbindung, desto weniger elastisch der Preis. Keine GefühlsduseleiUm die Kunden wirklich und langfristig zu binden und um diese Bindung systematisch zu stärken, bedarf es mehr, als ein vermeintlich kraftvoller Vertrieb und ein raffiniertes Cross-Selling vermuten lassen. Es bedarf insbesondere einer Einstellung, die von Empathie und echtem Interesse am Menschen und an seinem Unternehmen getragen ist. Hierfür ist eine emotionale Intelligenz erforderlich, die ergänzend neben die soziale Intelligenz (nicht Sozialkompetenz) tritt. Der Begriff der emotionalen Intelligenz wurde 1990 von John D. Mayer von der University of New Hampshire und Peter Salovey von der Yale University in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt. Sie hat insbesondere seit dem Erscheinen des von dem klinischen Psychologen Daniel Goleman verfassten Buches “Emotional Intelligence: Why It Can Matter More Than IQ” viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und die Forschung im Bereich Sales & Marketing an den führenden Business Schools stark beeinflusst.Verkürzt ausgedrückt beschreibt es die Fähigkeit, Gefühle korrekt wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Dabei geht es nicht um irgendeine Gefühlsduselei, sondern um konkret kognitive Fähigkeiten, um die Kommunikation mit Kunden und Nichtkunden möglichst nicht nur optimal, sondern umfassend zu führen. Es ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das bei personellen Entscheidungen in der National-Bank berücksichtigt wird. Der damit verbundene Einbezug aller Ebenen eines Gesprächs hilft, die Beziehung zwischen Kunde und Bank auf beiden Seiten fest zu verankern. Vor allem hilft es in der Einstellung, Kunden nicht als Objekt und Quelle sprudelnder Erträge, sondern als Subjekt zu verstehen, dessen Bedürfnis oder, betriebswirtschaftlich ausgedrückt, dessen Nachfrage mit einer guten Dienstleistung, also gutem Dienen und Leisten, (über)erfüllt wird. Mehr.Wert.Erfahren.Nicht ohne Grund lautet das Markenversprechen der National-Bank: “Mehr.Wert.Erfahren.” Für manchen Leser dieser Zeilen mag diese Einstellung aus der Zeit gefallen sein. Tatsache ist jedoch, dass es die National-Bank in den vergangenen mehr als zehn Jahren stets vermocht hat, mit einem ausschließlich kundengetragenen, am Mittelstand ausgerichteten Geschäftsmodell und emotional basierten Beziehungen eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von knapp 10 % zu erwirtschaften, eine Zahl, die für manches Haus ebenfalls aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Thomas A. Lange, Vorstandsvorsitzender der National-Bank Aktiengesellschaft