Mehrerträge durch höhere Risikokompetenz
Versicherungsnahe Assetmanager müssen angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase nicht nur breiter in Risiken diversifizieren, sondern dabei auch die Chancen aller relevanten Renditequellen an den Kapitalmärkten nutzen. So haben neben den traditionellen Anlagen der Anleihen, Aktien und Immobilien weitere Anlagearten den Weg in die Portfolien von Versicherungen gefunden. Es gibt praktisch keine Denkverbote, neue Wege in der Kapitalanlage zu gehen. Versicherungswissen hebelnNatürlich liegt es nahe, neue Renditequellen zu akzeptablen Risiken mittels überlegener Expertise zu erschließen. Aber woher nehmen ? Versicherungen haben einen fast grenzenlosen Schatz an Risikowissen in ihrem Kerngeschäft, der sich auch in der Kapitalanlage lohnend einsetzen lässt. Das ist der einfachste Weg: Ohnehin vorhandenes Wissen an Stellen einsetzen, wo es bislang noch nicht lohnend eingesetzt worden ist. Der Schlüssel liegt darin, Wissen des Vermögensmanagers mit dem auf der Versicherungsseite so miteinander zu kombinieren, dass mit der neu gewonnenen Risikokompetenz Zusatzerträge erzielt werden können.Als anlageklassenübergreifender Vermögensmanager von Munich Re verfügt die Meag über umfangreiches Spezialwissen, das in Investmentprozesse neuer Assetklassen miteingebracht werden kann. Anlageexperten in den klassischen Anlageklassen bringen viel Risikowissen mit, das sich auch in anderen, neuen Assetklassen nutzen lässt. Gerade bei den illiquiden Anlagen, wie den Erneuerbaren Energien oder der In-frastruktur, ist spezielles Risikowissen sehr hilfreich.Die Assetklasse Infrastruktur ist ein weites Feld, es reicht von Krankenhäusern und Rathäusern, über Autobahnen, Brücken und Tunnels bis hin zu Strom- und Gasnetzen. In all diesen Bereichen sind auch Versicherungen unterwegs: Ingenieure, die sich mit der Technik beschäftigen, Erdbeben- und Klimaforscher, die sich mit spezifischen Risikosituationen auskennen oder Kollegen der Schadenabteilungen, die wissen, wie lange Betriebsunterbrechungen mit welchen Folgen eintreten können. Versicherungen haben als Kapitalanleger ein großes Erfahrungs- und Risikowissen, das sich gezielt in der Kapitalanlage einsetzen lässt. Bewährte ZusammenarbeitExpertise unter einem Dach zu haben, nützt nur wenig, wenn sie nicht intelligent zusammengeführt wird. Entscheidend für erfolgreiche Investitionen ist die enge Zusammenarbeit zwischen Assetmanager und den Experten der Versicherungsgruppe. Auch in vielen Fragen der Technik, der technischen Begutachtung oder der Evaluierung der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen kann die Expertise von Versicherungen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein. Unsere global aktive Versicherungsgruppe Munich Re ist in vielen Segmenten des Schaden- und Unfallgeschäftes aktiv.Uns ist bei der Beurteilung neuer Investitionen sehr wichtig, dass wir zu einer zweiten Meinung (Second Opinion) kommen, die streng funktionsgetrennt in einer anderen Abteilung erarbeitet wird. Im Mittelpunkt der Erstellung dieser Zweitmeinung stehen die Einschätzung von Risiken, die Angemessenheit des geplanten Kaufpreises sowie gegebenenfalls resultierende Abschreibungsrisiken. Für die potenziellen Investments werden alle bewertungsrelevanten Aspekte und Risiken entsprechend den jeweiligen Geschäftsplänen und Finanzmodellen beurteilt. Neben einem Basisszenario werden auch Risiko-Szenarien berechnet. So lassen sich Risiken und deren Bedeutung für das Investment ermitteln, wie z.B. bei Windparks die Antwort auf die Frage, wie stark der Wind im Mittel weht und wie sehr Abweichungen davon die Werthaltigkeit des Investments beeinflussen.Gerade bei den sehr lang laufenden Vermögensbeständen ist eine eingehende Risikoanalyse unabdingbar. Dabei arbeiteten sich die Anlageexperten Schritt für Schritt von den benachbarten und eher vertrauten zu den weiter entfernt liegenden und schwerer einschätzbaren Risiken vor. Eine Onshore-Windkraftlage lässt sich einfacher einschätzen als Offshore, die politischen Risiken in der deutschen Jurisdiktion einfacher als in Südeuropa oder Übersee, und die technischen Risiken von klassischer Infrastruktur wie einer Autobahn leichter als die von neu entwickelten, sehr hohen und leistungsfähigen Windturbinen. Es gilt der Grundsatz: Was man nicht versichern will, das finanziert man auch nicht und erst recht wird man es nicht kaufen. Kompetenz verbindet.Ein anderer Weg, attraktive Zusatzerträge zu erschließen, ist, gezielt Kompetenz aufzubauen. Assetklassen, die bislang noch zu komplex oder riskant erschienen, können so systematisch bearbeitet werden. Die Beurteilung von Bonitätsrisiken bzw. Credit-Risk ist bei Anleihen und Krediten keine angestammte Domäne der Versicherungswirtschaft. Banken haben hier aufgrund ihrer Kundenbeziehungen einen Wettbewerbsvorteil. Versicherungen können diesen Vorteil auch erlangen, wenn sie systematisch in diese Risikoexpertise investieren. Kann Expertise in der Bankkreditvergabe und -prüfung gewinnbringend in einem aktiven Managementansatzes eingesetzt werden? Die veränderten Marktbedingungen in manchen Segmenten haben sogar entscheidend dazu beigetragen, dass Versicherungen um eine verstärkte Bonitätsprüfung kaum mehr herumkommen. Bei vielen Anleihen niedrigerer Bonitäten kann nicht mehr wie früher vor der Finanzkrise 2008/2009 von einer hinreichend hohen Liquidität ausgegangen werden. Für große Anleger trifft dieses Problem der fehlenden Liquidität in verschärfter Form zu, da sich große Positionen noch schwerer liquidieren lassen, das heißt der Abbau braucht noch länger. Gefahr illiquider MärkteBei einem Absinken der Bonität oder großem Verkaufsdruck ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Märkte austrocknen. Dem vermehrten Angebot risikoaverser Investoren in einer solchen Situation steht keine entsprechende Nachfrage gegenüber. Dies impliziert, dass Anleger in der Lage sein müssen, solche Papiere angesichts von nicht auszuschließenden Stressphasen durchhalten zu können. Entsprechend wichtiger wird die Risikoanalyse beim Engagement. Kann ein Default nicht mit hinreichender Sicherheit bis zum Laufzeitende ausgeschlossen werden, darf ein Investment nicht oder zumindest nicht in der ursprünglich beabsichtigten Höhe erfolgen und muss eine entsprechende Kompensation in Form einer höheren Risikoprämie verlangt werden.Um aber vernünftig über Ausfallwahrscheinlichkeiten und mindestens zu fordernde Risikoprämien urteilen zu können, muss der externen Marktmeinung eine ebenbürtige eigene entgegengesetzt werden können. In den vergangenen Jahren haben wir Schritt für Schritt unser Credit-Research aufgebaut, um in neue, attraktive Risiken vorzustoßen. Dabei agieren wir global aus unseren beiden primären Standorten München und New York.Wirtschaftlich ist diese Investition aufgrund der Komplexität der Assetklasse dringend geboten. Aufgrund von Interventionen der Zentralbanken auf vielen Anleihenmärkten finden wir trotz der jüngsten Ausweitungen potentiell verzerrte Risikoprämien wieder. Aber auch aufsichtsrechtlich gebietet das Prudent Person Prinzip einen sachkundigen Umgang.Die Geschäftsführung kann sich nicht auf die Rating-Einstufungen berufen. Wer seine Risiken im Griff haben will, der muss darüber eine eigene qualifizierte Meinung verfügen oder einen geeigneten externen Anbieter beauftragen.Mit dem Aufbau eines Credit-Research bleiben Risikolandschaften investierbar, aus denen man sich sonst hätte zurückziehen müssen. Nicht jeder Vermögensmanager wird indes die Mittel und Möglichkeiten haben, ein eigenes Credit-Research aufzubauen. Typischerweise werden die großen Häuser mit hohen Anlagesummen solche Investitionen tätigen können, während kleinere Adressen dieses Knowhow extern zukaufen müssten. Zu den attraktiven Anlagelösungen, bei denen dezidiert das Knowhow des Credit-Research eingesetzt wird, gehört die Strategie “Short-Term High-Yield”. Es wird gezielt in schlechtere Bonitäten mit attraktiven Risikoaufschlägen investiert. Eine kurze Restlaufzeit und eine hinreichend sichere Beurteilung der Bonität ermöglichen die nötige Gewissheit bei der Einschätzung der Risiken. In den vergangenen Jahren konnten mit dieser Anlagelösung attraktive Mehrerträge erzielt werden, ohne dass Risikobudgets hätten überstrapaziert werden müssen. Ambitionen im DrittgeschäftDie aufgebaute und eingeübte Kompetenz für Mehrrenditen lässt sich auch im Geschäft mit privaten und institutionellen Kunden nutzen. Nicht nur die Mandanten von Munich Re und Ergo können langfristige und nachhaltig stabile Renditen gut gebrauchen, auch andere versicherungsnahe und konservative Kunden haben Bedarf. Die Meag nutzt das Prinzip der verlängerten Werkbank und hebelt ihre Risikokompetenz mit der Gruppe. Die Anlagestrategie Short-Term High-Yield hat sich bewährt, und auch im Bereich der Infrastrukturkredite ist die Nachfrage erheblich.Die aktuelle Niedrigzinsphase wird sich etwas entspannen, wir werden aber weiterhin ein sehr niedriges Zinsniveau haben. In diesem Umfeld wird die Suche nach auskömmlichen Renditen zu akzeptablen Risiken weiter anhalten. Für uns gilt das gleiche wie für die Kollegen auf der Versicherungsseite: Mit einem Ausbau unseres Risikowissens verschieben wir die Grenzen der Investierbarkeit und erschließen uns neue, attraktive Anlagemöglichkeiten, die uns bislang als zu schwer einschätzbar und deswegen als zu riskant erschienen. Gleichzeitig drücken aber auch neue Risiken in früher einmal gut einschätzbare Märkte hinein: verzerrte Preise aufgrund von Interventionen. Hier müssen wir mit vermehrtem Risikowissen die angestammten Anlagemärkte investierbar halten. In einer immer riskanteren Welt müssen wir uns immerhin keine Sorgen machen, dass es uns an Risiken fehlt, die es lohnt anzupacken.—-Philipp Waldstein, Geschäftsführer, Meag