Michael Hauck
Von Bernd Wittkowski, FrankfurtDer Finanzplatz Frankfurt trauert um einen seiner Väter, und auch die Stadtgesellschaft hat eines ihrer prominentesten und geachtetsten Mitglieder verloren. Michael Hauck ist tot. Der Bankier verstarb am Donnerstag im 91. Lebensjahr. Wiewohl ihm die Last des Alters seit geraumer Zeit anzusehen war, kam sein Ableben für sein unmittelbares privates Umfeld doch sehr überraschend.Noch dieser Tage habe Hauck geistig fit gewirkt und sei guter Dinge gewesen, sagen Menschen, die ihm sehr nahestanden. Dies bestätigt den Eindruck, den man Ende November gewann, als der Ehrenvorsitzende von Hauck & Aufhäuser Privatbankiers mit sichtlich lebhaftem Interesse an einer Diskussionsveranstaltung anlässlich des 80. Geburtstages von “Mr. Finanzplatz” Rolf Breuer in der Frankfurter Goethe-Universität teilnahm. Die hier erörterte Entwicklung des deutschen Kapitalmarktes in den vergangenen Jahrzehnten und die Suche der Podiumsteilnehmer nach einer Aktienkultur waren Themen ganz nach dem Geschmack Haucks, der oft den Status Deutschlands als “Entwicklungsland” in Sachen Aktienanlage beklagt hatte. Vom Eise befreitDem ehemaligen Vorstandssprecher und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank war Hauck ein gutes Jahrzehnt voraus. Sein 90. Geburtstag (22. April) war Anfang Mai vorigen Jahres in Anwesenheit zahlreicher namhafter Vertreter der Banken- und Börsenwelt am Frankfurter Hauptsitz des traditionsreichen Geldhauses angemessen begangen worden.Damals war unter dem Titel “Frankfurter Allerlei – Erlebtes und Erlerntes aus neun Jahrzehnten” gerade sein jüngstes Buch erschienen: mit lesenswerten, kurzweiligen Betrachtungen über die Stadt Frankfurt, ihre Bürger und Institutionen. Es war zugleich Haucks letztes Werk – “zum Büchermachen bin ich nun zu alt”, ließ er im Begleitbrief wissen, nicht ohne sich auch bei dieser Gelegenheit zu historischen wie auch sehr aktuellen Themen der Frankfurter Wertpapierbörse beziehungsweise der Deutschen Börse zu äußern. Und erst im November diktierte er eine Mail, in der er – wie so oft Goethe zitierend – feststellte, an der Börse seien die Dinge nun “vom Eise befreit”, und den Wunsch übermittelte, sich einmal über die Zukunft des Börsenrates auszutauschen. Die Begegnung kam leider nicht mehr zustande.Michael Hauck wusste gerade bei Börsenthemen in aller Regel, wovon er sprach, auch wenn man seine Meinung – und er war ausgesprochen meinungsfreudig und meinungsstark – nicht immer teilen musste. Bereits 1959 war er, der bald darauf zu den Gründern der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (DVFA, heute Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) gehörte, Vorstandsmitglied der Frankfurter Wertpapierbörse geworden. Drei Jahrzehnte lang, ein Drittel seines Lebens, gehörte er dem Gremium an, von 1986 bis 1989 als Vorsitzender.Als er aus diesem Amt ausschied, sagte Commerzbank-Vorstand Dietrich-Kurt Frowein als dienstältester Vize an der Spitze der Börse, Hauck habe dem Frankfurter Börsenplatz zu einem neuen Selbstverständnis verholfen und eine Aufbruchstimmung erzeugt. Während seines Vorsitzes, so ist in einem 1996 erschienenen Jubiläumsbuch (“Spurenlese”) zum 200-jährigen Bestehen von Georg Hauck & Sohn Bankiers zu lesen, seien zahlreiche Probleme einer Neuausrichtung der Wertpapierbörse erfolgreich gelöst worden. Diese habe sich “marktmäßig, markttechnisch und politisch zur eindeutigen Leitbörse der Bundesrepublik entfaltet”.Michael Bentlage, der Vorstandsvorsitzende von Hauck & Aufhäuser, würdigte den Verstorbenen am Freitag als “einen ganz besonderen Menschen”, als “moralische Börseninstanz”, “Held der Aktie” und Begründer der modernen Fundamentaldatenanalyse, der maßgeblich zu einer transparenten Finanzwelt beigetragen habe. Bentlage weiter: “Michael Hauck war für mich Maßstab und Vorbild. Jedes Gespräch mit dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit war eine Bereicherung – sein brillanter Verstand, seine intellektuelle Schärfe und Weitsicht haben mich stets zutiefst beeindruckt.”Der Urururgroßvater von Michael Hauck, Friedrich Michael Hauck, hatte 1796 die Frankfurter Wein-, Seiden- und Farbstoffhandlung sowie “Merchantbank” Gebhard & Hauck gegründet, aus der Georg Hauck & Sohn hervorging. Nachdem sein Vater früh gestorben war, wurde Michael Hauck mit 19 Jahren Komplementär des Bankhauses. Nach Studium und Bankausbildung in Frankfurt, den USA, Hamburg, London und Paris trat er 1956 in die operative Geschäftsleitung des einen Vorgängerinstituts von Hauck & Aufhäuser ein. 38 Jahre, bis Ende 1993, führte er die Bank als persönlich haftender Gesellschafter. Mit Bankern der heutigen Zeit hätte der Bankier der alten Schule nicht tauschen wollen. Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Finanzkrise erschienen ihm wie ein Geschehen in einer fremden Galaxie. Insofern war er dankbar für die “Gnade der frühen Geburt”, wie er einmal im Interview der Börsen-Zeitung sagte. Frankfurter durch und durchDer auch kulturell vielfältig engagierte und lebenskluge “Frankfurter durch und durch” war bis zum Schluss mit feinsinnigem Humor ausgestattet. Er hinterlässt seine Frau, Sohn, Tochter und etliche Enkel, denen er bestimmt verraten hat, wo die materiellen Schätze zu finden sind. Anders als sein Vater. Der habe immer eine kleine Reserve in Goldstücken gehalten, erzählte Michael Hauck, nie um eine gefällige Anekdote verlegen, einmal dem Chronisten. “Die hat er irgendwo vergraben. Dann ist er gestorben, und wir wissen bis jetzt nicht, wo er das Gold versteckt hat.”