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Mifid II beendet Free Lunch für Assetmanager

Börsen-Zeitung, 13.9.2017 Investoren und Assetmanager, welche in der Vergangenheit die Vielfalt der kostenlosen Analysen, Marktberichte und Sektor-Reports der Banken nutzten, müssen sich ab 1. Januar 2018 neu orientieren. Denn Mifid II beendet den...

Mifid II beendet Free Lunch für Assetmanager

Investoren und Assetmanager, welche in der Vergangenheit die Vielfalt der kostenlosen Analysen, Marktberichte und Sektor-Reports der Banken nutzten, müssen sich ab 1. Januar 2018 neu orientieren. Denn Mifid II beendet den Free Lunch. Zuerst stellt sich Assetmanagern die Frage, ob sie selbst für Research-Dienstleistungen bezahlen oder die Kosten an die Kunden abwälzen. Da einige prominente Assetmanager bereits medienwirksam erklärten, dass sie die Kosten selbst schultern, dürfte sich dieses Modell etablieren.Im nächsten Schritt müssen die Assetmanager überlegen, welche Research-Bedürfnisse bestehen und wie sie diese befriedigen. Grundsätzlich gibt es vier Varianten. 1. Der Assetmanager bezieht weiter Research bei der Bank und zahlt künftig dafür. 2. Der Assetmanager baut selbst auf eigene Kosten ein Research-Team auf, das auf seine Produkte ausgerichtete Analysen erstellt. 3. Der Assetmanager kauft sich bei Drittanbietern (Independent-Research-Providern – IRP) maßgeschneiderte Dienstleistungen ein. 4. Der Assetmanager bedient sich quasi à la carte aller Varianten, um für ein vordefiniertes Budget das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten. Erhebliche ZusatzkostenBei der ersten Variante ergeben sich grundsätzliche Problemstellungen. Obwohl es möglich ist, dass einzelne Banken Research-Berichte kostenlos anbieten werden, ist davon auszugehen, dass für Assetmanager Zusatzkosten und nicht unerheblicher Administrationsaufwand anfallen. Der Aufwand besteht in erster Linie in einer internen Erhebung der Bedürfnisse und einer Inventarisierung der bisher kostenfrei erhaltenen Research-Produkte. Portfoliomanager müssen eine Auslegeordnung erstellen und aus dem Spektrum bei den Banken jene Research-Publikationen auswählen, welche für die Umsetzung und den Erfolg der verfolgten Anlagestrategie einen Mehrwert generieren.Hierbei dürfte es sich bei größeren Assetmanagern mit breitem Spektrum an Produkten und Strategien als schwierig gestalten, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu definieren. Assetmanager erhalten zwar eine Vielfalt von inhaltlich im Kern oft redundanten Research-Berichten, doch dürften die Präferenzen der Leserschaft abhängig von Stil und Format eine sehr breite Streuung aufweisen. Diverse Berater wittern hier bereits das große Geschäft und wollen den Vermögensverwaltern mit einem strukturierten Selektionsprozess, automatisierten Bewertungstools und einer ausgeklügelten Matrix von gewichteten Entscheidungskriterien zur Seite stehen. Aber auch dadurch lassen sich die inhärenten Interessenkonflikte (Research als Kaufanreiz) nicht ausschalten, welche durch die direkte Bezahlung aber implizit akzeptiert werden.Im Gespräch mit Kunden und Geschäftspartnern stellt sich aber heraus, dass sich oft schon beim ersten Punkt – der Frage nach dem Mehrwert – viele langwierige, aber notwendige Diskussionen ergeben. Vielerorts scheint sich eine regelrechte Aufbruchstimmung breitzumachen und Geschäftsmodelle und -prozesse werden grundsätzlich hinterfragt. Alternative Modelle werden geprüft, innovativen Lösungsansätzen wird mit Offenheit begegnet, Mut zur Lücke scheint sich als Credo durchzusetzen.Zum zweiten Punkt (der Assetmanager baut selbst ein Research-Team auf): Häufig stützten sich Assetmanager bisher auf die Portfoliomanager, welche basierend auf Banken-Research ihre Anlagen verwalteten. Nun war es jeweils so, dass die Banken selbst entschieden, ob ein Unternehmen durch die Analyseabteilung abgedeckt und wie oft und in welchem Umfang berichtet wird. Um eine kontinuierliche Abdeckung zu gewährleisten, setzen viele Assetmanager auf Desk-Analysten, welche die Unternehmensnachrichten verfolgen und den Portfoliomanager bei den Anlageentscheidungen mit einem kritischen Blick auf Finanz- und Geschäftsprofil, Industrie- und Wettbewerbsdynamik unterstützen. Abhängigkeit verringernVor allem bei kritischen Fällen wie zum Beispiel Unternehmensfusionen oder plötzlichen Umsatz- und Margeneinbrüchen kann der Desk-Analyst schnell eine erste Einschätzung der Situation abgeben, während die Banken allenfalls die Abdeckung nicht aufrechterhalten wollen beziehungsweise können (Restriktionen durch Geschäftsbeziehungen). Gerade große Vermögensverwalter sehen einen Mehrwert in hauseigenem Research und operieren traditionell mit diesem Modell und als Konsequenz weniger Abhängigkeit von Banken-Research. Wermutstropfen bei diesen Lösungen sind die hohen Fixkosten und die notwendige Konfliktkultur, um die Objektivität des Research gegenüber dem Portfoliomanagement trotz der physischen Nähe wahren zu können.Für kleinere und mittelgroße Assetmanager waren die Kosten für eigene Analysten bisher oft prohibitiv, und durch die Fülle von Banken-Research hat man sich mit der Thematik auch oft zu wenig kritisch auseinandergesetzt. Dies ändert sich nun durch Mifid II. Mittelgroße Vermögensverwalter dürften in Zukunft für spezialisiertes Research vermehrt auf eigene Analysten setzen, während Analysen zu allgemeinen Themen wie volkswirtschaftliche Entwicklung, Industrieberichte etc. von den Banken bezogen werden. Eine Frage hierbei ist, ob der Markt für sogenannte In-house-Lösungen genug qualifizierte Analysten zu vernünftigen Konditionen bieten kann.Drittens (der Assetmanager kauft sich Dienstleistungen ein): Durch den Kostendruck bei den Banken und ein immer enger geschnürtes Korsett aufgrund von Regulierungen werden sich diverse erfolgreiche Analysten überlegen, sich selbständig zu machen. Es ist zu erwarten, dass sich der Markt für Drittanbieter belebt und Vermögensverwalter auf mehr, bessere und konfliktfreie Ressourcen zurückgreifen können. Schwierige SelektionDer Vorteil für Assetmanager ist, dass nur bezahlt wird, was effektiv benötigt wird und dass die Dienstleistungen günstiger eingekauft als selbst erbracht werden können. Die Herausforderungen liegen in der Selektion der Anbieter sowie der langfristigen Bindung, um Kontinuität im Anlageprozess zu gewährleisten – ohne sich in eine Lage der Abhängigkeit zu begeben.Das vierte Szenario (der Assetmanager bedient sich quasi à la carte aller Varianten) dürfte sich aus Kosten- und Effizienzgründen vor allem bei kleineren und mittleren Vermögensverwaltern durchsetzen. Ein Grundbedürfnis an Informationen wird weiterhin durch die Banken abgedeckt, während für spezialisierte und erfolgsrelevante Themenbereiche auf interne Ressourcen und sorgfältig ausgewählte Anbieter gesetzt wird.Das Modell erlaubt es zudem, situativ den Setup anzupassen und Ressourcen je nach Anlageschwerpunkt zu substituieren, ohne sich völlig von einem Anbieter abhängig zu machen. Wir beobachten, dass der Umgang und die Beschaffung von Research durch die Regulation wieder an Bedeutung gewonnen hat und sich viele Assetmanager nicht nur mit der Kostenfrage, sondern der strategischen Positionierung vertieft auseinandersetzen – dies mit dem Ziel, eine saubere, konfliktfreie Lösung zu etablieren, bei welcher Research zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis Mehrwert schaffen kann.—-René Hermann, Partner Independent Credit View