GASTBEITRAG

Mifid II: Gewinnverbot statt Provisionsverbot?

Börsen-Zeitung, 10.1.2018 Mit Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) gelten seit Jahresbeginn neue Regeln für den Vertrieb von Finanzprodukten. Sie sollen unter anderem sicherstellen, dass die Entgegennahme von Zuwendungen im...

Mifid II: Gewinnverbot statt Provisionsverbot?

Mit Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive) gelten seit Jahresbeginn neue Regeln für den Vertrieb von Finanzprodukten. Sie sollen unter anderem sicherstellen, dass die Entgegennahme von Zuwendungen im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen nicht zu Lasten des Kunden und damit nicht zu einer risikogeneigten Anlageberatung führt.Im Grundsatz bleiben Zuwendungen auch zukünftig erlaubt. Damit folgt das aktuelle Gesetz dem europäischen Gesetzgeber, wonach die zuwendungsbasierte Anlageberatung auch weiterhin ermöglicht werden soll. Doch möglicherweise nur auf dem Papier: Denn die BaFin hatte kurz vor Inkrafttreten der Vorschriften die Ansicht geäußert, dass Zuwendungen zukünftig vollständig, das heißt restlos und zeitnah, für konkrete Qualitätsverbesserungen gegenüber dem Kunden zu verwenden seien und damit in keinem Fall als Gewinn vereinnahmt werden dürfen. Das ist erstaunlich. Denn ein Gewinnverbot wäre, entgegen der ursprünglichen gesetzgeberischen Intention, eine nicht unabhängige Anlageberatung und -vermittlung in Form des provisionsbasierten Vertriebs grundsätzlich weiterhin zu gestatten, am Ende doch nichts anderes als ein faktisches allgemeines Zuwendungsverbot.Jedenfalls braucht es Fantasie, um den Sinn einer Geschäftstätigkeit zu erkennen, die nicht gewinnerzielend betrieben werden darf. Größere Institute mögen dies durch interne Umstrukturierungen von Kosten- und Gewinnpositionen möglicherweise noch darstellen können. Vor allem Vertriebsgesellschaften, aber auch kleinere Institute werden sich aber fragen müssen, ob vor diesem Hintergrund ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb überhaupt noch möglich ist. Denn ein zusätzlicher Kundennutzen, der den Erhalt von Zuwendungen rechtfertigen würde, wird am Ende der Vertriebskette regelmäßig nicht zu erbringen sein. Unternehmen dürften Zuwendungen selbst dann nicht behalten, wenn sie dies dem Kunden vollständig offenlegen. Die zwischen Unternehmen und Kunden grundsätzlich bestehende Vertragsfreiheit würde dadurch zu Lasten einer Zweckbindung erheblich beschränkt.Was aber hat die BaFin zu diesem Schritt veranlasst? Für die von der BaFin geäußerte Sichtweise findet sich jedenfalls weder eine ausdrückliche Regelung im Gesetz, noch ist in den entsprechenden Gesetzesbegründungen und zugrundeliegenden Richtlinien ein entsprechender Hinweis enthalten. Im Gegenteil – die gesetzlichen Vorschriften laufen gerade darauf hinaus, dass Zuwendungen unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Unternehmen und sogar den Gesellschaftern und Mitarbeitern zugutekommen dürfen, insbesondere sofern damit auch ein konkreter Vorteil für den Kunden verbunden ist. Angemessenes VerhältnisEs ist klar geregelt, dass eine Zuwendung dann darauf ausgelegt ist, die Qualität der Dienstleistung für den Kunden zu verbessern, wenn ihre Entgegennahme von einem Dritten durch die Erbringung einer zusätzlichen oder höherwertigen Dienstleistung für den jeweiligen Kunden gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum Umfang der Zuwendung steht. Was aber unter einem angemessenen Verhältnis zwischen Zuwendung und verbesserter Dienstleistung zu verstehen sein soll, wenn ohnehin die gesamte Zuwendung hierfür zu verwenden ist, bleibt unbeantwortet.Auch die Intention hinter einem Gewinnverbot ist nicht recht nachvollziehbar. Ein Verbot einer direkten Ausschüttung von erhaltenen Zuwendungen an Gesellschafter oder Mitarbeiter – so wie es das Gesetz ausdrücklich regelt – ist die eine Sache und mag im Sinne der Verhinderung fehlgeleiteter Anreize auch einleuchtend sein. Es stellt sich jedoch die Frage, warum es nicht möglich sein soll, Zuwendungen oder Teile hiervon zunächst im Unternehmen zu belassen. Nicht selten wird eine unmittelbare und konkrete qualitätsverbessernde Verwendung von Zuwendungen gar nicht möglich oder unmittelbar sinnvoll sein.Gleichzeitig würde es – folgte man der BaFin – unmöglich werden, aus Mitteln von zugeflossenen Zuwendungen einen Liquiditätspuffer für mittel- oder gar langfristig umzusetzende Maßnahmen aufzubauen. Denn künftig sollen Zuwendungen nur in Ausnahmen in das nächste Geschäftsjahr übertragen werden können. Auch hier geht die Aufsicht über die Anforderungen der zugrundeliegenden Verordnung hinaus. Gefördert wird so allenfalls ein Flickenteppich an Einzelmaßnahmen auf Kosten einer langfristigen Investitionsplanung.Ob eine solche Sichtweise letztlich überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist zumindest fraglich. Zwar hat sich der wissenschaftliche Dienst des Bundestages mit der Vereinbarkeit der entsprechenden Vorschriften mit höherrangigem Recht auseinandergesetzt, ohne allerdings mit einem Wort auf ein etwaiges Gewinnverbot einzugehen. Es ist schwer vorstellbar, dass der Gesetzgeber eine für viele Unternehmen derart folgenschwere Regelung im Sinn hatte, ohne die grundlegenden verfassungsrechtlichen Fragen der Berufs(ausübungs)freiheit wenigstens angesprochen zu haben.Jedenfalls bedeutet das von der BaFin nun in den Raum geworfene Gewinnverbot für alle betroffenen Unternehmen ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. Umso erstaunlicher ist, dass die BaFin ihre Sichtweise in der gerade konsultierten Neufassung des entsprechenden Rundschreibens, den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion (MaComp), nicht dargelegt hat. Im Gegenteil – sie hat angekündigt, etwa zum angemessenen Verhältnis von Zuwendung zur zusätzlichen oder höherwertigen Dienstleistung derzeit keine weiteren Angaben zu machen. Stattdessen will sie im Einzelfall prüfen, ob die Vorschriften angemessen umgesetzt sind.Für betroffene Unternehmen bleibt praktisch keine Zeit, sich darauf einzustellen. Gleichzeitig drohen bei Verstößen gegen die Vorschriften zu Zuwendungen empfindliche Bußgelder. Insoweit ist eine Klarstellung durch die BaFin und eine Konkretisierung, welche Dienstleistungen bzw. Produkte geeignet sind, einen konkreten Nutzen für den Kunden zu bieten, dringend geboten. Für Vermittler ungeklärtFür die vielen freien Vermittler, die lediglich auf Grundlage der Gewerbeordnung tätig sind, ist die Frage völlig ungeklärt. Bislang wurden die Maßnahmen unter Mifid II lediglich für Institute umgesetzt. Für eine Neufassung der Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (FinVermV) hat das zuständige Bundeswirtschaftsministerium noch keinen Entwurf vorgelegt. Das Ergebnis bleibt abzuwarten, bislang jedenfalls waren die Regelungen der FinVermV für Zuwendungen eng an den entsprechenden Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes angelehnt.—-Alexander Gebhard, Rechtsanwalt und Partner Schalast