"Mifid II muss neu kalibriert werden"

Diskussion über reformierte Finanzmarktrichtlinie und Brexit - Sorge vor weiterer Marktfragmentierung

"Mifid II muss neu kalibriert werden"

Durch den Brexit muss die Anfang 2018 in Kraft tretende Finanzmarktrichtlinie Mifid II neu kalibriert werden, sagt Torsten Schaper, für regulatorische Analyse bei der Deutschen Börse zuständig, auf einer Diskussionsveranstaltung. Offen ist, in welche Richtung sich die Regulierung des Euro-Clearing entwickelt.dm Frankfurt – Die bevorstehende Einführung der reformierten Finanzmarktrichtlinie Mifid II und die Unsicherheit um die Ausgestaltung des Brexit halten die Finanzbranche in Atem. Dies wurde auf einer Diskussionsveranstaltung für Leser des von der Börsen-Zeitung herausgegebenen Newsletters “Rules & Regulations” am Mittwochabend deutlich.”Viele Institute sind schon weit fortgeschritten mit ihren Vorbereitungen auf Mifid II, für kleinere Adressen ist es schwieriger”, sagte Andreas Wieland, Partner bei der Kanzlei White & Case. “Wir erhalten zudem mehr Anfragen von Banken aus den USA und Asien, die in Europa vertreten sind und jetzt erst auf das Thema aufmerksam werden.” Von Mifid II werde mehr Qualität erhofft, und es solle sichergestellt werden, dass Kunden ausschließlich regulierte Produkte erhalten, so Wieland. Kein Big BangTorsten Schaper, der bei der Deutschen Börse die regulatorische Analyse verantwortet, sagte, er erwarte keinen “Big Bang”, sondern eine “allmähliche” Einführung von Mifid II. “Die Transparenzpflichten werden sehr viel härter.” Die Herausforderung werde darin bestehen, dass auch der Aufseher in der Lage ist, mit der dadurch ausgelösten Masse an Daten umzugehen. “Die politische Intention ist eine positive”, so Schaper. Es sei aber bemerkenswert, welche Energie die Wertpapieraufsicht ESMA in dieses Thema investiert habe, die Rede sei von bis zu 30 000 Seiten Text.Als Problem für Mifid II sieht Schaper den Brexit. Dadurch müsse die lange verhandelte Finanzmarktrichtlinie eigentlich “neu kalibriert werden”. Mit Großbritannien breche der wichtigste Finanzmarkt heraus, und sobald Großbritannien draußen sei, entstehe eine Drittstaatenthematik. Die Frage sei, ob man mit den Briten sehr eng zusammenarbeiten könne oder ob es zu “drastischen Maßnahmen” komme. Es sei aber auch das globale Bild im Auge zu behalten, so Schaper. Die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzmarkts sei schon vor dem Brexit ein Thema gewesen, etwa in puncto Wachstumsraten und der Zahl an Börsengängen. Es sei Sorge zu tragen, dass der fragmentierte europäische Markt durch den Brexit nicht weiter zerfalle.In einer möglichen Neuverteilung des Kuchens genieße Frankfurt derzeit gewisse Vorteile durch ein stabiles Umfeld, so der Deutsche-Börse-Experte. In Gesprächen mit Kunden werde deutlich, dass Drittstaatenregelungen zu wenig Sicherheit bieten würden. “Ein Umzug dauert zwei Jahre”, so Schaper. Deshalb stehe Frankfurt “ganz oben auf der Liste”. Für die Deutsche Börse spiele es wiederum keine Rolle, ob sich die Marktteilnehmer aus Dublin, Paris oder Frankfurt anbinden würden. Andreas Wieland sagte, das Thema Regulierungsarbitrage spiele nicht die primäre Rolle. Der Brexit könne eher Anlass für eine Neupositionierung sein, aber weniger mit Blick auf Paris, Frankfurt oder Dublin, sondern auch mit Blick auf Asien und New York. Frage der GerichtsbarkeitMit Eurex Clearing ist die Deutsche Börse in der Lage, dem Londoner Markt Geschäft abzunehmen. Heiß diskutiert ist vor allem, wie künftig das Euro-Clearing, das vor allem über das zur London Stock Exchange gehörende Clearinghaus LCH läuft, nach dem Brexit beaufsichtigt werden soll und ob eine Verlagerung in die EU 27 von der EU-Kommission verlangt wird. Die Bank of England hat etwa bereits Zustimmung zu einer Doppelaufsicht über LCH signalisiert. Ob es dazu kommt, ist aber offen.Entscheidend sei, wo die Gerichtsbarkeit im Streifall liege, sagte Schaper dazu. Und bevor nicht Grundsätzliches geklärt sei, mache es keinen Sinn, über Übergangslösungen zu diskutieren. Die EU-Kommission hat mit der vorgeschlagenen Reform der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA-Review) und der Neuformulierung der Derivateverordnung Emir auch eine Neuordnung der Aufsicht über zentrale Gegenparteien wie Eurex Clearing auf der Agenda. Die Frage der Gerichtsbarkeit ist dabei eine von vielen offenen Fragen.Unabhängig davon sagte Daniel Maguire, CEO von LCH, am Mittwoch vor einer Kommission des House of Lords, es sei kein “fait accompli”, dass das Euro-Clearing nach dem Brexit in die EU verlagert werde. Das Geschäft könne auch nach New York gehen. Die EU solle einen produktabhängigen Ansatz in der Frage, ob das Clearing verlagert werden müsse, verfolgen, so Maguire. Laut Reuters könnte das Clearing von Repos und Staatsanleihen von London nach Paris (wo LCH SA sitzt) verlagert werden, um dafür das Euro-Zinsswap-Geschäft in London behalten zu können.