LEITARTIKEL

Mifid II ohne Transparenzplus

Ist der Handel von Wertpapieren in Europa transparenter, ja effizienter geworden, wie es der Gesetzgeber versprochen hat? Über ein halbes Jahr nach Beginn der Anwendung der Finanzmarktrichtlinie Mifid II lässt sich ein erstes Fazit ziehen: Nein. Bis...

Mifid II ohne Transparenzplus

Ist der Handel von Wertpapieren in Europa transparenter, ja effizienter geworden, wie es der Gesetzgeber versprochen hat? Über ein halbes Jahr nach Beginn der Anwendung der Finanzmarktrichtlinie Mifid II lässt sich ein erstes Fazit ziehen: Nein. Bis heute gibt es keinen einheitlichen Standard für die Übermittlung von Handelsdaten in Europa, und es fehlt ein privater Anbieter, der diese europaweit auf konsolidierter Basis liefert. Das kann aber noch kommen und wäre eine Voraussetzung dafür, dass bisher ziemlich fragmentierte Datensätze auch übergreifend verglichen werden können – und womöglich auch mehr Effizienz in den Wertpapierhandel bringen. Derzeit sind Daten wie auch die Märkte in Europa noch fragmentiert. Durch Mifid II haben sich bisher nur Orderflüsse stark verändert. Auch ist etwas einfacher ersichtlich geworden, über welche Plattform welche Instrumente gehandelt werden. Dadurch ist die Vielfalt gestiegen – und dies provoziert mitunter Behauptungen, durch Mifid II habe die Transparenz nicht zu-, sondern sogar abgenommen.Diese Behauptung ist von Daten des Handelssystem- und Finanzdienstleisters Fidessa nicht gestützt. Der Markt ist nicht fragmentierter, und bezogen auf Vorhandelstransparenz auch nicht durchsichtiger geworden. Die Marktfragmentierung in Dax-Aktien liegt heute bei 1,9 nach 2 vor einem Jahr, ist also stabil hoch. Ein Wert von 1 entspräche einem Markt, in dem alle Orders über eine Plattform laufen. Wie vor einem Jahr werden zudem etwa 48 % des Volumens in Dax-Aktien über transparente Orderbücher gehandelt, in denen Preis und Volumen vor der Preisfeststellung für Dritte sichtbar sind. Große Verschiebungen gab es im “Dunkeln”, der früher unregulierten “Schmuddelecke” des Marktes. So ging das Off-Book-Volumen von einem Anteil von 36 % auf 16 % zurück. Der Anteil von systematischen Internalisierern (SI) stieg aber von 1 % auf 18 %. In Auktionen gehandelt werden nun 14 % statt 10 %. Ein Teil davon geht auf neue periodische Auktionsbücher zurück, wo etwa bestimmte Broker bevorzugt werden können, weshalb sie in der Kritik stehen. Der gestiegene Anteil systematischer Internalisierer wird gern als Beleg für eine Transparenzabnahme genommen. Darin spiegelt sich aber nur ein veränderter Orderfluss. Früher liefen solche Orders über Broker Crossing Networks (BCN), also unregulierte, intransparente bankeigene Handelssysteme, in denen die Bank Kundenaufträge zusammengeführt und ausgeführt hat. Solche BCN, oft gleichgesetzt mit Dark Pools, sind unter Mifid II nicht mehr erlaubt. Banken oder Assetmanager können sich aber als SI registrieren lassen. Es gibt nun bereits 109 SI – da geht die Post ab. SI bieten Buyside-Adressen bilateralen Handel an, was diese durchaus schätzen. SI ersparen dabei auch Handelskosten traditioneller Börsen. Die systematischen Internalisierer müssen nur nachweisen, dass ihre Handelsgeschäfte Risikotransaktionen sind und somit “echte” Liquidität in den Markt bringen. Kauf- und Verkaufsaufträge müssen gegen die eigene Bilanz gehandelt werden. Hier besteht aber offensichtlich noch eine Grauzone in der Umsetzung. “Die Aufseher müssen erst verstehen, wie SI umgesetzt werden”, hat Mark Hemsley, Chef des paneuropäischen Aktienbörsenbetreibers CBOE Europe, kürzlich gegenüber dieser Zeitung erklärt.Zudem gibt es weitreichende Ausnahmen in Transparenzvorschriften. Nationale Aufseher können sie gewähren, wenn es sich etwa um als illiquide eingestufte Instrumente – wie viele Zinsswaps – oder um große Ordervolumina handelt. Darum boomen derzeit auch sogenannte Large-in-Scale-Bücher (LIS). Sie sind die neuen “Dark Pools” und machen einen steigenden Anteil am nicht transparenten Handel aus. Durch sie lassen sich die von der europäischen Marktaufsicht ESMA eingeführten Volumenbegrenzungen für Dark-Pool-Orders umgehen. Wenn in einem Instrument mehr als 4 % des Volumens auf einer Plattform oder mehr als 8 % europaweit “dark” gehandelt werden, verbietet die ESMA den Dark-Pool-Handel in diesen Titeln. Anfang Juli galt dieser “Double Volume Cap” EU-weit für 1 024 Instrumente. Blocktrades auf LIS-Büchern werden aber nicht in der Dark-Pool-Statistik erfasst. Nun zeigt die unter Mifid II anhaltend hohe Nachfrage nach intransparentem Handel, dass dafür offenbar hohe Anreize zur Nutzung bestehen. Aus Anlegerschutzsicht ist dies ein zweischneidiges Schwert. Assetmanager können “dunkle” Orders nutzen, um bessere Preise zu erzielen. Andererseits können intransparente Orders aber auch fehlerhafte Algorithmen oder für Kunden nachteilig ausgeführte Transaktionen verschleiern. Es muss sich noch zeigen, ob Mifid II dem einen Riegel vorschiebt.—–Von Dietegen MüllerTransaktionen in Blockhandelsgröße sind die eigentlichen neuen Dark Pools unter der Finanzmarktrichtlinie Mifid II.—–