Milliardenlast für Lebensversicherer

Zinszusatzreserve erreicht neuen Höchstwert - Generali-CFO schlägt Alarm - Unerwünschte Nebeneffekte

Milliardenlast für Lebensversicherer

Für die hohen Garantiezinsen der Vergangenheit müssen die Lebensversicherer 2014 eine Rekordsumme nachreservieren. Die Ratingagentur Assekurata rechnet mit bis zu 10 Mrd. Euro. Kritik regt sich: Der Finanzvorstand der Generali warnt vor schnell sinkenden Solvenzquoten.Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie deutschen Lebensversicherer müssen 2014 so viel wie noch nie für alte Verträge mit hohen Garantien zurücklegen. Die Zinszusatzreserve (ZZR), die seit 2011 angesichts des anhaltenden Zinstiefs gebildet werden muss, wird die Gewinne der Unternehmen erheblich belasten. “2014 ist mit einem Aufwand zu rechnen, der den aus 2013 übersteigt”, teilte die BaFin auf Anfrage mit. Im vergangenen Jahr bunkerten die Lebensversicherer gut 6 Mrd. Euro. Die Ratingagentur Assekurata schätzt den marktweiten Nachreservierungsbedarf in diesem Jahr auf 8 Mrd. bis 10 Mrd. Euro.Allein die beiden Marktführer sind mit über 2 Mrd. Euro dabei. Die Allianz Leben geht von einem Aufwand von rund 1,3 Mrd. Euro aus – das entspricht dem Wert des Vorjahres. Die Generali Deutschland kalkuliert 900 Mill. Euro ein. Für den Konzern ist das fast eine Verdoppelung. Der für die Berechnung maßgebliche Referenzzins wird 2014 bei 3,15 % landen, wie die BaFin bestätigte. Damit muss erstmals auch für die Lebensversicherungsverträge, die mit einem Garantiezins von 3,25 % ausgestattet sind, eine Reserve gebildet werden. Das betrifft Verträge, die zwischen Mitte des Jahres 2000 und Ende 2003 abgeschlossen wurden. Danach war der fest versprochene Rechnungszins weiter auf 2,75 % gesunken. “Kontraproduktiv”Die Zinszusatzreserve, die aus dem Rohüberschuss der Lebensversicherer entnommen wird, wird von kaum einem Unternehmen allein aus dem operativen Geschäft gestemmt. Vielmehr haben die meisten Gesellschaften bereits in den vergangenen beiden Jahren stille Reserven in ihren Kapitalanlagen aufgelöst und dabei festverzinsliche Wertpapiere mit hohem Zinskupon verkauft. Das hatte die Nettoverzinsung der Branche mitten im Zinstief im vergangenen Jahr auf fast 4,7 % künstlich aufgebläht.Der Finanzvorstand der Generali Deutschland, Torsten Utecht, warnt jetzt vor ungewollten Nebeneffekten: “Die Zinszusatzreserve kann in der aktuellen Ausgestaltung kontraproduktiv wirken und die Risikotragfähigkeit schwächen.” Als Beleg zieht er ausgerechnet eine Erhebung der BaFin heran. Der zweitgrößte Lebensversicherer der Republik hat wie alle anderen Wettbewerber im Spätsommer die große Abfrage der Aufsicht für die Branche gerechnet. Mit der Studie will die BaFin feststellen, ob die deutschen Lebensversicherer ausreichend auf Solvency II vorbereitet sind. “Wir haben in allen gerechneten Szenarien eine auskömmliche Kapitalausstattung der Lebensversicherer im Konzern”, betont Utecht.Doch habe sich bei der Generali Leben gezeigt, dass die Bedeckungsquote 2015 bei etwa gleichbleibenden Zinsen spürbar sinken würde – auch wenn sie auch dann immer noch ausreicht. Das liege, so Utecht, an der Auflösung der stillen Reserven für die Zinszusatzreserve. Bedenklich sei das Ganze vor allem, weil die Generali Leben mit ihrem Geschäftsmix ganz typisch für die Branche sei – und nicht wie die Konzernschwester AachenMünchener mit einem hohen Anteil an fondsgebundenen Policen eher die Ausnahme. Der Finanzvorstand schlussfolgert: “Die Belastungen aus der Zinszusatzreserve fallen zu kurzfristig und zu hoch aus.”Utecht rechnet vor, dass allein seine Gruppe in den kommenden beiden Jahren jeweils 1 Mrd. Euro für die Zinszusatzreserve zurücklegen müsste. Die Generali geht bei ihrer Prognose von einem marginalen Zinsanstieg aus – die zehnjährige Bundesanleihe würde dabei bis 2017 nicht mehr als 1,3 % Rendite abwerfen. Das ließe den Referenzzins für die ZZR in drei Jahren auf 2,34 % absinken. Als Folge wäre für die Branche eine weitere zweistellige Milliardensumme nötig, um die Reservierung zu stemmen.Schon länger regt sich Kritik in der Branche an der Zinszusatzreserve, die zwar grundsätzlich begrüßt wird, an deren Berechnungsformel sich aber die Geister scheiden. Mancher Lebensversicherungsvorstand fürchtet eine Überreservierung durch den sehr konservativen Ansatz des relevanten Referenzzinses, der sich an Null-Kupon-Euroswapsätzen orientiert.Generali-Finanzchef Utecht würde gerne eine Modifizierung der Berechnung sehen. Er schlägt eine Illiquiditätsprämie vor, da die Lebensversicherer mit ihren langlaufenden Verträgen auch in wenig fungible Kapitalanlagen mit hoher Bonität gehen können. “Der Aufbau der Zinszusatzreserve belastet die Branche stark”, hat die BaFin selbst schon in ihrem zurückliegenden Jahresbericht festgestellt. Eine geänderte Berechnung jedoch werde derzeit nicht diskutiert, heißt es bei der Behörde auf Nachfrage. Die Ergebnisse der großen Abfrage bei den Lebensversicherern will die Aufsicht am kommenden Mittwoch veröffentlichen.