Präsenz vor Ort

Minibanken sehen sich näher am Kunden

Kleine Genossenschaftsbanken wie die Raiffeisenbanken Maitis oder Tüngental gewinnen an Mitgliedern und setzen auf Kundennähe und schnelle Entscheidungen vor Ort.

Minibanken sehen sich näher am Kunden

Minibanken sehen sich näher am Kunden

Deutschlands kleinste Banken erfreuen sich neuer Mitglieder – Kritik an Filialschließungen anderer Häuser

Von Thomas Spengler Stuttgart
spe Stuttgart

Deutschlands kleinste Banken mögen im Detail zwar unterschiedlich aufgestellt sein. Eins aber haben sie alle gemeinsam: Die unbedingte Nähe zu den Kunden. Und das gilt nicht nur für ältere Menschen. Besonders junge Kunden schätzten die persönliche Beratung, wie die Minibanker immer wieder feststellen.

Vor zwei Jahren war das bisher kleinste Kreditinstitut der Republik, die Raiffeisenbank Struvenhütten in Schleswig-Holstein, mit einer Bilanzsumme von 21 Mill. Euro mangels Nachfolger im Vorstand bei der Vereinigten VR Bank auf der nordfriesischen Insel Föhr untergeschlüpft. Seitdem zieren Institute aus Ost-Württemberg das Ende der Bankenliste in Deutschland. Hinter der Raiffeisenbank Gammesfeld (Bilanzsumme 38 Mill. Euro) folgt die noch etwas kleinere Raiffeisenbank Maitis im Kreis Göppingen  (35 Mill. Euro, beide 2023), die heuer ihr 100-jähriges Bestehen feiert.  

Starke Präsenz vor Ort

Unweit davon findet sich in der Region die Raiffeisenbank in Tüngental, einem Stadtteil von Schwäbisch Hall, mit einer Bilanzsumme von 68 Mill. Euro auf den achtletzten Platz aller bundesweit 695 Genossenschaftsbanken. Die wohl größte Stärke der Minibanken ist ihre Präsenz vor Ort – verbunden mit einer absoluten Nähe zu ihrer Klientel. „Wir sind immer persönlich ansprechbar“, versichert Harald Reuter, Vorstand der Raiffeisenbank Maitis. Ihre Kundennähe spiegelt sich bei den Minibanken auch in den Mitgliederzahlen wider. Während die genossenschaftlichen Institute bundesweit insgesamt mit 17,8 Mill. Mitgliedern (2003) weiterhin leicht rückläufige Zahlen aufweisen, gewinnen die kleinen Institute stetig hinzu.

So gab es 2023 bei der Raiffeisenbank Tüngental ein Plus von 50 Mitgliedern auf 1.082. In Gammesfeld kamen in drei Jahren 40 auf 370 hinzu. Und Maitis stagnierte bewusst bei 666. Auch wenn diese Rechnung an den Vergleich von Äpfeln mit Birnen erinnern mag, glauben die Minibanker darin einen Trend zu erkennen. Große Strukturen seien nicht mehr gefragt, sagt Reuter. Daher begehe man einen Fehler, Zweigstellen zu schließen und Kompetenzen aus der Fläche abzuziehen. „Wir dagegen sind vor Ort und damit in der Lage, schnelle Entscheidungen zu treffen“, ist der Vorstand der Raiffeisenbank Maitis überzeugt.

Anstatt standarisierter Angebote sei es einem kleinen Player in einem überschaubaren Markt möglich, differenzierte, bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln. Auch schafft es sein Institut, mit fünf Kräften an 36 von 39 tariflichen Stunden die Bank offenzuhalten – nicht zuletzt, weil Maitis keinen Geldautomaten betreibt.  

Pumperlgesunde Bank

Peter Breiter, Vorstand der One-Man-Show der Raiffeisenbank Gammesfeld, sieht indessen eine Art Sündenfall, wenn große Institute zum Mittel der Filialschließungen greifen. Es sei häufig ein Verstoß gegen das genossenschaftliche Prinzip, sagt er, wenn größere Einheiten gebildet werden bei gleichzeitigem Rückzug aus der Fläche. Dabei würden derartige Entwicklungen durch eine entsprechende Gebührenpolitik oder den Abzug von Entscheidern vor Ort oft bewusst gesteuert, klagt er. „Am Ende aber gewinnt nur der Vorstand“, sagt Breiter mit Hinweis auf den Umstand, dass Vorstände bei einer fusionsbedingten Vergrößerung der Banken auch ein höheres Salär beziehen.

Letztendlich führe die fehlende Differenzierung bei der Regulatorik nach Bankgrößen seitens der Aufsicht zu immer mehr Fusionen - „obwohl das System mit vielen kleinen Einheiten sicherer wäre“, ist Reuter überzeugt. Schon seit Längerem klagen kleine Banken darüber, dass sie von den regulatorischen Anforderungen der Aufsicht mit den Großen über einen Kamm geschert würden.  Wie viele andere Banken, deren Geschäftsmodell auf Baufinanzierung basiert, haben auch die Minibanken in der Zins- und Immobilienkrise ihre Dellen davongetragen. Dennoch beschreibt Andreas Stein, Vorstand der Raiffeisenbank Tüngental, sein Institut als „pumperlgesunde Bank mit einfacher Bilanzstruktur“. Einzelwertberichtigungen musste er bis auf einmal nie bilden, ebenso gab’s keine einzige Zwangsversteigerung aus seinem Kreditportfolio.

Dienstältester Vorstand in Deutschland

Auch Breiter in Gammesfeld sagt, seine Bank sei bei den Kreditrisken nahezu vollständig abgesichert. Und was Stein besonders freut, ist der Zugewinn junger Leute als Kunden und Mitglieder. „Die jungen Generationen suchen in Geldfragen nach Wärme“, sagt Stein mit Blick auf den Wunsch dieser Klientel etwa bei Immobilienfinanzierungen persönlich beraten zu werden. Wenn das so bleibe und die Regulatorik im Zaum gehalten werde, gebe es seine Bank auch in 100 Jahren noch. Vorher legt er selbst noch einen drauf. Bis 2029 möchte Stein noch die Raiffeisenbank Tüngental führen. Dafür hat die Hauptversammlung extra das Höchstalter für ein Vorstandsmitglied auf 71 Jahre erhöht. Mit seinen heute 66 Jahre, davon 42 Jahre als Vorstand, ist Stein Deutschlands dienstältester Bankenvorstand.

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