Misstrauen ist der Anfang
Vertrauen ist der Anfang von allem, zitierte Deutsche-Bank-Chef John Cryan, als das Institut jüngst ins Visier von Hedgefonds geriet, in einem Brief an die Mitarbeiter einen Werbeslogan des Instituts aus den neunziger Jahren. Sicher weiß er auch, wovon Misstrauen der Anfang ist. Wie stabil ist eine Bank, die ihr Eigenkapital überdurchschnittlich stark, gut 30-fach, gehebelt hat, allein an außerbörslichen Derivaten ein Nominalvolumen von 42 Bill. Euro vor sich herschiebt und strategisch gerade eine Selbstfindungsphase einlegt?Die Skepsis im Markt hat Gründe: Der Deutsche-Bank-Chef verweist zwar darauf, dass der Konzern derzeit die aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen erfüllt. Nicht mehr lange aber, und die Anforderungen werden die momentane Kapitalquote übersteigen, auch ohne dass Vergleichszahlungen in den USA diese drücken. Bis 2019 braucht die Bank deshalb 6 Mrd. bis 7 Mrd. Euro Eigenkapital. Um es zu bilden, benötigt sie Gewinne und nicht, wie 2015, horrende Verluste.Nicht nur mit seiner risikogewichteten Eigenkapitalquote zählt das Institut unter Europas Großbanken zu den Schlusslichtern. Ungewichtet zeigt es mit 3,4 % eine Eigenkapitalquote, mit der ein Mittelständler von ihm wohl kaum Kredit bekäme. Und wie die Risikodichte, das Verhältnis von Risikoaktiva zu Bilanzsumme, von 22 % erkennen lässt, hat es nicht weniger als 78 % seiner Aktiva als risikolos deklariert. Das kauft der Bank im Markt nicht mehr jeder ab: Der Kurs ist auf fast nur mehr ein Viertel des Buchwerts gefallen und das Kredit-Rating in Richtung Ramsch abgerutscht, weshalb das Haus am Markt deutlich höhere Zinsen als Wettbewerber bieten muss, um Fremdkapital zu platzieren. Dies verteuert Derivategeschäfte mit der Bank, müssen deren Gegenparteien nach IFRS die Kreditrisiken des Hauses doch im beizulegenden Marktwert der Finanzinstrumente berücksichtigen.Wenn Cryan beklagt, dass “einige Kräfte” am Markt “dieses Vertrauen in uns schwächen wollen”, dann verwechselt er Ursache und Wirkung. Ins Visier von Spekulanten gerät, wer sich angreifbar gemacht und am Markt an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Erkennbar ist dies daran, dass kein Gerücht mehr zu abwegig scheint, um den Kurs zu bewegen, oder dass etwa unverdrossen weiter spekuliert wird, das Assetmanagement werde verkauft, nachdem Cryan dies explizit dementiert hat. Zwar wirbt die Bank mit einer hohen Liquidität. Diese aber ist die Zwillingsschwester der Solvabilität, und die Finanzkrise hat gezeigt, wie schnell erst das eine und danach das andere verloren gehen kann, je nachdem, ob der Markt zuerst an der Liquidität oder der Kapitalausstattung zweifelt. Fällt der Aktienkurs ein paar Tage lang um jeweils 20 %, während die Preise der Kreditausfallderivate explodieren und Gegenparteien das Weite suchen, steht der Staat bald vor der Türe, in Europa wie in den USA. Zweck einer Kapitalplanung ist es zu verhindern, dass eine Bank jemals in solch eine Abwärtsdynamik geraten kann.Sehr geehrte Leser, in Kommentaren dieser Art weist man Sie oft darauf hin, dass Sie zuerst an dieser Stelle vor der eingetretenen Fehlentwicklung gewarnt wurden. Wahr ist aber: Alle Welt rechnet dem Institut seit langem vor, dass es unterkapitalisiert ist. Nur die Bank ließ sich von dieser Erkenntnis nichts anmerken, während sich ihre Investmentbanker das Institut zur Beute machten.Nun wäre der Zeitpunkt für eine Schieflage der Deutschen Bank nie günstig. Im Moment wäre sie besonders misslich. Die Konkretisierung der Haftungskaskade, welche in Deutschland einen Bail-in vorrangiger unbesicherter Gläubiger erleichtert, tritt erst im Januar in Kraft, und der europäische Abwicklungsfonds ist bislang rudimentär angespart. Natürlich hat die Bank in einem Sanierungsplan hinterlegt, welche Assets sie rasch abstoßen könnte. Der Steuerzahler muss hoffen, dass sie nicht einen Verkauf der Postbank eingeplant hat, die sie schon seit längerem anbietet wie sauer Bier.Nicht nur hat das Ansehen der Bank am Markt und in der öffentlichen Wahrnehmung Tiefstände erreicht, das Institut hätte auch nach wie vor das Potenzial, den Staat zu erpressen. Auf die EZB wirft dies kein gutes Licht. Warum sie der Bank mit 10,75 % eine individuelle Eigenkapitalquote vorgegeben hat, die dem Vernehmen nach so niedrig ist wie bei deutschen Förderbanken, verstehe, wer will. Ein Weg, um die Kapitalisierung zu verbessern, wäre eine Bonus-Nullrunde für 2016. Die EZB muss sie anordnen, falls sich Vorstand und Aufsichtsrat nicht selbst dazu durchringen können. Das darf der Steuerzahler erwarten.——–Von Bernd NeubacherDie Aufsicht muss der Deutschen Bank für 2016 eine Bonus-Nullrunde verordnen, falls sich Vorstand und Aufsichtsrat nicht selbst dazu durchringen können.——-