IM BLICKFELD

Mit dem Kontowechsel kommen Marktanteile in Bewegung

Von Björn Godenrath, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.4.2017 Der deutsche Bankkunde gilt als träge. Wer in der Jugend bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank sein erstes eigenes Konto eröffnet hat, bleibt seinem Institut oder zumindest der...

Mit dem Kontowechsel kommen Marktanteile in Bewegung

Von Björn Godenrath, FrankfurtDer deutsche Bankkunde gilt als träge. Wer in der Jugend bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank sein erstes eigenes Konto eröffnet hat, bleibt seinem Institut oder zumindest der Institutsgruppe in der Regel treu. Die meisten Bankkunden legen schon allein wegen der Verfügbarkeit von Bargeld Wert auf die Nähe zu einer Filialbank. Auch den Aufwand eines Kontowechsels scheuen Kunden oft. Dieser Aufwand ist für den Bankkunden aber nun im Rahmen des Zahlungskontengesetzes (ZKG) begrenzt worden.Seit Mitte September gilt, dass die alte Hausbank beim Wechsel helfen muss, um im Sinne des Verbrauchers den Übergang des Girokontos reibungslos zu vollziehen. Kontoführende Institute müssen seitdem Daueraufträge, Lastschriften und sonstige hinterlegte Kontodienste – dazu zählen die Kontobewegungen der vergangenen 13 Monate – an die neue Bank des Kunden übermitteln. Innerhalb von zwölf Tagen muss nach dem Willen des Gesetzgebers alles geregelt sein. Leichter UmstiegHinzu kommt die Digitalisierung: Da inzwischen alle Prozesse der Kontoeröffnung inklusive des Ident-Verfahrens komplett digital durchgeführt werden können, sinken die Hürden für einen Wechsel der Hausbank weiter – allerdings sind Daten der Bundesbank zufolge erst gut 56 Millionen der bundesweit 102 Millionen Girokonten zugleich auch Online-Konten. Das erschwert den Wechsel, doch zugleich steigt mit der Eröffnung neuer Konten auch die Verbreitung des Online-Bankings.Dass die Wechselbereitschaft der Bankkunden grundsätzlich steigt, zeigen aktuelle Daten des Marktforschungsinstituts Yougov. Der Anteil der Bankkunden, die innerhalb eines Jahres ihre Hauptbankverbindung wechselten, habe sich 2016 beinahe verdoppelt und liege gegenwärtig bei 10 %, heißt es im Bericht “Wechselbereitschaft bei Girokonten”. Die Direktbanken konnten ihren Marktanteil bei der Erstbankverbindung um 3 Prozentpunkte auf 13 % ausbauen – ein deutliches Zeichen für eine gestiegene Wechselbereitschaft.Yougov zufolge liegt der Anteil jener Bankkunden, die einen Kontowechsel oder die Eröffnung eines neuen Girokontos innerhalb der nächsten zwölf Monate konkret planen, bei 8 %. Weitere 16 % zeigten sich gegenwärtig noch unentschlossen und planten “vielleicht” einen Wechsel innerhalb des gleichen Zeitraums, heißt es – kumuliert bietet sich hier also eine Menge Akquisitionspotenzial für Neukunden. Hauptanreiz, einen Wechsel überhaupt ins Auge zu fassen, seien niedrigere Kontogebühren, halten die Marktforscher fest. Das aber ist bekanntlich ein Stachel im Fleisch der etablierten Filial-Institute. Denn die sehen sich derzeit gezwungen, an der Gebührenschraube zu drehen, können sie es sich mit Fortführung der Niedrigzinsphase doch nicht mehr leisten, die bislang übliche Quersubventionierung von Kontendiensten aus Zinseinnahmen zu bestreiten. Zweitkonto aufgewertetDieses Zusammentreffen von gesetzlich erleichtertem Kontowechsel und Verärgerung auf Kundenseite über die Einführung von Gebühren für bislang als kostenlos empfundene Dienstleistungen fachte die Handlungsbereitschaft in den vergangenen Monaten an. Das bekam zuerst die Postbank zu spüren: Per Ende 2016 wurden mit 5,05 Millionen rund 200 000 weniger private Girokonten ausgewiesen – eine große Zahl an Kunden hat also im vergangenen Jahr dem Institut den Rücken gekehrt. Dabei haben die Kunden vermutlich überwiegend bei einer Direktbank eine neue Verbindung eröffnet oder aber dort ein bisher kaum genutztes Zweitkonto als Gehaltskonto aufgewertet – ein Faktor, der nicht unterschätzt werden darf. Adressen wie die Commerzbank-Tochter Comdirect mausern sich zu Vollbanken auf dem Online-Kanal, die auch als Erstbankverbindung funktionieren.Von der Stadtsparkasse Düsseldorf bis N26 reklamiert seit dem Postbank-Aufruhr jedes im Privatkundengeschäft tätige Institut, abwanderungswilligen Kunden der Deutsche-Bank-Tochter eine neue Heimat gewährt zu haben. Auf Beutezug ist neben ING-DiBa und DKB aus dem Direktbanken-Lager insbesondere die Commerzbank, der es gelungen ist, innerhalb von vier Jahren netto 1 Million Neukunden zu gewinnen. Weitere 2 Millionen sollen bis 2020 hinzukommen, lautet das Ziel von Konzernchef Martin Zielke, der selbst lange das Privatkundengeschäft geleitet hat.Zielke wittert eine einmalige Chance: “Marktanteile, die seit Jahrzehnten wie festzementiert erschienen, geraten in Bewegung”, sagte er bei Vorstellung der neuen Konzernziele im Herbst. Punkten will die Commerzbank besonders da, wo die Konkurrenz sich mit Filialschließungen aus der Fläche zurückzieht, denn auch 80 % der Online-Konten werden ihren Erkenntnissen zufolge in räumlicher Nähe zu einer Filiale eröffnet – und rund 30 Millionen Deutsche werden der Commerzbank-Analyse zufolge von Filialschließungen in den kommenden Jahren betroffen sein. Pro Niederlassung werden bei der Commerzbank derzeit rund 9 000 Kunden betreut, jeder Kunde soll jährliche Erlöse von 200 bis 300 Euro einbringen. Zum Vergleich: Bundesweit werden pro Niederlassung im Schnitt 3 000 Kunden betreut – da wird offenbar, was an Flächenkosten plus Overhead erst verdient werden muss.Allen Unkenrufen zum Trotz werden aber immer noch 80 % der Hauptkonten bei Filialbanken geführt, so die Daten von Yougov. Diese Filialbanken müssen angesichts wachsender Wechselbereitschaft nun darauf achten, ihre Gebührenpolitik sorgsam zu implementieren und zu kommunizieren – wenigstens eine Bargeldabhebung die Woche sollte unabhängig vom Kontenmodell unentgeltlich sein. Denn der Furor ist groß, wenn Kunden, die in der Regel nicht das Kleingedruckte verinnerlicht haben, aus der Presse erfahren müssen, dass mitunter sogar für Abhebungen an institutseigenen Geldautomaten Gebühren erhoben werden – vereinzelt sollen beinahe schon klammheimlich sogar zeitgesteuerte Gebühren in der Mittagspausenzeit verlangt werden. Fragwürdige GebührenSolche Versuche des Abkassierens sollten unterbleiben, sonst kommt das dicke Ende per gesetzlicher Regelung: Verbraucherschützer prüfen bekanntlich, ob bestimmte Entgelte zulässig sind. Sie würden im Zweifel den Regulator festschreiben lassen, welchen Leistungen bei einem Girokonto extra bepreist werden dürfen. Dann hätten es die Banken selbst geschafft, sich zusätzliche Vorschriften ins Haus zu holen. Zudem wird die Zinslandschaft irgendwann in Bewegung kommen, was dann auch einen inländischen Konditionenwettbewerb für Kontovergütungen anstoßen dürfte – derzeit steht die Kreditbranche wohl vor einer Phase des Pre-Tapering.