Mit Expressmechanismus vorzeitig profitieren

Variantenvielfalt der Expresszertifikate sucht ihresgleichen

Mit Expressmechanismus vorzeitig profitieren

Nach einer Veröffentlichung des Deutschen Derivate Verbands (DDV) belief sich das Gesamtvolumen des deutschen Zertifikatemarkts im Dezember 2016 auf 67 Mrd. Euro. Dies ist zwar kein Rekordwert, jedoch zeigte sich das ausstehende Volumen an Anlage- und Hebelprodukten zuletzt recht stabil. Mit 97,2 % entfiel der Löwenanteil auf Anlageprodukte. In dieser Kategorie finden sich neben Kapitalschutzprodukten wie beispielsweise Stufenzinsanleihen auch Strukturen wieder, die einen Teilschutz bieten. Als bekannteste Vertreter sind hier Aktienanleihen, Discountzertifikate, Bonuszertifikate oder Expresszertifikate zu nennen. Immer beliebterVor allem Letztere erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Laut Statistik des DDV konnten die Produkte auf Jahressicht ein Plus von 7 % verzeichnen. Dies ist mit Abstand die höchste Zuwachsrate im vergangenen Jahr. Ein Grund für die hohe Nachfrage nach Expresszertifikaten ist vermutlich die Vielzahl der am Markt verfügbaren Produktausgestaltungen. Eines haben jedoch alle Expressstrukturen gemeinsam: die Chance auf eine vorzeitige Rückzahlung durch einen “Expressmechanismus”.Expresszertifikate verfügen grundsätzlich über eine feste Laufzeit meist von mehreren Jahren, die abhängig von der Kursentwicklung der zugrunde liegenden Aktie oder des Index (Basiswert) vorzeitig beendet werden kann. Schließt der Basiswert an einem der in der Regel jährlichen Bewertungstage auf oder über der relevanten Kursschwelle, wird das Zertifikat vorzeitig zurückgezahlt. In diesem Fall erhält der Anleger vom Grundsatz her bei allen Ausgestaltungen den Nominalbetrag zuzüglich einer Ertragskomponente.Bei einer vorzeitigen Rückzahlung vereinnahmt der Anleger also einen Ertrag und kann das Kapital zu den aktuellen Marktkonditionen neu anlegen. Dabei geht er ein gewisses Wiederanlagerisiko ein, wenn sich die Renditeaussichten zum Zeitpunkt der Reinvestition verschlechtert haben. Demnach eignen sich Expresszertifikate für Anleger mit einem Anlagehorizont von mehreren Jahren, die jedoch auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung mit all ihren Chancen und Risiken in Betracht ziehen. Schließt der Basis-wert an einem Bewertungstag unter der relevanten Kursschwelle, läuft das Zertifikat weiter. In diesem Fall realisiert der Anleger – anders als bei kurzlaufenden Produkten – keinen Verlust und hat im nächsten Jahr wieder die Chance auf eine vor-zeitige Rückzahlung.Zunehmend greifen Anleger nach Produkten, bei denen aufgrund ihrer Ausgestaltung die Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung erhöht ist. Dies wird damit erreicht, dass die am jeweiligen Bewertungstag für die Rückzahlung relevante Kursschwelle mit jedem Laufzeitjahr niedriger angesetzt wird. Das “vorzeitige Rückzahlungslevel” liegt beispielsweise nach dem ersten Jahr auf dem Niveau des Startwerts, nach dem zweiten bei 90 %, dem dritten bei 80 und dem vierten bei 70 %. Im letzteren Fall kommt es demnach sogar zu einer vorzeitigen Rückzahlung, wenn der Basiswert zum jeweiligen Zeitpunkt im Vergleich zum Startwert höchstens 30 % verloren hat.Kommt es während der Laufzeit nicht zu einer vorzeitigen Rückzahlung, entscheidet der Schlusskurs des Basiswerts am letzten Bewertungstag über die Art und Höhe der Rückzahlung am Laufzeitende. Liegt dieser auf oder über der relevanten Kursschwelle, in der Regel der Barriere, erhält der Anleger einen Rückzahlungsbetrag inklusive Ertragskomponente. Diese Barriere liegt in aller Regel deutlich unterhalb des Startwerts und bietet damit einen komfortablen Sicherheitspuffer vor Kursverlusten des Basiswerts am Laufzeitende.Reicht dieser Puffer dennoch nicht aus und der Basiswert schließt am letzten Bewertungstag unter der Barriere, erleidet der Anleger einen Verlust, dessen Höhe nicht nur vom Basiswertkurs, sondern auch von der hinter dem Bezugsverhältnis liegenden Formel abhängt. Bei den Expresszertifikaten mit dem Namensbestandteil “plus” wird das Bezugsverhältnis beispielsweise anhand der Formel “Nominalbetrag geteilt durch die Barriere” berechnet. Damit wird der Anleger so gestellt, als hätte er auf dem Niveau der Barriere in den Basiswert investiert und nicht zum Startwert. Durch den niedrigeren Einstand verbucht er einen deutlich geringeren Verlust als bei einem Direktinvestment oder einem Zertifikat mit Bezugsverhältnis “Nominalbetrag geteilt durch den Startwert”, das einen mit dem Direktinvestment vergleichbaren Verlust aufweist.Expresszertifikate sind eine Produktfamilie, die hinsichtlich der Variantenvielfalt ihresgleichen sucht. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Ausgestaltung der Ertragskomponente. In der Regel haben Expresszertifikate ein klares Renditeziel. Mit Ausnahme der Performance-Deep-Expresszertifikate partizipieren sie nicht an einer Kursentwicklung des Basiswerts, sondern zahlen einen in seiner Höhe festgelegten Zinssatz oder Bonus. Während ein Bonus von der Basiswertkursentwicklung abhängig ist, wird ein Zinssatz unabhängig davon gezahlt. Die Bonuszahlung kann von den gleichen Bedingungen abhängig sein wie die vorzeitige Rückzahlung. Oder sie folgt eigenen Gesetzen, ist im Rückzahlungsbetrag enthalten oder wird separat ausgezahlt. Mit Gedächtnis ausgestattetBei Memory-Expresszertifikaten ist der Bonusmechanismus sogar mit einem Gedächtnis ausgestattet, das sich an ausgefallene Bonuszahlungen erinnert. Kommt es zu einer Bonuszahlung, wird die Zahlung nämlich immer auch für vergangene Perioden nachgeholt, für die bisher kein Bonus gezahlt wurde.Allgemein punkten Expresszertifikate insbesondere dann, wenn an den Märkten kein klarer Trend ersichtlich ist. Sie bieten dem Anleger die Möglichkeit, die Renditechancen der Aktienmärkte zu nutzen, ohne dabei den Risikoaspekt aus den Augen zu verlieren.—Steffen Bauer, Zertifikate-Experte bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)