Mit Faktor-Zertifikaten in Trendphasen punkten

Umsätze und Angebot steigen - Anlageentscheidung konstant überprüfen

Mit Faktor-Zertifikaten in Trendphasen punkten

Die Börse in Stuttgart ist einer der größten Umschlagplätze in Deutschland für strukturierte Wertpapiere. Kunden handeln im Monat für rund 3 Mrd. Euro Zertifikate, Optionsscheine und Aktienanleihen. Mittlerweile können Anleger aus mehr als einer Million verschiedener Produkte auswählen. Auf den ersten Blick mag diese Zahl zu hoch wirken. Allerdings gibt es viele gute Gründe, warum es so viele strukturierte Produkte an der Börse gibt. Variierende AusstattungDer Deutsche Derivate Verband (DDV) vertritt diese Branche und unterteilt die Million Produkte in nur elf Kategorien. Interessieren sich Kunden beispielsweise nur für eine dieser Kategorien, so ist die Auswahl automatisch kleiner. Ein einfaches Beispiel erklärt die Vielfalt der Zertifikate: Einen VW Golf gibt es mit unterschiedlichen Motorisierungen, Getrieben, Reifen, Farben, Ausstattungslinien und Sonderausstattungskombinationen. Am Ende ist es zwar “nur” ein Golf, doch auf den Straßen fahren Zigtausende Varianten.Genauso ist es auch bei Zertifikaten. So gibt es die Gruppe von Discount-Zertifikaten, konkret mit dem Basiswert Allianz. Allein die Commerzbank hat 753 derartige Zertifikate emittiert. Warum müssen es so viele Produkte einer Kategorie auf diesen Basiswert sein? Die Antwort liegt auf der Hand: Ähnlich wie sich die Ausstattung von Autos unterscheidet, variiert bei den Discount-Zertifikaten die Ausstattung. Es werden beispielsweise Laufzeiten zwischen Mai 2014 und Juni 2016 angeboten. Außerdem variieren die mögliche maximale Rendite sowie die Risiken für den Anleger. Die maximale Rendite liegt etwa zwischen 0,50 % beim konservativsten Zertifikat und reicht bis zu 78 % bei chancenorientierten Produkten. Somit wird schnell klar, dass es nicht ein Zertifikat für “den Anleger” gibt. Vielmehr hat jeder Investor individuelle Anlageziele und -erwartungen, und mit der großen Auswahl ist die Chance sehr hoch, das individuell passende Zertifikat zu erhalten. Im Bereich der Discount-Zertifikate werden nicht nur Zertifikate mit dem Basiswert Allianz angeboten. Insgesamt können Anleger aus mehr als 500 verschiedenen Basiswerten wählen. Dazu zählen neben Aktien auch Aktienindizes, Edelmetalle, Rohstoffe, Zinsen und Währungen. Berücksichtigt man jetzt noch, dass Discount-Zertifikate nur eine von elf Kategorien sind, dann wird schnell klar, warum es allein von der Commerzbank als größtem Anbieter in diesem Bereich mehr als 150 000 Zertifikate gibt. Auf alle Banken hochgerechnet ergibt sich schnell eine Gesamtsumme von einer Million Zertifikaten. Konkurrenz erfreut AnlegerNeben der großen Auswahl spielt ein anderer Gesichtspunkt eine Rolle. Viele Banken in Deutschland bieten ähnliche oder sogar identische Produkte an. So kann der Kunde im Idealfall aus mehr als zehn Alternativen wählen. Diese Konkurrenzsituation führt dazu, dass der Anleger sich über günstige Konditionen freuen kann. Denn am Ende wird er nicht zuletzt aufgrund des Preises ein Zertifikat auswählen.Betrachtet man den Gesamtmarkt, so fällt auf, dass es in den vergangenen Jahren wenige Neuerungen am Zertifikatemarkt gab. Die letzte Innovation stellen die Faktor-Zertifikate dar. Zunächst interessierte sich nur ein kleiner Teil der Kunden für diese Produkte. Doch vor rund zwei Jahren änderte sich das. Mittlerweile werden Faktor-Zertifikate vom Deutschen Derivate Verband als neue und eigenständige Produktkategorie geführt. Die Umsätze in dieser Gruppe von Zertifikaten steigen genauso wie das Angebot.Grundlage eines Faktor-Zertifikats ist wie bei fast allen Zertifikaten der Basiswert, beispielsweise eine Aktie oder ein Index. Das Faktor-Zertifikat ermöglicht dem Investor, in diesen Basiswert mit einem bestimmten Faktor zu investieren. Das bedeutet, dass ein Anleger relativ gesehen einen deutlich höheren Gewinn erzielen kann als bei einem direkten Kauf der Aktie oder des Index. Gleiches gilt für Verluste – die sind, wenn es nicht gut läuft, deutlich höher als bei einem Direktinvestment.Der Clou der Faktor-Zertifikate im Vergleich zu anderen Hebelprodukten ist der konstante Faktor, auch Hebel genannt. Am Beispiel des Faktor-Zertifikats 3x Long mit dem Basiswert BASF (WKN CZ24PA) soll die Funktionsweise verdeutlicht werden: Im Juni 2012 notierte die Aktie des Chemiekonzerns bei 51,89 Euro und stieg bis zum März 2014 um 48 % auf 76,94 Euro. Das Faktor-Zertifikat 3x Long mit dem Basiswert BASF verteuerte sich im gleichen Zeitraum um 163 %. Somit konnte der Anleger hier mehr als die dreifache Rendite einstreichen.Es gibt einige Besonderheiten, die bei Faktor-Zertifikaten zu beachten sind. Der Faktor bezieht sich immer auf den Kurs der Aktie vom Vortag. Für das Faktor-Zertifikat 3x Long mit dem Basiswert BASF bedeutet das: Ist die Aktie 2 % im Plus im Vergleich zum Vortag, liegt das Zertifikat 6 % vorn. Notiert die Aktie von BASF 2 % tiefer, liegt das Zertifikat 6 % im Minus. Somit ist es möglich, jeden Tag aufs Neue mit einem Faktor von 3 an den Kursentwicklungen der Aktie zu partizipieren. Allerdings bedeutet das auch, dass sich ein Investment in Faktor-Zertifikaten immer dann besonders lohnt, wenn sich der Basiswert in einer Trendphase befindet und beispielsweise über einen längeren Zeitraum konstant steigt. Nachteil in SeitwärtsphasenNachteilig hingegen können schwankungsfreudige Seitwärtsphasen sein, in denen sich Kursverluste und Kursgewinne abwechseln. Denn in diesen Phasen kann das Faktor-Zertifikat leicht an Wert verlieren, obwohl der Basiswert am Ende der Seitwärtsphase wieder sein ursprüngliches Kursniveau erreicht. Aufgrund der Verkettung, die die tägliche Kursentwicklung des Basiswerts bei der Indexberechnung berücksichtigt, kann somit nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass das Faktor-Zertifikat nach dieser Zeit wieder bei seinem Ausgangsniveau notiert. Vielmehr wird es einen leichten Verlust aufweisen, der umso stärker ausfällt, je länger der Basiswert um das Ausgangsniveau pendelt und je höher die Faktorzahl ist.Beim erneuten Blick auf das Faktor-Zertifikat 3x Long mit dem Basiswert BASF fällt Folgendes auf: Von September 2012 bis Ende Oktober 2012 sank die Aktie um fast 8 %. Dieser Zeitraum war allerdings von einer höheren Schwankungsbreite geprägt als noch der Zeitraum zuvor. Das Faktor-Zertifikat verlor während dieser Zeit rund 23 % an Wert, wobei die Entwicklungen auf Tagesbasis exakt mit einem Faktor von 3 abgebildet wurden. Auf längere Sicht konnte sich das Zertifikat dann aber besser entwickeln als erwartet.Somit steht fest: Bei einem langfristigen Investment in Faktor-Zertifikate muss der Investor fortlaufend seine Anlageentscheidung überprüfen und berücksichtigen, dass Faktor-Zertifikate ihre Stärken in Trendphasen ausspielen. In volatilen Seitwärtsmärkten ist Vorsicht geboten.Neben dem konstanten Hebel unterscheiden sich Faktor-Zertifikate in einem weiteren Punkt von anderen Hebelprodukten. Obwohl die Laufzeit von Faktor-Zertifikaten unbegrenzt ist, können sie nicht ausgeknockt werden. Hierbei gilt allerdings zu beachten, dass es für jedes Faktor-Zertifikat eine Anpassungsschwelle gibt.Würde die Aktie von BASF von einem auf den anderen Tag beispielsweise um 35 % nachgeben, dann würde der Investor des Faktor-Zertifikats 3x Long mit dem Basiswert BASF theoretisch einen Verlust von mehr als 100 % erleiden (35 % x 3). Dies ist ausgeschlossen, und in einer solchen Situation greift die Anpassungsschwelle. Minderung statt TotalverlustGrundsätzlich gilt für das Faktor-Zertifikat 3x Long mit dem Basiswert BASF: Sobald die Aktie um 30 % (Anpassungsschwelle) innerhalb eines Tages fällt, findet eine außerordentliche Anpassung statt. Im Prinzip wird nun so getan, als wäre der Handelstag bereits beendet und es würde sofort ein neuer Handelstag beginnen. Es tritt kein Knock-out-Ereignis ein, allerdings hat der Investor in solch einem Fall bereits gut 90 % des Wertes verloren. Der Absturz der Aktie führt zwar nicht zu einem Totalverlust, der Anleger erleidet trotzdem eine deutliche Minderung seines Kapitals.Aufgrund der einfachen Funktionsweise der Faktor-Zertifikate werden diese gerne von Anlegern eingesetzt, die klar auf eine Marktbewegung einer Aktie, eines Index oder sogar von Zinsen und Rohstoffen setzen und von dieser mit einem erhöhten Hebel profitieren möchten.—Von Anouch Wilhelms, Product Manager im Bereich Equity Markets&Commodities, Public Distribution bei der Commerzbank