Mit Multikanalmanagement Filialen profitabel machen

Beratungsintensives Provisionsgeschäft stärken und Erträge im Girokonto heben

Mit Multikanalmanagement Filialen profitabel machen

Die Ankündigung der HypoVereinsbank, bis zur Hälfte ihrer Filialen schließen zu wollen, wirkte in der Branche wie ein Paukenschlag. Schlagartig wurde deutlich, wie brisant für Banken und Sparkassen das Thema Filiale in der Fläche wirklich ist. Tatsächlich öffnet sich die Schere zwischen Kosten und Ertrag gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld. In allen Sparkassen stehen daher Maßnahmen zur Profitabilisierung des Filialvertriebs im Vordergrund.Für die Sparkassen ist die Filiale nach wie vor der zentrale Ort der Dienstleistungserbringung und die wichtigste Quelle der Neukundengewinnung und Bestandskundendurchdringung. In der Privatkundenstudie 2012 von Investors Marketing gaben 53 % der Bankkunden an, selbst für günstigere Preise und Konditionen nicht auf Filialen verzichten zu wollen. Für rund 60 % kommt eine Bank nur in Frage, wenn sie die Möglichkeit haben, sich in einer Filiale in ihrer Nähe beraten zu lassen.Hinter diesem vermeintlich breiten Plädoyer für die Filiale versammeln sich allerdings nicht alle Kundensegmente. Ein vertieftes Verständnis des Kundenverhaltens ist daher der Ausgangspunkt auf dem Weg zu einer neuen Rolle der Filiale im Rahmen eines integrierten Multikanalmanagements.Zwei Verhaltensdimensionen sind aus unserer Sicht entscheidend für die Entwicklung optimaler Vertriebskanalstrategien: Das Kanalnutzungsverhalten und das produkt-/ preisbezogene Kaufverhalten.Aus der Zusammenfassung ergeben sich sechs prägnante Kundentypen, die IM-Finanzentscheider: online-affine Preisentscheider, Multikanal-Preisentscheider, online-affine Preissensible, preissensible Multikanalkunden, preissensible Filialkunden und (filialaffine) Preisindifferente. Diese Segmentierung erklärt, wie Kunden mit ihrer Bank interagieren und welche Erwartungen und Bedürfnisse sie im Kaufzyklus haben. Bei Sparkassen bilden (filialaffine) Preisindifferente und Multikanal-Preissensible und mit jeweils 32 % die größten Kundengruppen.Filialaffine Preisindifferente werden durch die Betreuungskonzepte der Sparkassen am besten erreicht. Filialkunden sind die Kunden, die bei einer Filialschließung am wahrscheinlichsten wechseln. Ohne Filiale mit persönlichem Ansprechpartner sind Filialkunden kaum zu gewinnen, zu binden und ertragreich zu betreuen.Preissensible Multikanalkunden nutzen gezielt die Vorteile verschiedener Kanäle und schätzen das “sowohl als auch”, das ihnen Sparkassen bieten. Durch die hohe Online-Banking-Nutzung sind die Filialkontakte geringer. Umso mehr kommt es darauf an, die Kontakte im Online-Banking gezielt zur Überleitung in die Filiale zu nutzen oder diese Kunden durch alternative Beratungsformen zu erreichen. Von Sparkassen erwarten Multikanalkunden das Gefühl der persönlichen Beziehung an allen Kontaktpunkten.Sparkassen besitzen aber auch einen bedeutenden Anteil von online-affinen Preisentscheidern und online-affinen Preissensiblen. Diese Kunden sind tendenziell gut informiert und wenig beratungsbedürftig. Auch ohne Beratung schließen sie von allen Kundengruppen die meisten Produkte ab. Die Filiale nutzen Online-Kunden weniger für einfache Bankgeschäfte als für qualifizierte Information, Service oder Beratung. Zur Beratung kommen sie vor allem wegen konkreter, produktbezogener Anliegen.Sparkassen müssen sich somit stärker mit den Kanalpräferenzen unterschiedlicher Kundentypen auseinandersetzen. Ziel muss es sein, die Filiale im Rahmen intelligenter Multikanalstrategien wertschöpfend zu vernetzen. Dies erfordert jedoch einen grundlegenden Kulturwandel, der sämtliche Aspekte des Privatkundengeschäfts tangiert. Um trotz dieser Komplexität nicht den Überblick zu verlieren, bietet es sich an, mit Grundmodellen zu arbeiten.Das filialzentrierte Multikanalmanagement ist darauf ausgerichtet, dem Interessenten oder Kunden den Weg in die Filiale so einfach und attraktiv wie möglich zu machen. Zentrales Merkmal dieses Ansatzes ist die Lenkung der Kundenströme insbesondere hinsichtlich Beratung und Abschluss in die Filiale als fast ausschließlichen Kanal für Beratung und Abschluss.Das kundenzentrierte Multikanalmanagement hingegen ist deutlich kanalneutraler angelegt. Bei diesem Ansatz stehen alle anderen Kanäle der Filiale gleichberechtigt gegenüber. Der Kunde wählt in Abhängigkeit von Situation und Bedarf den für sich geeigneten Kanal und hat jederzeit die Möglichkeit des Kontakts zu einem Berater, unabhängig vom gewählten Kanal. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bank in allen Kanälen weitestgehend gleiche Leistungen und Prozessqualität vorhält, und zwar über alle Phasen des Kaufprozesses. Investitionen fallen schwerEin zukunftsfähiges Multikanalmanagement erfordert Investitionen, die angesichts magerer Zinsüberschüsse nicht leicht fallen. Daher spielt auch die Ertragssteigerung im Provisionsgeschäft eine wichtige Rolle für die Finanzierung der Filialen im Multikanalvertrieb. Eine aktivere Beratung in Fragen der Altersvorsorge und der Vermögensanlage ist so dringlich wie nie. Auch die Vermittlung von Partnerprodukten ist eine weitere Möglichkeit, das Provisionsgeschäft anzukurbeln. Nicht zuletzt trägt der Zahlungsverkehr rund um das Girokonto bis zu 50 % zum Provisionsertrag bei.Kostenlose oder sehr preisgünstige Girokonten müssen zur Neukundengewinnung und Bindung preissensitiver Zielgruppen eingesetzt werden, die auch einen entsprechenden Deckungsbeitrag in der Gesamtkundenbeziehung besitzen. Deshalb sind sie an Bedingungen zu knüpfen, wie zum Beispiel einen regelmäßigen Gehaltseingang oder ein Mindestguthaben. Generell sollten die Institute jedoch versuchen, höhere Preise im Bereich des Zahlungsverkehrs durchzusetzen. Das gesamte Giro- und Zahlungsverkehrsangebot ist so zu positionieren, dass es einen Mehrwert für den Kunden generiert. Oft unterschätzt werden die Erlöse aus dem Kartengeschäft. Ein erfolgreicher Multikanalansatz zeichnet sich letztlich dadurch aus, dass Kunden die Leistungen der Sparkasse aktiv in Anspruch nehmen – sei es in der Filiale oder in einem anderen Kanal.—Von Oliver Mihm Vorstandsvorsitzender der Investors Marketing AG