Mit "Nudging" den Vertriebserlös erhöhen
Die Bank of America unterstützt ihre Kunden bereits seit 2005 dabei, mehr Geld zu sparen. Alle Beträge, die Kunden im Programm “Keep the Change” mit ihrer Bankkarte bezahlen, werden automatisch aufgerundet. Der Aufrundungsbetrag wird einem Sparkonto gutgeschrieben. Das Programm ist ein großer Erfolg: Mehr als jeder zweite Neukunde nimmt teil, fast niemand tritt aus.Die Privatkreditplattform Auxmoney bietet Anlegern die Möglichkeit, mit Beträgen ab 25 Euro Kredite zu finanzieren. Eine individuelle Auswahl der Kreditanfragen bedeutet bei größeren Anlagesummen jedoch zeitlichen Aufwand. Um diesen Aufwand zu reduzieren und die Entscheidungen zu vereinfachen, bietet Auxmoney den “Portfolio Builder” an. Dieser investiert die Anlagebeträge automatisch nach einer vom Anleger festgelegten Strategie und überzeugt damit 70 % der Investoren auf Auxmoney. Rezept der NobelpreisträgerHinter diesen Vorgehensweisen verbirgt sich ein einfaches Prinzip: Mit Nudging, zu Deutsch “Anstupsen”, wird durch die Gestaltung der Entscheidungsarchitektur der Kunde dabei unterstützt, bessere Entscheidungen zu treffen. Dahinter stehen die Konzepte des Wirtschaftsnobelpreisträgers von 2017, Richard H. Thaler und des Rechtswissenschaftlers Cass R. Sunstein. Nach ihrer Theorie entscheiden Menschen nicht immer rational, also ihren Erwartungsnutzen maximierend. Um weder auf Verbote noch ökonomische Anreize zurückgreifen zu müssen, werden Menschen stattdessen durch die Gestaltung der Entscheidungsarchitektur beeinflusst.Dafür gibt es mehrere Strategien. Beim Festsetzen von Standards (“Defaults”) nutzt man den Umstand, dass viele Menschen gesetzte Voreinstellungen (etwa bei der Produktkonfiguration) beibehalten. Priming spielt mit dem Wissen, dass frühere Reize die Antworten formen, die das Gehirn auf spätere Reize gibt. Da sich das Gruppenwesen Mensch dem Verhalten anderer Gruppenmitglieder anpasst, kann Konformität als Nudge verwendet werden. Vereinfachung reduziert die Komplexität und damit die Hürden der Entscheidung. Durch Framing werden Menschen durch Darstellung der Entscheidungsvarianten beeinflusst.Obwohl Thaler und Sunstein Nudging als Instrument für Staat und Regierung sehen, das Wohlergehen der Bürger zu steigern, bieten sich auch für Banken Möglichkeiten. Denn die Vermögensanlage an der Börse verfügt über Entscheidungsmerkmale, die eine Anwendung von Nudging besonders effektiv macht: Die Entscheidung ist schwierig, die Anleger müssen ihren heutigen Konsum für unsichere zukünftige Gewinne einschränken, und Anlageentscheidungen werden von vielen Privathaushalten nur selten getroffen.Um ihre Kunden zu mehr Investments in Aktien und Fonds zu veranlassen, können Banken verschiedene Elemente des Nudging anwenden. Vereinfachung: Um möglichen Investoren die Entscheidung für einen bestimmten Mischfonds zu erleichtern, können Fondsanbieter Standardprodukte mit einer Differenzierung nach der individuellen Risikoneigung (Anleihen- vs. Aktienquote) prominent im Produktportfolio platzieren. Für Kunden mit einem größeren Wissen und Erfahrungsschatz bleibt ein Angebot differenzierter Produkte natürlich sinnvoll. Framing: Hilfreich wäre ein Hinweis auf Risiken und finanzielle Nachteile von Sichteinlagen als Sparanlage. Konkret können bei den momentanen Zins- und Inflationswerten gerade der sichere Kaufkraftverlust sowie das Inflationsrisiko genannt werden. Insbesondere bei Festgeld kommt zusätzlich ein Liquiditätsrisiko hinzu, das Börsenanlagen in dieser Form nicht aufweisen. Die Geldanlage an der Börse wird gewissermaßen als Versicherung gegen diese Risiken angeboten. Mit dieser Argumentation kann die Verlustaversion der Kunden genutzt werden. Festsetzen von Standards: Es ist bereits heute bei der Einrichtung vieler Sparpläne an der Börse möglich, eine automatische Anpassung der monatlichen Sparrate einzustellen. Trotzdem bleibt ein Verzicht auf diese Möglichkeit weiterhin der Standard. Eine Umstellung der Standardvariante auf eine dynamische Anpassung hilft Kunden, mehr zu sparen – bei höheren Umsätzen für die Fondsanbieter.Die Institute können durch die Börsenanlagen ihrer Kunden auf vielfältige Weise Geld verdienen, etwa durch Depot- und Transaktionsgebühren sowie Rückvergütungen aus dem Vertrieb von Fonds. Deshalb könnte eine Erhöhung der in Deutschland geringen Aktionärsquote Vorteile für Banken bringen. Die Idee Thalers und Sunsteins, Menschen durch geschickte Gestaltung der Entscheidungsarchitektur in eine für sie positive Richtung zu lenken, bietet die Grundlage für echte Win-win-Situationen. Maximilian Horn, Berater bei Berg Lund & Company mit den Schwerpunkten Kostenmanagement, Bargeld und Outsourcing.