Mit starken Partnern in die Zukunft
Dr. Thomas LedermannVorstand der BÖAG Börsen AG und Geschäftsführer der Börse HamburgDie Finanzwirtschaft in Hamburg blickt auf eine lange und erfolgreiche Vergangenheit zurück. Noch heute haben eine Reihe bedeutender Privatbanken ihren Sitz in Hamburg. Mit der Hamburger Sparkasse wurde hier die erste Sparkasse weltweit etabliert, die Gründung der Commerzbank erfolgte ebenfalls in Hamburg. Doch wie in anderen Regionen hat die Finanzwirtschaft auch im Norden seit Jahren mit einem Rückgang zu kämpfen und folglich in steigendem Maße Arbeitsplätze abgebaut. Bestimmte Geschäftsmodelle wie beispielsweise die Schiffsfinanzierung haben an Bedeutung verloren; teilweise kommen allgemeine Ertragsprobleme hinzu.Doch es gibt auch zahlreiche innovative Entwicklungen und eine besondere Stärke in der Regionalität Hamburgs. Welche Rolle spielt die Börse Hamburg in diesem Kontext und wie kann sie sich im zunehmenden Wettbewerb positionieren?In ihrer Funktion als Handelsplatz stellt die Börse Hamburg ein wichtiges Bindeglied zwischen Anlegern und Unternehmen in der Wirtschaftsregion Hamburg dar. Sowohl private wie institutionelle Anleger erhalten einen unmittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt, der sich durch große Transparenz auszeichnet. Um ihre Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, setzt die Börse Hamburg vor allem auf die Bildung von strategischen Partnerschaften und Netzwerken. Sie erschließt damit Nischen, die von größeren Wettbewerbern nicht abgedeckt werden. Mit dem Fokus auf Innovation und Spezialisierung hat sie sich 1999 zunächst mit der Börse Hannover und dann 2017 mit der Börse Düsseldorf in der Trägergesellschaft BÖAG Börsen AG zusammengefunden. Seither profitieren die drei Handelsplätze mit gebündelten Kräften von Synergien und entwickeln, neben dem “klassischen” Handel mit Aktien, Anleihen, Investmentfonds und Zertifikaten, beständig neue Anlageprodukte und Handelsmöglichkeiten. Seit jeher erfolgt der Handel von Wertpapieren an den Börsen unter Einsatz modernster Technik. Aber erst nach Aufgabe des Börsenparketthandels und der dadurch beschleunigten Dezentralisierung des Wertpapierhandels wurde das Potenzial auch für darüber hinausgehende Innovationen frei. Die von ehemaligen Kursmaklern gegründete mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG hat diesen Prozess zusammen mit den Börsen in Hamburg und in Hannover maßgeblich mitgeprägt. Zu nennen ist hier beispielsweise der sehr erfolgreiche Börsenhandel mit Investmentfonds. Im Jahr 2002 führte die Börse Hamburg die erste börsliche Handelsplattform für diese Produkte in Deutschland ein. Seitdem können Anleger börsentäglich rund 3 500 offene Aktien-, Renten- und Immobilienfonds ohne Ausgabeaufschlag ebenso einfach handeln wie Aktien. Diesen Schwerpunkt hat die Börse Hamburg bis heute beibehalten und sogar ausgeweitet. Die damalige Innovation “Made in Hamburg” wurde oft kopiert und ist heute aus dem Börsenhandel nicht mehr wegzudenken. Es mag ein wenig “altmodisch” klingen, aber trotz der auch im Skontroführerhandel deutlich präsenten Digitalisierung ist der Wertpapierhandel mit Maklerunterstützung weiterhin von großer Bedeutung. So treten Makler bei umsatzschwachen Papieren nicht selten als sogenannte “Liquiditätsspender” auf und ermöglichen erst so Umsätze in diesen Wertpapieren, die ansonsten nicht oder nur schwer handelbar wären. Für viele Anleger ist in der aktuellen Digitalisierungsdiskussion neben dem bewährten Maklerhandel zunehmend der voll elektronische Marketmaker-Handel aufgrund geringer expliziter Kosten und langer Handelszeiten zu einer attraktiven Alternative geworden. Selbstentscheidende Anleger verzichten bewusst auf den Service der Maklerbörsen mit persönlichen Ansprechpartnern zu Gunsten eines niedrigen Preises. Im Jahr 2016 hat die Börse Hamburg in Partnerschaft mit der Lang und Schwarz TradeCenter AG & Co. KG das elektronische Handelssystem LS Exchange etabliert. Das System mit inzwischen mehr als 10 000 Wertpapieren ermöglicht den courtagefreien Direkthandel von deutschen Standardaktien, zahlreichen ausländischen Aktien, ETFs und Anleihen unter der Handelsüberwachung der Börse Hamburg. Mit einer Handelszeit von 7:30 bis 23:00 Uhr bietet die LS Exchange die längste Handelszeit unter den deutschen Börsenhandelsplätzen und deckt auch die Handelszeit an den wichtigsten US-Börsen mit ab.Eine besondere Stärke stellt die “Fondsbörse Deutschland” dar. Sie ist mit großem Abstand der umsatzstärkste neutrale Marktplatz für geschlossene Fonds in Deutschland. In einem Erstmarkt können neu auf den Markt kommende Beteiligungen an Immobilien-, Schiffs-, Windkraft- oder Leasingfonds gezeichnet werden. Bestehende Fonds sind vor ihrer “Ablaufzeit” im Zweitmarkt handelbar. Betreut wird dieser Handel von der Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG unter der Kontrolle von Mitarbeitern der Handelsüberwachungsstelle an der Börse Hamburg. Die Digitalisierung und die Erweiterung von Services gehört auch im Fondsvertrieb zu den großen aktuellen Herausforderungen. Vor allem im Zeichnungsprozess bedarf es einer beständigen (und aufwendigen) Weiterentwicklung in technischer und vertrieblicher Hinsicht. Neben dem Aufbau einer eigenen digitalen Zeichnungsplattform für Sachwertinvestments hat die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG 2019 mit der Mehrheitsübernahme des Fintech-Start-ups “Capital Pioneers” einen weiteren Schritt in Richtung “Zukunftstechnologie” unternommen; das Start-up gilt als Vorreiter der digitalen Zeichnung von alternativen Investmentfonds.Neben den speziellen Segmenten des Finanzplatzes Hamburg liegt eine Stärke in seiner Regionalität. Sowohl große börsennotierte Unternehmen wie Beiersdorf, HHLA, Aurubis oder Hapag-Lloyd, als auch zahlreiche starke familien- oder unternehmergeprägte Unternehmen sind hier ansässig und zeugen von einer gesunden Wirtschaftsstruktur. Im Haspax, dem regionalen Aktienindex der Börse Hamburg und der Hamburger Sparkasse, werden die größten 24 börsennotierten Aktiengesellschaften Hamburgs und der Metropolregion zusammengefasst. Seit 1996 zeigt der Index Strukturveränderungen auf und spiegelt die Diversität der in Hamburg bzw. im Umland ansässigen Branchen – vom heimischen Traditionsunternehmen bis zum Start-up – wider. Die Regionalität zeigt sich bei der Börse Hamburg auch über eine große Nähe zum Anleger. Mit direkten Ansprechpartnern für Fragen rund um den Wertpapierhandel kann sie Anlegerbedürfnisse schnell identifizieren und in entsprechenden Angeboten und Produkten umsetzen. Zudem versteht sie sich als neutrale Instanz bei dem Ausbau der Aktienkultur. Beim jährlichen Börsentag Hamburg in der Handelskammer haben Interessierte die Möglichkeit, sich über ein umfangreiches Vortragsprogramm und zahlreiche fachkundige Aussteller über die Toptrends des Kapitalmarkts zu informieren. Als Mitveranstalter steht die Börse dort seit 1996 sowohl mit Fachvorträgen als auch am eigenen Stand direkt für Fragen zur Verfügung. Coronabedingt muss der Börsentag im Herbst 2020 leider ausfallen. Die Börse Hamburg bietet mit ihren Schwesterbörsen daher unter dem Label “Börsen Aktuell” verstärkt digitale Anlegerinformationen über Newsletter, Social Media und Webinare. In einer schwieriger werdenden Finanzwelt wird die Börse Hamburg mit kreativen Ideen und in Zusammenarbeit mit starken Partnern auch in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen.