IM INTERVIEW: NIKOLAS BEUTIN

"Mobile Payment wird sich durchsetzen"

PwC: Vorteile der neuen Bezahlform sind weithin bekannt - Nutzen von Transaktionen zwischen Unternehmen wird noch unterschätzt

"Mobile Payment wird sich durchsetzen"

Mit Yapital wollte der Hamburger Otto-Konzern das erste europäische Multikanalbezahlsystem aus dem und für den Einzelhandel etablieren. Doch weil es nicht gelang, einen Käufer zu finden oder über die Verbindung mit einem strategischen Partner auf die notwendige kritische Masse von 3,5 Millionen bis 5 Millionen privaten Nutzern zu kommen, nimmt Otto das Start-up-Unternehmen Ende Januar 2016 vom Markt. Dem Argument des Handelskonzerns, dass sich die Verbrauchergewohnheiten deutlich langsamer als von Marktbeobachtern prognostiziert änderten, tritt PwC-Partner Nikolas Beutin mit einer zuversichtlichen Einschätzung entgegen.- Herr Dr. Beutin, der Otto-Konzern hat sich mit Erwartungen an den Durchbruch des mobilen Bezahlens in Deutschland verschätzt. Der Konzern nimmt das Start-up Yapital vom Markt und begründet den Schritt mit dem Mangel an Endkunden. Was sagt die Einstellung von Yapital aus über das mobile Bezahlen in Deutschland?Als unabhängige Wirtschaftsprüfung nehmen wir zu einzelnen Unternehmen grundsätzlich nicht Stellung. Allerdings haben wir bei PwC den Markt für mobiles Bezahlen in 2014 und 2015 untersucht.- Wie lautet der aktuelle Befund?Dafür ist es zunächst wichtig, zu definieren, was wir unter mobilem Bezahlen verstehen – nämlich das Bezahlen eines Produktes oder einer Dienstleistung über eine Bezahlfunktion mit einem Handy oder Smartphone, also nicht nur beim Händler beziehungsweise vor Ort am Point of Sale. Grundsätzlich ist es so, dass das reine mobile Bezahlen in Deutschland bisher kaum Vorteile gegenüber dem Bezahlen mit Bargeld oder EC-Karte aufweist. Zudem hat sich in mehreren Versuchen gezeigt, dass es in der Fläche doch erhebliche technische Herausforderungen gibt. Aber bereits ein Viertel aller Deutschen bezahlt mit dem Smartphone.- Was wird mit dem Smartphone bezahlt?Die beliebtesten Produkte und Dienstleistungen für das mobile Bezahlen sind Hotels, Flug- und Bahntickets oder Kleidung, Schuhe und Accessoires – mit je 11 % der Befragten. Rund 9 % der Deutschen haben für Unterhaltungselektronik schon einmal mit ihrem Smartphone oder Tablet bezahlt, 8 % für Nahrungsmittel und Getränke im Supermarkt oder für Dienstleistungen in der Gastronomie. Im Umkehrschluss haben allerdings auch 75 % der Deutschen noch nie bargeldlos mobil bezahlt.- Das ist ein hoher Anteil.Immerhin 35 % möchten diese Bezahlform aber in Zukunft ausprobieren.- Warum hält sich die Nutzung von mobilen Bezahlverfahren in Deutschland bislang in Grenzen?Noch ist es so, dass die Kunden heute kaum Vorteile durch mobiles Bezahlen haben. Dennoch: Mobile Payment wird sich durchsetzen.- Was macht Sie da so sicher?Die Deutschen erkennen durchaus auch die positiven Aspekte dieser neuen Bezahlform: Gut drei von vier Verbrauchern sehen es als Vorteil an, ihre Geldbewegungen direkt am Handy prüfen zu können und nicht mehr darauf achten zu müssen, ob sie genügend Bargeld im Portemonnaie haben. Immerhin knapp sechs von zehn Verbrauchern sind der Meinung, dass mobile Bezahlverfahren den Einkauf und das Bezahlen unkomplizierter machen.- Wie sieht es aus Händlersicht aus?Für den Händler bedeutet Mobile Payment recht hohe Investitionen in neue Point-of-Sale-Hardware und zudem Gebühren, die höher als bei EC- oder Kreditkarte und natürlich Bargeld sind. Somit hat er nur ein geringes Interesse, hier Vorreiter zu sein.- Sind die Sorgen um Datenschutz und Sicherheit in Deutschland größer als in anderen Ländern?Ja, das ist definitiv so. Viele Verbraucher haben gewisse Vorbehalte gegenüber Mobile Payment: 88 % der Deutschen befürchten, dass ihre Daten gehackt oder missbraucht werden. 85 % sehen eine wachsende Gefahr, dass ihr Handy gestohlen und mit den Bezahldaten Missbrauch getrieben wird.- Die Technologie sei nicht ausgereift, die Akzeptanz der Bezahlsysteme nicht weit verbreitet, lauten gängige Vorbehalte gegen mobiles Bezahlen. Warum sollte Bargeld als das nach wie vor beliebteste Zahlungsmittel in Deutschland in den nächsten Jahren stark an Bedeutung verlieren?Grundsätzlich erst, wenn entweder der Konsument erhebliche Vorteile durch eine Nutzung hätte – beispielsweise durch ein gut funktionierendes, attraktives “Wallet” – oder aber einer der großen Händler mobiles Bezahlen massiv pushen und incentivieren wird. Da können die Mobile-Payment-Anbieter und Start-ups die interessantesten Lösungen anbieten: Wenn Anbieter und Konsumenten nicht mitmachen, wird nur langsam etwas passieren.- Der bekannteste Mobile-Payment-Anbieter ist Paypal, mit großem Abstand folgen Google Wallet und Apple Pay. Inwiefern hat die zögerliche Nutzung von Mobile Payment damit zu tun, dass ein deutscher Anbieter fehlt, dem ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wird?Unsere Studien haben gezeigt, dass es eher an den Vorteilen beziehungsweise dem Push durch große Handelskonzerne liegt. So wird mittlerweile ein sehr hoher Anteil an Flug- und Bahntickets mobil per App bezahlt. Wenn die Vorteile da sind, dann wird es auch angenommen trotz teilweise höherer Kosten.- Welche Rolle spielen regulatorische Vorgaben für die Verbreitung des mobilen Bezahlens? Der Otto-Konzern hat das Aus für Yapital auch mit einer neuen Rechtslage – der Regulierung des Interbankenentgelts – begründet.Die Rechtslage ist hier sowohl in Deutschland als auch in Europa in Bewegung. Unsere langjährigen Erfahrungen zeigen dabei allerdings auch, dass sich ein gutes Produkt richtig vermarktet immer verkauft.- Braucht es regulatorische Maßnahmen, um das mobile Bezahlen in Deutschland zu vereinfachen und die Durchsetzung zu beschleunigen?Unserem Ermessen nach nicht unbedingt. Selbst wenn man Gebühren beispielsweise regulieren würde wie beim Roaming oder bei Kreditkarten, zeigt sich hier doch, dass die Nutzung nicht zwangsläufig steigt. Was vielleicht helfen könnte, wäre, wenn die Bundesbehörden wie Kfz-Zulassungsstellen, Einwohnermeldeämter et cetera aktiv umstellen würden. Schon heute allerdings lässt sich mit reinen Gebühren aus mobilem Bezahlen für eigentlich keinen Anbieter ein positiver Business Case rechnen.- In China sind mobile Zahlungssysteme innerhalb kürzester Zeit zu einem festen Bestandteil des Alltagslebens geworden. Andere Länder sind bei Mobile Banking und Payment-Angeboten ebenfalls schneller unterwegs als Deutschland. Verliert Deutschland beim Trendthema rund um das Fintech-Phänomen den Anschluss?Nicht unbedingt in der Technologie, aber zumindest in den realen Anwendungsbereichen ist dies mangels Praxisumsetzung leider so. Im Moment haben wir noch jede Menge Start-ups im Bereich mobiles Bezahlen. Wir gehen hier aber grundsätzlich von einer Konsolidierung aus.- Welche Bedeutung haben mobile Bezahlverfahren bei Transaktionen zwischen Unternehmen?Eine immer stärker zunehmende und leider immer noch unterschätzte. Man möge bedenken, wie viel einfacher, bequemer, schneller und kostengünstiger man beispielsweise die Angebots-, Rechnungsstellung und Bezahlung mit Handwerkern oder etwa Autowerkstätten organisieren könnte.- 2014 haben Sie prognostiziert, dass sich die Kundenbasis für mobile Bezahlsysteme in Deutschland von weniger als 200 000 bis 2020 auf 11 Millionen Verbraucher erhöhen könnte. Halten Sie an dieser Prognose fest? Warum?An dieser Prognose halten wir weiter fest. Wir gehen allerdings davon aus, dass nicht die unabhängigen Payment-Anbieter Treiber sein werden, sondern Unternehmen, die ihre Prozesse und Cash-flows optimieren wollen.- Wie viele und welche Anbieter mobiler Bezahlverfahren werden sich in Deutschland auf Dauer durchsetzen?2014 hatten wir prognostiziert, dass sich die Zahl der Anbieter letztlich auf drei bis fünf reduziert. Wir sehen derzeit vor dem Hintergrund der bereits oben erwähnten Argumente keinerlei Veranlassung, unsere damalige Prognose zu revidieren.- Wie beurteilen Sie die Rolle der deutschen Kreditwirtschaft?Grundsätzlich könnte die deutsche Kreditwirtschaft ein Treiber sein. Zurzeit wird ja bereits an verschiedensten Stellen das Thema mobiles Bezahlen in Verbänden et cetera aufgearbeitet. Im Lichte des vorher Genannten wird es allerdings nicht ausreichen, mobiles Bezahlen freiwillig als zusätzliche Möglichkeit anzubieten. Echte Bewegung wird erst in den Markt kommen, wenn ein Anbieter – zum Beispiel auch ein deutsches Kreditinstitut – mobiles Bezahlen erheblich subventioniert oder in den Markt drückt. Wenn also beispielsweise bestimmte Produkte oder Leistungen per mobilem Bezahlen 10 % bis 20 % günstiger wären, würden sicherlich viele deutsche Schnäppchenjäger umsteigen.—-Die Fragen stellte Carsten Steevens.