Moderne Art der Führung gefordert
Als fordere die digitale Transformation die deutschen Industrieunternehmen nicht schon genug heraus, hat nebenbei der Klimawandel viele Organisationen nachhaltig erreicht und auch das Arbeiten verändert. Auch wenn die Coronakrise die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz ein wenig in den Hintergrund zu drängen scheint, so sollten sie doch weiterhin auf der Unternehmensagenda vorhanden sein. Denn ist das Gröbste der Pandemie erst einmal überstanden, werden die Klimaveränderung und ressourcenschonendes Wirtschaften für die Verantwortungsträger sehr schnell wieder an Relevanz gewinnen.Bereits lange vor Corona sind neue Berufsfelder, neue Technologien und neue Arbeitsweisen entstanden. Sich auf einmal erworbenes Wissen zurückzuziehen und für den Rest seines Berufslebens nichts mehr hinzuzulernen, geht für Fach- und Führungskräfte schon lange nicht mehr auf. Sofern noch nicht geschehen, wird es in Zukunft mehr denn je darauf ankommen, sich nicht nur im Privaten, sondern auch auf beruflicher Ebene intensiv mit den Folgen steigender CO2-Emissionen auseinanderzusetzen. Lebenslanges Lernen ist zu einer wichtigen Maxime geworden. Womit auch häufigere Wechsel des Arbeitsplatzes einhergehen werden. OrganisationsveränderungenEin Wandel ist auch aus unternehmenskultureller Perspektive festzustellen. Neben dem technischen Fortschritt haben sowohl der Klimaschutz als auch die Anpassung an den Klimawandel erhebliche Organisationsveränderungen zur Folge. Hierarchische Strukturen, Silodenken, die Geheimhaltung von Wissen, autokratische und machtorientierte Führungsstile waren gestern. Heute arbeiten die Menschen in den Unternehmen sehr viel agiler, nachhaltiger, projektbezogener und matrixartiger. Und schon jetzt lässt sich feststellen: Die Coronakrise wird diese Formen der Zusammenarbeit verstetigen.Fach- und Führungskräfte befinden sich in permanenter Co-Creation mit unterschiedlichen Partnern, teilen ihr (klimapolitisches) Wissen intensiv, entwickeln innovative Produkte nicht mehr in jahrelangen, abgeschotteten Prozessen, sondern in engem Kontakt mit (potenziellen) Kunden, Partnern und Lieferanten. Dadurch wandeln sich auch die Organisationen: Strukturen werden fluider, Rangordnungen fallen weg, Teams steuern sich zunehmend selbst.Diese Entwicklungen fordern von Führungskräften gänzlich neue Kompetenzen. Sie müssen ihre Entscheidungen ständig hinterfragen, neue Rahmenbedingungen und die entsprechende Ausrichtung schaffen. Offen dafür zu sein, von anderen und gemeinsam mit anderen zu lernen, das Gelernte schnell zu adaptieren und Mitarbeiter sehr persönlich zu führen. Sprich: Individuell zu coachen, anstatt ihnen Anweisungen zu geben. Gleichzeitig gilt für Entscheidungsträger, ihre Teams so zu führen, dass alle gemeinsam ihre Ziele erreichen. Das Ganze wird gewinnen, nicht der Einzelne. In Summe heißt das für eine Führungskraft: Sie ist permanent herausgefordert, sich zu transformieren, sich weiterzuentwickeln – und dabei ein authentisches Vorbild zu bleiben. Kultur, Werte und VisionWas bedeutet es nun für Unternehmen, die Fach- und Führungskräfte suchen? Was können sie konkret tun, um in Zeiten der globalen Erwärmung als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben und sich im Rahmen des Employer Brandings als gute Arbeitgebermarke zu präsentieren? Generell lässt sich sagen, dass das Recruiting und Maintaining von Fach- und Führungskräften immer stärker von unterschiedlichen Softfaktoren abhängig ist. Gute Führungskräfte suchen sich die Unternehmen mittlerweile sehr gezielt aus, für die sie arbeiten wollen. Sie prüfen intensiv, ob das jeweilige Unternehmen von der Kultur, den Werten, der Vision, den Produkten und der Art zu arbeiten gut zu ihnen passt, ob sie sich damit identifizieren können. Die Themen Corporate Social Responsibility, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Sharing-Ökonomie sind entscheidende Faktoren.Nach wie vor ist es zwar so, dass Unternehmen qualifizierte Fach- und Führungskräfte nur dann dauerhaft für sich gewinnen können, wenn sie ihnen attraktive Weiterentwicklungs- und Karrieremöglichkeiten bieten, die den persönlichen Neigungen und Wünschen entsprechen. Und Work-Life-Integration sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind weitere wichtige Themen. Neu hinzugekommen sind nun aber die Anforderungen an Sinn und Werte der eigenen Arbeit.Die Identifikation mit dem Unternehmen spielt gerade für jüngere, qualifizierte Menschen eine zentrale Rolle. Für sie ist es besonders wichtig, für welches Unternehmen sie arbeiten, welche Ziele und Werte das Unternehmen hat – und echte, gelebte Corporate Social Responsibility steht da sehr weit oben, zu der auch der Klimaschutz gehört. Wenn Unternehmen wahrhaftig und ernsthaft das Ziel der Nachhaltigkeit erreichen wollen, also CO2-neutral zu wirtschaften, dann ist das im Sinne dieser gelebten Corporate Social Responsibility sehr hilfreich. Unternehmen, die diesen Punkt nicht authentisch leben und in diesem Bereich kein Vorbild darstellen, bekommen keine guten Fach- und Führungskräfte mehr an Bord. Ambitionierte PläneDeutschland hat als Land der Ingenieurskunst generell gute Voraussetzungen, um junge Menschen anzuziehen. Das gelingt jedoch nur, wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Technologie nicht als etwas Feindseliges darstellen – sondern als Mittel zum Zweck, das es uns ermöglicht, den Klimawandel zu stoppen. Generische Aussagen zum sofortigen Ausstieg aus klimabelastenden Technologien sind in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Diese Themen differenziert zu betrachten und ambitionierte, aber realistische Pläne zu erarbeiten sowie diese Betrachtungen intensiv zu kommunizieren, ist eine wichtige Aufgabe für Unternehmen, die auf der Suche nach Fach- und Führungskräften sind. Neben dem Verhalten von Organisationen und Menschen ist Technologie unabdingbar, wenn es darum geht, unsere Umwelt zu schützen.Gleichzeitig sollten Unternehmen dringend moderne Arbeitsumgebungen schaffen. Das “Wie” der Arbeit muss entscheidend verändert werden. Co-Creation, Partnering, Plattformen, Offenheit – das sind die entsprechenden Schlagworte dazu. Die Aufgaben, vor denen wir als Gesellschaft, als Weltgemeinschaft stehen, lassen sich auch wirtschaftlich nur auf globaler Ebene lösen – und deshalb ist partnerschaftliche Zusammenarbeit das Gebot der Stunde. Ob Design Thinking, Scrum oder WOL (Working out loud) – was in der Software-Branche schon als Standard zu betrachten ist, darf die klassische Industrie gerne adaptieren. Der Trend weg von der Hardware und hin zu mehr Services gehört ebenfalls dazu – denn auch das macht das Wirtschaften moderner, flexibler, leichter, reaktionsschneller und emissionsärmer. Bereit für Veränderung seinUnternehmen und ihre Führungskräfte sind demnach aufgefordert, schnell auf die sich wandelnden Zeiten zu reagieren und nicht in alten Mustern verhaftet zu bleiben. Unter dem unmittelbaren Druck der Coronakrise hat sich die deutsche Wirtschaft schon rasant verändert und die digitale Transformation in vielen Organisationen beschleunigt. Jetzt gilt es, diese Veränderungsbereitschaft zu adaptieren und große Entschlossenheit für die Aufgaben da-nach an den Tag zu legen. Ansonsten werden viele einst so erfolgreiche Player im Wettbewerb nicht mehr mithalten können – und zwar schneller, als ihnen lieb sein kann. Martin Schulz, Direktor und Mitglied der Solution Group Maschinen- und Anlagenbau bei der Atreus GmbH