IM INTERVIEW: JENS TOLCKMITT, VERBAND DEUTSCHER PFANDBRIEFBANKEN (VDP)

Moratorium entlastet Pfandbriefbanken bei Eigenkapital

Branche entwickelt Rahmen für Stundung von Tilgungen bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen - Leitlinien der EU-Behörde EBA ebnen den Weg

Moratorium entlastet Pfandbriefbanken bei Eigenkapital

Herr Tolckmitt, der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hat ein Tilgungsmoratorium für Finanzierungen gewerblicher Immobilien entwickelt. Was ist der Anlass für diese Initiative?Zunächst die Covid-19-Pandemie und der Wunsch unserer Institute, ihren Kreditkunden möglichst unbürokratisch zu helfen. Am 2. April veröffentlichte die europäische Bankenaufsicht EBA Guidelines, wie Institute dabei aufsichtsrechtliche Erleichterungen erhalten können: zum einen über gesetzliche Moratorien wie das Moratorium für Verbraucherkredite in Deutschland. Zum anderen über private Moratorien für beispielsweise Finanzierungen von Gewerbeimmobilien. Der 2. April war für Sie der Startschuss, aktiv zu werden?Ja. Unsere Mitgliedsinstitute sind Marktführer und haben insgesamt einen großen Anteil an der Gewerbeimmobilienfinanzierung in Deutschland. Deshalb sind wir die richtige Adresse, um ein solches Moratorium für Gewerbeimmobilienfinanzierungen aufzusetzen. Wir als Verband wollten unseren Mitgliedern möglichst schnell ein Instrument an die Hand geben, auf das sie bei Bedarf zurückgreifen können. Von wem ging die Initiative für die Entwicklung des Moratoriums aus?Sowohl vom Verband als auch von unseren Mitgliedern. Ich selbst habe am 2. April abends das EBA-Papier gelesen. Am nächsten Morgen haben wir intern im Verband darüber beraten, und im Laufe des Tages haben sich dann mehrere Institute bei uns gemeldet und gefragt, ob wir so etwas organisieren können. Was wir dann auch gleich gemacht haben. Wie viele Banken müssen einem solchen Moratorium mindestens beitreten?Die Vorgabe sieht vor, dass ein Moratorium von Beginn an von mehreren Instituten getragen wird, ohne eine konkrete Zahl vorzugeben. Drei oder vier sollten es aber schon sein. Was bedeutet es für eine Bank, wenn sie auf Grundlage eines solchen Moratoriums Stundungen gewährt?Der Kredit wird dann nicht als Default und Forbearance, also als unerlaubtes Zugeständnis, gewertet. Damit greifen auch die Regeln für Non Performing Loans nicht . . . . . . und das bedeutet . . .. . . dass Kreditnehmer, die an einem Covid-19-bedingten Liquiditätsengpass leiden, regulatorisch nicht als zahlungsunfähig behandelt werden müssen. Ohne diese Regelung würden die vorgesehenen aufsichtlichen Konsequenzen – von erhöhter Eigenkapitalunterlegung bis hin zur möglichen Abwicklung des Kredits – schlagend werden. Können Sie das konkretisieren?Ein Beispiel: Im Kreditrisikostandardansatz nach Basel erhält ein Darlehen mit einem Beleihungsauslauf von unter 60 % ein Risikogewicht von 50 %. Für einen ausgefallenen Kredit verdoppelt sich das Risikogewicht und damit das vorzuhaltende Eigenkapital. Durch das Moratorium bleibt es bei 50 % Risikogewicht. Sind die Banken auf diese Entlastung angewiesen?Banken und Sparkassen sind bereit, ihren Kunden in dieser schwierigen Situation zu helfen. Aber sie brauchen während der Covid-19-Krise eine Entlastung, um auch in einem möglichen größeren Umfang helfen zu können. Dies ermöglicht das Moratorium. Zum Inhalt des Moratoriums: Welche Kredite fallen darunter?Es gilt für alle gewerblichen Kredite, bei denen die Erträge aus der Finanzierung von Gewerbeimmobilien mehr als die Hälfte der Gesamterträge ausmachen. Kann jeder Kunde das Moratorium in Anspruch nehmen?Er muss in seinem Antrag nachweisen, dass die Zahlungsschwierigkeiten aus der Covid-19-Pandemie resultieren. Außerdem muss der Darlehensvertrag vor dem 14. März 2020 abgeschlossen und unterschrieben worden sein. Welche Vorteile hat der Kunde durch das Moratorium?Kunden profitieren davon, dass sie bis längstens 31. Oktober 2020 keine Tilgung zu leisten haben. Dadurch steigt die Restschuld am Ende des Darlehens. Die Laufzeit wird also nicht verlängert. Zinsen müssen aber weitergezahlt werden. Warum gilt das Moratorium bis 31. Oktober 2020?In der Arbeitsgruppe, die das Moratorium erstellt hat, wurde ein sechsmonatiger Zeitraum als sinnvoll und praktikabel angesehen. Gibt es Hinweise, dass der Gesetzgeber für Unternehmen eine Moratoriumsmöglichkeit bei Darlehen schaffen wird und damit Ihre Initiative überflüssig wird? Für Verbraucher gibt es das ja schon.Das Moratoriumsgesetz bezieht sich ausdrücklich auf Verbraucher und “grundsätzlich” auch auf Kleinstunternehmen. Damit stellt sich die Frage, ob “grundsätzlich” heißt, dass es auch auf größere Unternehmen ausgeweitet werden kann. Wir haben aber im Moment keinen Hinweis darauf, dass das bevorsteht. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass eine Verlängerung des gesetzlichen Moratoriums für Verbraucherkredite nach Artikel 240 EGBGB über den 30. Juni 2020 hinaus angedacht ist. Entscheidend dürfte sicherlich sein, wie sich nach der Lockerung die Situation an den Märkten entwickeln wird. Wäre denn bei einer Erstreckung des gesetzlichen Moratoriums auch auf Unternehmen Ihr Moratorium überflüssig?Nein. Beim gesetzlichen Moratorium ist es ja weiterhin unklar, ob es eine Zinsfreiheit während der Stundungszeit vorsieht – dies würde übrigens auf einhelligen Widerstand der gesamten deutschen Kreditwirtschaft stoßen. Unser Moratorium bezieht sich ausdrücklich nur auf die Tilgungen. Eine Zinsstundung ist von vornherein ausgeschlossen. Können Sie schon absehen, wie viele Ihrer Mitglieder der Initiative beitreten werden?Das ist eine ganz individuelle Entscheidung jedes Mitglieds. Institute können ihren Kunden auch ohne ein solches Moratorium zur Seite stehen, und viele gehen ja auch diesen Weg. Wir als Verband stellen nur die Plattform zur Verfügung und versuchen sicherzustellen, dass eine Mindestzahl von Instituten dem Moratorium beitritt, damit es fliegt. Die Institute können auch später beitreten, wenn es bei ihnen akut wird im Sinne einer größeren Zahl von Stundungen. Es ist ganz schwierig zu sagen, wie viele Institute beitreten werden. Eine Zahl zu nennen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt pure Spekulation. Haben Sie Hinweise Ihrer Mitglieder, in welchem Umfang deren Kunden das Moratorium in Anspruch nehmen werden?Es gibt anekdotische Hinweise. Gegenwärtig ist im gewerblichen Bereich das Interesse an Stundungen noch sehr überschaubar. Das kann daran liegen, dass der Immobilienmarkt ein nachlaufender Markt ist. Oder es stellt sich am Ende heraus, dass die Situation doch besser ist als zunächst angenommen. Auch in der privaten Immobilienfinanzierung, die allerdings nicht Teil unseres Moratoriums ist, scheinen die Volumina der gestundeten Beträge noch einigermaßen überschaubar zu sein, auch wenn die Anzahl dort naturgemäß wohl etwas größer sein soll. Wenn ein Kunde die Stundung vereinbart: Hat das Auswirkungen auf seine Bonitätseinstufung oder die Kundenbeziehung allgemein?Nein, nicht automatisch. Die Auswirkung des Moratoriums ist nur, dass der Kunde pandemiebedingt zeitlich begrenzt Tilgungen stunden kann. Damit erhöht sich die Restschuld, ohne dass die Laufzeit verlängert wird. Aber natürlich müssen die Institute im Blick behalten, wie sich die Bonität ihrer Kreditnehmer nach der Stundung darstellt. Das verlangen nicht nur die aufsichtlichen Regelungen, sondern es wird auch benötigt, um die Qualität des Kreditbestands beurteilen zu können. Ihr Moratorium sieht eine Stundung nur der Tilgung vor. Im privaten Bereich wird zusätzlich der Zins gestundet. Warum ist das bei Ihnen nicht auch so?Weil der Zins für die Bank das Entgelt für die Gewährung des Darlehens ist. Aus dem Zinsertrag muss das Institut seine eigenen Kosten bezahlen. Deshalb hat die Deutsche Kreditwirtschaft, also die weiteren Bankenverbände und wir, ja das gesetzliche Moratorium kritisiert. Zum zeitlichen Ablauf Ihrer Initiative: Wann wird das Moratorium Ihren Mitgliedsinstituten unterbreitet?Das ist in der ersten Maiwoche schon passiert. Wir haben es Ende April fertiggestellt, die BaFin hat es auf seine Vereinbarkeit mit den EBA-Bedingungen geprüft und dann gegenüber der EBA notifiziert. Wir haben es dann den Mitgliedsinstituten übersandt. Sie müssen jetzt entscheiden, ob sie unserem Moratorium beitreten wollen. Im positiven Fall haben sie dann die Aufsicht bis zum 30. Juni entsprechend zu informieren. Wie weiß der Kunde, dass seine Bank sich dem Moratorium unterworfen hat?Zum einen machen wir als Verband das geeignet bekannt, beispielsweise über unsere Website. Zum anderen informiert das Institut seine betroffenen Kundengruppen über seinen Beitritt zum Moratorium. Das Interview führte Thomas List.