Fintech Germany Award

„Move von der Old zur New Economy“

Die Fintech-Szene wird erwachsen, lautet ein Resümee des Fintech Germany Award in Stuttgart. Börsenchef Michael Völter hofft, dass einige Vorhaben auch in Börsengänge münden.

„Move von der Old zur New Economy“

Von Thomas Spengler, Stuttgart

Fintechs sind so etwas wie die Revolutionäre des Marktes, die Banking neu denken und damit so manchen etablierten Spieler unter Druck setzen mögen. In diesem Jahr versammelte sich die Anführer der Revolutionäre am Mittwochabend zur Verleihung der Fintech Germany Awards (FTGA) in Stuttgart, „Deutschlands Finanzplatz Nummer zwei“, wie es Stuttgarts Börsenchef und Co-Gastgeber Michael Völter nannte.

Der 58-Jährige ergriff die Gelegenheit gleich beim Schopfe und warb unter den anwesenden Start-ups für ein IPO an der Börse Stuttgart. Man warte immer noch auf den ersten Börsengang eines Fintechs an der Schwabenbörse, sagte er. „Also überlegt Euch, wie Ihr Euer Eigenkapital beschaffen wollt“, rief er den rund 200 Gästen zu. Es müsse schließlich nicht immer Private Equity sein, sagte Völter in Anlehnung an einen Romantitel von Johannes Mario Simmel („Es muss nicht immer Kaviar sein“). Tatsächlich gehöre die Verleihung des FTGA nicht immer nur nach Frankfurt, sagte ausgerechnet Hubertus Väth, Geschäftsführer von Frankfurt Main Finance, sondern eben auch in andere Metropolen in Deutschland. Man war schließlich unter Freunden und nach den Schockwellen der Pandemie bejubelten die Fintechs beim Wiedersehen in Stuttgart gerne sich selbst.

Alljährlich folgt die Szene dem Ruf von Frankfurt Main Finance, Techfluence UK und WM Gruppe, die auch die Börsen-Zeitung herausgibt, wenn die führende Auszeichnung für Fintechs in Deutschland verliehen wird. Am Mittwoch galt es laut Väth, vor allem „den Mut und die Leidenschaft der Fintechs zu feiern“, mit denen sie die 24-köpfige Jury der FTGA überzeugen konnten. Aus insgesamt 180 Bewerbern war mit Hilfe eines Punktesystems eine Shortlist mit 44 Jungfirmen herausgefiltert worden, die in den jeweiligen Kategorien auf den vorderen Plätzen gelandet sind. Ausgezeichnet wurden die Gewinner in den fünf Kategorien „Seed Stage“, „Early Stage“, „Later Stage“, „Growth Stage“ sowie „Foreign Entrant into the German Market“. Hinzu kamen die drei Sonderpreise „Investment Technologies“, „Sustainable Finance“ und „Insurtech“.

Endlich erwachsen

Ohnehin sorgen Fintechs nicht nur für Veränderung bei den Etablierten. Auch die Newcomer selbst mutieren zu einer Art eigenen Industrie, wie Kristina Walcker-Mayer, CEO von Nuri, ehemals Bitwala, überzeugt ist. „Unsere Industrie wird erwachsen“, sagte sie. Nuri, was für „New Reality Banking“ steht, schaffte es in der Rubrik „Later Stage“ auf Platz eins. Das Berliner Fintech stellt eine App zur Verfügung, mit der sowohl Sparpläne erstellt als auch in Kryptowährungen investiert werden kann. Indessen reüssierte in der Kategorie „Seed Stage“ das Kölner Fintech Cash On Ledger, das den Euro mittels Blockchain-Technologie programmierbar macht und dadurch neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Wie Gründer Serkan Katilmis betonte, sei man stolz, dass das Start-up immer noch selbstfinanziert sei. „Ohnehin sind wir bei der Auswahl von Investoren ziemlich wählerisch.“

Auf dem ersten Platz der Rubrik „Early Stage“ landete das Frankfurter Softwareunternehmen Cashlink, das Lösungen für die Tokenisierung anbietet und damit einen Zugang zum Blockchain-basierten Kapitalmarkt. „Der Move von der Old zur New Economy“, wie CEO und Co-Gründer Michael Duttlinger sagte.

Deutsches Einhorn

Die seltene Art eines deutschen Einhorns, also eines Start-ups mit Milliardenwert, verkörpert das Berliner Fintech Mambu, nachdem es bei seiner jüngsten Finanzierungsrunde mit 1,7 Mrd. Euro bewertet wurde. Unter anderem stellt der Software-Anbieter das cloudbasierte Kernbanksystem seiner Kunden bereit. „Wir hätten gerne noch mehr Banken auf unserer Plattform“, umwarb Anton Langbroek, General Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz, die Fintech-Vertreter.

In der Rubrik „Foreign Entrant“ machte das Schweizer Fintech FQXdas Rennen. Die in Zürich ansässige Jungfirma, die im Juni in einer Finanzierungsrunde 4,7 Mill. Euro neue Mittel heben konnte, hat eine auf der Blockchain-Technik basierte Lösung für die Handelsfinanzierung im B2B-Bereich durch sogenannte E-Notes, ehemals papierbasierte „Promissory Notes“ entwickelt.

Als stillen Gewinner der Pandemie und auch der Flutkatastrophe bezeichnete sich Marco Adelt, COO und Co-Gründer der Berliner Versicherungsplattform Clark, die die Zahl ihrer Kunden innerhalb eines Jahres auf 400000 erhöhen konnte. „Jeder hasst Versicherungen, aber jeder braucht sie“, sagte er. Kein Wunder, dass Clark den Sonderpreis für „Insurtechs“ abräumte, nachdem das Start-up die Zahl seiner Versicherungspartner auf 160 erhöht hat.

Jede Menge Hindernisse musste auch das Blockchain-Unternehmen Tangany überwinden, bevor es in die Erfolgsspur fand. Das Münchner Fintech, das Verwahrlösungen zum Erstellen und Verwalten privater Schlüssel anbietet, schaffte es in der Rubrik „Investment Technology“ auf Platz eins. Erstmals vergeben wurde in diesem Jahr ein Preis für „Sustainable Finance“, den das Berliner Start-up Remaginegewinnen konnte. „Geld ist weder gut noch schlecht“, sagte Co-Gründer Sebastian Dienst. Aber oft diene es der Ausbeutung der Natur. Die Rolle von Geschäftsmodellen und Kapital im Sinne von Nachhaltigkeit und einer besseren Welt neu zu denken, dafür sei Remagine angetreten.

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