NOTIERT IN LONDON

Müder Wettbewerb im Bankenmarkt

Stellen Sie sich vor, es ist Hauptversammlung und der Chef der Firma geht nicht hin. Das gibt's nicht, denken Sie? Doch, bei britischen Kreditgenossen schon. Die von Mitgliedern getragene Co-operative Group, ein Unternehmenskonglomerat mit Erlösen...

Müder Wettbewerb im Bankenmarkt

Stellen Sie sich vor, es ist Hauptversammlung und der Chef der Firma geht nicht hin. Das gibt’s nicht, denken Sie? Doch, bei britischen Kreditgenossen schon. Die von Mitgliedern getragene Co-operative Group, ein Unternehmenskonglomerat mit Erlösen von 13,5 Mrd. Pfund im vergangenen Jahr, bietet derzeit beste Unterhaltung.Den Stoff dafür liefert das Bankgeschäft, das die Gruppe neben anderen Dingen wie Lebensmittelhandel, Apotheken, Reisebüros, Rechtsberatung und Beerdigungsinstituten betreibt. Was einem Teil der vier dominierenden, gewinnorientierten Großbanken auf der Insel, von denen sie sich doch recht gern abgrenzt, vor rund fünf Jahren widerfuhr, erlebt die Co-op Bank nun auch: Sie steht “am Rande des Abgrunds”, wie der “Economist” titelte. Das für die Co-op-Gruppe nicht unwichtige Institut hat offenbar ein Kapitalproblem – und der Chef hielt es vor seinem Wechsel in den Ruhestand nicht mehr für notwendig, darüber beim Jahrestreffen zu sprechen. In der “Financial Times” war zu lesen, die Gruppe habe das Fernbleiben damit erklärt, dass sich ihre Mitglieder bei der Versammlung mit der Zukunft und nicht mit der Vergangenheit beschäftigen sollten. Bei nicht börsennotierten Unternehmen geht es eben ein wenig anders zu. Dass Jahresversammlungen für die Presse geschlossen bleiben und Abstimmungsergebnisse nicht sofort publiziert werden, kommt nicht nur auf der Insel vor. Bei der britischen Co-op Bank jedoch würde man sich gerade jetzt gute Krisenkommunikation wünschen: Ob die Kapitallücke am 28. Mai wohl in dem Video genannt wird, das angeblich auf die Internetseite gestellt wird? *Nun sollen Mitglieder der Co-op-Gruppe, die der Versammlung beiwohnten, sehr beeindruckt gewesen sein vom Auftritt des neuen Vorstandschefs, eines früheren Managers des größten europäischen Baumarktkettenbetreibers Kingfisher. Dieser habe Sorgen wegen der Kapitalausstattung der Bank zerstreuen können. Wirklich? Dann erscheint es aber erst recht sonderbar, warum die Informationen bislang nicht bekannt wurden.Angeblich soll die Gruppe ja auch prüfen, ob sie etwas von der letzten Millionenvergütung an den Ex-Chef des 2009 übernommenen Baufinanzierers Britannia zurückerhalten kann. Das dürfte schon deshalb schwierig sein, weil nach dem Platzen der Immobilienblase mit Northern Rock und HBOS zwei große Spieler auf dem britischen Hypothekenmarkt fast kollabiert waren, ehe sich die Co-op-Gruppe die Nummer 2 aus dem Lager der Building Societies angelte. Damals handelte sie sich jene toxischen Kredite ein, die heute mit hohen Verlustrisiken behaftet sind und die Kapitalposition der Bank belasten. Die Risiken der Akquisition seien unterschätzt worden, urteilte Moody’s gerade anlässlich der Kürzung des Co-op-Bank-Ratings um sechs Stufen. Der Bankchef nahm anderntags den Hut – bekannt ist bislang nicht, dass ihn die britische Bankenaufsicht dazu gedrängt hätte. *Relativiert werden sollte an dieser Stelle, dass es sich bei der Co-op Bank um einen kleinen Fisch handelt, dessen Verschwinden das Finanzsystem keineswegs aus den Angeln heben und auch die Realwirtschaft nicht schwächen würde. Doch erzählt der Fall dieser Bank, die 2012 wesentlich zu einem Jahresverlust der Co-op-Gruppe von 599 Mill. Pfund beitrug, viel über den Zustand des britischen Bankensystems. Das auch von der Politik gepriesene alternative Geschäftsmodell der “Mutuals” taugt nicht als Vorbild. Auch genossenschaftsähnliche Institute können sich gefährlich hohe Verluste einhandeln, wenn sie allzu hastig wachsen.Für die Sorgen um die Co-op Bank sind aber nicht die Eigentümerstruktur und der fehlende Zugang zum Kapitalmarkt verantwortlich zu machen. Das Problem sind vielmehr der mangelnde Wettbewerb im britischen Bankenmarkt mit kaum wechselwilligen Kunden sowie eine ungenügende Governance mit laxen Kontrollen durch die Co-op-Eigentümer. Als Hoffnungsträger der Regierung fällt die Gruppe nach der gescheiterten Verdreifachung ihrer Bankstandorte durch Übernahme von 632 Filialen der teilverstaatlichten Lloyds-Bank aus.