Multinationals wird angst und bange
International tätige Großkonzerne sorgen sich angesichts der zunehmenden Regulierung im Bankensektor um die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Bankdienstleistungen. Das berichtet John Owen, Chef des International Banking bei der Royal Bank of Scotland, im Interview der Börsen-Zeitung. Selbst Bedenken bezüglich einer “eher subtilen Art von Protektionismus” in der Finanzindustrie macht Owen aus, dessen Einheit weltweit rund 1500 Multinationals und ebenso viele Banken als Kunden zählt. – Herr Owen, in Großbritannien konzentriert sich die Royal Bank of Scotland (RBS) stark auf das Retailgeschäft sowie das Geschäft mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Wie passt das mit dem International Banking zusammen, das Sie verantworten?Beginnen wir vielleicht mit der etwas grundsätzlicheren Frage, warum die RBS überhaupt ein International Banking Geschäft betreibt? Wissen Sie, die Wirtschaft in Großbritannien ist – auch historisch betrachtet – international sehr verflochten. Rund drei Viertel dessen, was die Unternehmen im wichtigsten britischen Aktienindex, dem FTSE 100, erwirtschaften, stammt aus dem Geschäft außerhalb des Vereinigten Königreichs. Aufgabe der führenden Banken in diesem Land ist es, die Unternehmen bei ihrer internationalen Ausrichtung zu unterstützen.- Wie definieren Sie Ihre Rolle?Unsere Aufgabe im International Banking sehen wir darin, großen, weltweit aktiven Unternehmen Finanzierung und Risikomanagement anzubieten sowie im Handel und Zahlungsverkehr zu unterstützen. Wenn man als Bank schon in fremden Ländern unterwegs ist, ist es in der Folge ganz natürlich, dass man versucht, auch mit den dort ansässigen Unternehmen ins Geschäft zu kommen. Insgesamt steht das International Banking nur für rund 10 % des Gesamtgeschäfts der RBS und ist damit im Einklang mit dem von Ihnen beschriebenen Fokus.- Anfang 2012 hat sich die RBS dazu entschieden, aus dem M & A- und dem Equities-Geschäft auszusteigen. Jetzt zieht der Markt wieder an. Bereuen Sie diesen Entschluss?Wissen Sie, eines der guten Dinge mit Blick auf Krisen ist, dass man gezwungen wird, genau darüber nachzudenken, was wichtig ist und was man wirklich gut kann. RBS hat eine über viele Jahre gewachsene Stärke rund um Finanzierung und Risikomanagement sowie im Transaction Banking. Bei Mergers & Acquisitions (M & A) und im Aktiengeschäft haben wir das nicht. Doch wer global in diesem Geschäft nicht zur absoluten Spitze gehört, der verdient kein Geld damit und schafft auch für die eigenen Aktionäre keinen Mehrwert. Ich bedaure keine Sekunde, dass wir bestimmte Sachen nicht mehr anbieten. Vielmehr schätze ich es, dass wir all unsere Energie nun auf die Bereiche richten können, wo wir First Class sind.- Sind denn Dienstleistungen wie die M & A-Beratung nicht Teil eines Pakets, das Unternehmen als Kunden heute von Banken wie der Ihren erwarten?Die Unternehmen sind heute sehr clever und picken sich für bestimmte Bereiche jeweils den besten Anbieter heraus. Vielleicht gibt es ein paar, die aus Bequemlichkeit oder mit Rücksicht auf die Steuerung der Gesamtbeziehung eine Bank wählen, die das komplette Angebot abbildet. Doch unsere Einschätzung war – und das hat sich inzwischen auch so bestätigt – dass man als hoch spezialisiertes Haus sehr viel schneller Fortschritte realisieren kann.- Im International Banking fokussiert sich RBS auf große Firmenkunden. Welchen Umsatz muss man als Unternehmen vorweisen, um mit Ihnen ins Geschäft zu kommen?Wir haben keine Umsatzgrenze oder ähnliches. Vielmehr geht es uns um die Frage, wo wir Mehrwert für ein Unternehmen generieren können. Wir sind in 38 Ländern auf der Welt aktiv und daher besonders für jene Unternehmen attraktiv, die weltweit operieren. Es gibt auch relativ kleine Gesellschaften, die aber eine riesige weltweite Präsenz haben. Weltweit haben wir in diesem Segment rund 1 500 Unternehmen und etwa die gleiche Anzahl von Banken als unsere wichtigsten Kunden. In Deutschland haben wir ungefähr 150 Geschäftsbeziehungen, um die wir uns kümmern.- Welchen Marktanteil haben Sie mit Blick auf die Kundenbeziehung zu Multinationals?Das hängt davon ab, welche Basis man nimmt. Wenn Sie sich etwa den Anleihemarkt anschauen, dann waren wir in Deutschland im letzten Jahr bei den Investment-Grade- Bonds die zweitgrößte Bank. In Europa waren wir an erster oder zweiter Stelle, je nachdem auf welches Ranking Sie sich beziehen. Mit Blick auf das Network- und Corporate Banking weltweit gibt es nur sechs Banken, die ein Netzwerk unserer Größe haben. Betrachtet man die Kreditvergabe sind wir wohl unter den Top 5 europaweit.- Die Multinationals will jede Großbank gerne als Kunden. Wie differenzieren Sie sich von den Wettbewerbern?Ich denke, unser größter Vorteil ist das schon erwähnte globale Netzwerk. Wenn sie etwa Geschäftsunterstützung wollen, die in Indonesien oder der Türkei genauso läuft wie in Kanada, da gibt es nicht viele Banken, die Ihnen das bieten können. Zudem sind wir schon sehr lange im Geschäft und inzwischen mit vielen großen Unternehmen durch dick und dünn gegangen. Drittens haben wir Fokus. Im Gegensatz zu anderen Banken, die unheimlich viel anbieten, haben wir uns entschieden. Im Grunde ist es ganz einfach: Wir stellen Geld bereit, sei es über den Kapitalmarkt oder aus unseren Büchern, wir sichern es ab, etwa gegen Währungsrisiken, und wir transferieren es als Teil unserer Cash Management Services.- Seit 2009 befindet sich die RBS in einem fortwährenden Schrumpfungsprozess. Inwieweit ist das International Banking davon betroffen? Unsere Fokussierung auf die drei Kernbereiche und den 38 Ländern, in denen wir aktiv sind, hatte ich bereits erwähnt. Sicher, wir haben uns aus einigen Ländern, etwa Mexiko oder Rumänien zurückgezogen, aber dieser Prozess ist abgeschlossen. So wie wir jetzt aufgestellt sind, decken wir 80 % der Handelsströme unserer 1 500 Kunden ab. Wir sind damit genau dort, wo wir sein sollen. Und daran wird sich auch so schnell in größeren Dimensionen nichts ändern. Im Gegenteil: Wir wollen hier eher etwas mehr Kapital einsetzen, um unsere Kunden beim Wachstum zu begleiten.- Sie stehen in ständigem Austausch mit weltweit tätigen Konzernen. Welche Themen – mit Blick auf die Finanzierung – treibt diese Klientel derzeit besonders um?Ich würde sagen, wir registrieren eine ganze Reihe verschiedener Bedenken. Zum einen machen sich die Unternehmen ganz generell natürlich Gedanken über die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Finanzierungen. Sie registrieren, dass eine ganze Reihe unserer Wettbewerber dabei ist, die Strategie zu überarbeiten und dass die Branche zudem ein ganzes Bündel an neuen regulatorischen Vorgaben schultern muss. Diese bringen ja auch Kosten – im Sinne von Kapitalhinterlegungen – mit sich. Zudem bemerken die Multinationals eher subtil eine Art von Protektionismus. Banken, die in ihren Heimatländern direkt oder indirekt unterstützt werden, werden auch dazu angehalten, ihre Bilanz zum Wohle der Unternehmen in diesen Ländern einzusetzen.- Sehen Sie solchen Druck auch bei der RBS. Wird Ihnen gegebenenfalls aufgezwungen, das International Banking noch weiter zu verkleinern?Wenn eine Bank zu 82 % dem Staat gehört, dann ist es unvermeidlich, dass sie auch Teil der politischen Diskussion ist. Wie ich bereits dargelegt habe, macht das International Banking bei der RBS nur 10 % des Geschäfts aus. Und dazu zählt auch unsere Arbeit für die im FTSE gelisteten großen britischen Unternehmen. Der Umfang des Geschäfts, das keinen Bezug zu unserem Heimatland hat, ist für uns und unsere Kunden sehr wichtig, aber es fällt in seiner Größenordnung vergleichsweise wenig ins Gewicht.- Welche Folgen haben die zunehmenden Bedenken der Unternehmen mit Blick auf die Bankenbranche?Corporate Treasurer, die die Entwicklungen eng verfolgen, werden nervös. Sie fragen sich etwa, ob ihre Banken auch künftig noch für sie da sein werden. Die Konsequenz wird sein, dass viel mehr Unternehmen als bisher den Kapitalmarkt anzapfen werden. Und zwar in einer bisher unbekannten Dimension. In den USA stammt rund 75 % der Unternehmensfinanzierung aus dem Kapitalmarkt. In Europa ist es genau andersherum, 75 % kommt von den Banken. Das muss und wird sich ändern. Auch weil sich die Banken es nicht mehr leisten können, so viel zu finanzieren wie früher.- Welche Form von Kapitalmarktfinanzierung wird künftig besonders gefragt sein?Es wird weiterhin eine Mischung sein zwischen Bondmarkt, Private Placements und Commercial Papers. Das sehen Sie bereits an den Leistungen, die wir zuletzt erbracht haben. So haben wir etwa bei einem großen deutschen Versorger die Finanzierung einer US-Zweckgesellschaft per Private Placement arrangiert. Aber auch bei ganz normalen Bonds und Commercial Papers sind wir dabei, zuletzt denke ich da etwa an die Anleihen von VW und Daimler. Generell stelle ich fest, dass immer mehr Finanzchefs (CFOs) die Entwicklung erkennen und sich etwa fragen: Brauchen wir ein Rating? Wie können wir unsere Abhängigkeit von Banken reduzieren?- Bemerken Sie Unterschiede zwischen Ihren Kunden aus Deutschland und denen aus anderen Ländern?Deutsche Unternehmen sind etwa im Vergleich zu unseren Kunden in Großbritannien etwas optimistischer eingestellt. Auch wenn ich es als vorsichtig optimistisch bezeichnen würde. Das hängt sicher auch mit der politischen Entwicklung rund um den Euro zusammen. Inzwischen ist klar, dass uns der Euro nicht um die Ohren fliegen wird. Schauen Sie sich doch allein die großen politischen Anstrengungen an, die unternommen werden, um das Projekt zu retten. Natürlich gibt es weiterhin ein gewisses Auf und Ab. Doch dadurch, dass das unbegrenzte Abwärtsrisiko genommen wurde, wird inzwischen wieder ganz anders geplant. Die Manager fangen an, sich nun wieder viel mehr Gedanken zu machen über Wachstum, Zukäufe und Investments- .Kommen wir zurück zu Ihrer Bank. In Großbritannien gibt es Pläne, das Retail Banking organisatorisch von anderen Geschäftsbereichen zu trennen und damit zu schützen. Das Stichwort heißt Ringfencing. Wie wird dies das International Banking bei der RBS betreffen?Leider sind die Details zu den Regelungen, die 2019 in Kraft treten sollen, noch nicht in vollem Umfang bekannt. Somit stehen auch die Auswirkungen auf das International Banking als Ganzes noch nicht fest.- Warum ist es so wichtig, wie Ihr Geschäft eingeordnet wird?Im Prinzip gilt: Je mehr Geschäft außerhalb des Zauns angesiedelt ist, desto teurer wird die Sache für uns. Per Definition kann man davon ausgehen, dass innerhalb des Zauns das weniger riskante Geschäft sitzt.- Im Februar wurde die RBS wegen der Beteiligung an der Manipulation des Interbankensatzes Libor zu einer hohen Millionenstrafe verdonnert. Hat das Ihr Geschäft mit Multinationals beeinträchtigt?Wir sind unter den Instituten, die als erstes Strafen zahlen mussten. Und sicher ist das keine Sache, auf die man stolz sein kann. Das Verhalten, das wir im Fall Libor gesehen haben, war ganz und gar inakzeptabel und hat in unserem Geschäft und unserer Kultur nichts verloren. Ich sehe aber nicht, dass unsere Kunden uns anders behandeln als andere Banken, die auch bei dem Thema involviert sind.- Die RBS gehört zu 82 % dem britischen Staat. Die Reprivatisierung ist geplant. Wann wird das angepackt?Im Grunde ist es die Regierung in Großbritannien, die darüber befinden muss, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Unsere Arbeit ist es, die Bank so attraktiv wie möglich für einen Investor zu machen. Dieses Jahr ist, so hoffen wir zumindest, das letzte Jahr, in dem wir noch deutlich für unsere Fehler aus der Vergangenheit bezahlen müssen. Bis zum Jahresende sind dann auch hoffentlich weitere Themen vom Tisch wie Libor und die beanstandete Restschuldversicherungen für Privatkunden. Damit wären wir aus dem Gröbsten raus und auch wieder interessanter für Investoren. – Angeblich gibt es in Großbritannien auch Gedankenspiele, die RBS komplett zu übernehmen, um damit die Kreditversorgung für Unternehmen zu sichern. Ist das ein realistisches Szenario?Auch das ist wiederum eine Frage, die Sie besser an die Regierung selbst richten.—-Das Interview führte Julia Roebke.