Nach der Geldflut

Die von den Notenbanken betriebene Flutung der Märkte mit billigem Geld ebbt ab - Für Investoren bedeutet dies neue Herausforderungen

Nach der Geldflut

Seit der Finanzkrise haben die Notenbanken weltweit Billionen in das Finanzsystem gepumpt. Als die große Geldflut wird diese Phase in die Geschichtsbücher eingehen. Mit etwas Fantasie mögen sich dramatisch veranlagten Beobachtern Parallelen zur großen Sintflut aufdrängen. In den mythologischen Erzählungen verschiedener antiker Kulturen wird diese als eine göttlich veranlasste Katastrophe beschrieben, welche die Bestrafung der Menschheit zum Ziel hatte. In Wahrheit ist es mit der Geldflut nicht ganz so dramatisch. Erstens geht die Flutung der Märkte mit billigem Geld nicht auf eine höhere Macht, sondern auf die Notenbanken zurück. Zweitens war deren Politik zumindest eine Zeit lang durchaus sinnvoll, um Schlimmeres zu verhindern. Und drittens konnten Investoren in den vergangenen Jahren sowohl mit Rentenpapieren als auch Aktien ordentliche Kursgewinne erzielen. Nun aber hat es den Anschein, als wäre die Zeit hoher Pegelstände vorbei. Die Geldflut hat ihren Scheitelpunkt überschritten und dürfte zurückgehen. Nicht auf einen Schlag, sondern langsam und hoffentlich durch die Notenbanken klug gesteuert. In jedem Fall aber werden sich Investoren auf ein neues Regime an den Märkten einstellen müssen. Auf dem Weg zur NormalitätBirgt der Weg zurück zur Normalität neue Gefahren für die Rentenportfolios? Werden risikoreichere Assetklassen unter Druck geraten, und wenn ja, in welchem Ausmaß? Und was macht die Inflation? Diese und ähnliche Fragen lassen sich nicht eindeutig beantworten. Und dieser Umstand führt zunächst vor allem zu einem: der Persistenz der Unsicherheit. Investoren bleibt also auch in diesem Jahr nichts anderes übrig, als auf Sicht zu fahren. Sie werden sich mithin ein gutes Stück weit taktisch ausrichten müssen. Aktives, auf solidem Research beruhendes Management hilft, diese Aufgabe zu bewältigen. Darüber hinaus gilt es, weiterhin nach Möglichkeit ein breitgefächertes Anlagespektrum zu nutzen. Auch nicht traditionelle, alternative Strategien können in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit sein, die notwendigen Renditequellen zu erschließen. Viele Investoren sind bei der Neuausrichtung ihrer Portfolios bereits gut vorangekommen. Das Niedrigzinsumfeld hat sie zwangsläufig dazu gebracht, die Risikoleiter Sprosse um Sprosse weiter nach oben zu steigen. Die Rückkehr zur Normalität in der Geldpolitik bedeutet jedoch keinesfalls ein “back to normal” in der Vermögensallokation. Denn der behutsame und zudem nicht gleichzeitig verlaufende Wandel der Notenbankpolitiken führt nicht dazu, dass das Niedrigrenditeumfeld zeitnah abgelöst wird. Die Bondrenditen werden zwar strukturell, aber eben nur leicht anziehen. Die Zinserträge bleiben damit auf Sicht zu niedrig, um die Renditeanforderungen vieler Investoren zu erfüllen. Ein Anknüpfen an alte Portfoliostrukturen kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. EU dringt auf Nachhaltigkeit Dies gilt im Übrigen auch mit Blick auf einen Aspekt, der mit der Geldpolitik nichts zu tun hat: die an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit ausgerichtete Kapitalanlage. Auch auf diesem Feld hat der durch die Politik verstärkte Veränderungsdruck zuletzt deutlich zugenommen, vor allem aus Brüssel. Dort verabschiedete die EU-Kommission unlängst den “Action Plan on Sustainable Finance”. Dieser Aktionsplan verfolgt ein klares Ziel: Kapital soll in nachhaltige Investments geleitet, Nachhaltigkeit stärker ins Risikomanagement eingebunden und die Transparenz grüner Investments erhöht werden. Zu diesem Zweck will die EU-Kommission institutionelle Investoren über Verpflichtungen dazu bringen, ESG-Kriterien stärker zu beachten und über ihre entsprechenden Aktivitäten zu berichten. Wie die entsprechende Regulierung künftig konkret aussieht, wird sich in den kommenden Monaten entscheiden. Fest steht jedoch, dass Brüssel die Ebene der Appelle verlassen hat und sich auf dem Weg hin zu einer handfesten grünen Regulierung befindet.Doch zurück zur Frage, welche Handlungsmöglichkeiten sich Investoren im Rahmen einer breiten Diversifikation bieten. Natürlich hängt die Beantwortung stark von spezifischen internen wie externen Anlagerestriktionen der unterschiedlichen Anlegergruppen ab. Dennoch erscheint es ratsam, zunächst alle Optionen in Betracht zu ziehen und die Prüfung ohne Scheuklappen vorzunehmen. Dies gilt vor allem für solche Strategien, deren Image im Zuge der Finanzkrise mitunter gelitten hat. Kreditverbriefungen etwa zählen dazu. Inzwischen aber schauen viele Investoren wieder entspannter auf diese Assetklasse. Die Nachfrage nach Collateralized Loan Obligations (CLOs) steigt. Und das aus gutem Grund. Denn im Vergleich zu Direktinvestments in Unternehmenskredite über Fonds bieten CLOs nicht nur eine höhere Diversifikation und Liquidität. Auch im Hinblick auf Performance- und Risikokennziffern sind Verbriefungen klar im Vorteil.Der Markt für CLOs ist ausreichend groß. 470 Mrd. Euro und damit mehr als die Hälfte aller ausstehenden US-Loans sind gegenwärtig in CLOs verbrieft. In Europa sind es rund 40 %. Entsprechende Portfolios bestehen in der Regel aus 100 bis 250 erstrangig besicherten Krediten. Jede Schuldverschreibung ist dabei in Tranchen unterschiedlicher Ränge und damit in unterschiedliche Ratings unterteilt. Und das bietet gleich mehrere Vorteile. Mit der sogenannten Erstverlust-Tranche (Equity-Tranche) verfügen CLOs über einen strukturellen Puffer, mit dessen Hilfe eine bestimmte Menge an Verlusten absorbiert werden kann. Somit können mehrere Loans im Portfolio ausfallen, ohne dass es sofort zu Verlusten auf den übergeordneten Tranchen oder der Gesamtebene des CLO kommt. Nicht zuletzt aufgrund dieses Mechanismus wurden in den vergangenen 20 Jahren in Summe lediglich 0,7 % aller gerateten CLO-Tranchen nicht bedient. Auch die Liquidität spricht klar für Kreditverbriefungen. In der Regel können diese täglich gehandelt werden und gewährleisten so eine schnelle Verfügbarkeit des angelegten Kapitals. Gleichzeitig sorgen öffentlich zugängliche Ratings für eine erhöhte Transparenz. Derivate gehören dazuAuch gegenüber dem Einsatz von Derivaten gibt es bei manchen Investoren immer noch Vorbehalte. So verzichten 40 % der institutionellen Anleger in Deutschland heute auf sie. Damit ist deren Strategiediversifikation im Portfolio jedoch erheblich eingeschränkt. Denn um die nötigen Erträge zu erwirtschaften, benötigen Investoren heute alternative Anlagestrategien. Viele dieser Ansätze nutzen bei der Umsetzung allerdings Derivate wie etwa Optionen, Futures oder Swaps – so zum Beispiel Volatilitätsstrategien.Realisiert werden diese mit Hilfe von Optionen. Gehen Anleger von fallenden Kursen an den Aktienmärkten aus, so kaufen sie Put-Optionen als Versicherung. Fällt der Markt zurück, zahlt der Verkäufer der Put-Option nach vorher festgelegten Kriterien und sorgt damit für einen gewissen Ausgleich des Wertverlustes im Portfolio. Der Verkäufer der Put-Option behält dagegen die Prämie und kann sie als Ertrag verbuchen, unabhängig von der Ausübung der Option. Volatilitätsprämien nutzen dabei die strukturelle Überbewertung von Optionen als Renditequelle. Sie profitieren von der Differenz zwischen impliziter und realisierter Volatilität an den Märkten. Während die implizite Volatilität anhand von Optionspreisen die von den Marktteilnehmern erwartete Schwankungsintensität widerspiegelt, gibt die realisierte Volatilität Auskunft über die tatsächlich beobachteten Schwankungen am Markt. In der Realität ist die realisierte Volatilität in der Regel geringer als die implizite. Vor diesem Hintergrund können Volatilitätsrisikoprämien vereinnahmt werden, die höher sind als ihr fundamental gerechtfertigter Wert.Die Liste an grundsätzlichen Handlungsoptionen ist lang. Sie reicht von alternativen Strategien und strukturierten Produkten über Rohstoffe und Schwellenländer-Investments bis hin zu Multi-Asset-Konzepten, um nur einige zu nennen. In der Gesamtheit bieten sich Investoren damit vielfältige Möglichkeiten, den aktuellen Herausforderungen auf dem Wege der Diversifikation entgegenzutreten. Dabei sollten sich in der Regel auch solche finden lassen, die mit den individuellen Vorgaben der jeweiligen Anlagerichtlinien konform sind. Insgesamt gilt: Zu einer breiten, über verschiedene Anlageklassen, Märkte und Strategien gestreuten Portfolioallokation gibt es keine Alternative. Denn die “gute alte Zeit” wird mit einer zunehmenden Normalisierung der Geldpolitik und einer stärkeren Entkoppelung der Märkte von den Notenbanken nicht zurückkommen.—-Alexander Schindler Vorstandsmitglied Union Investment