Nachhaltige Anlagen bieten nachhaltige Chancen
Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde, nicht nur unter Anlegern. Anders als vor einem guten Jahrzehnt, als die Finanzkrise dem wohlgemeinten Streben nach “Rendite mit Gewissen” ein jähes Ende setzte und es für viele Firmen plötzlich ums nackte Überleben ging, handelt es sich heute nicht um ein Luxusproblem, das auch mal hintangestellt werden kann. Im Gegenteil: Heute geht es um die existenzielle Frage, welche Unternehmen den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind – und welche nicht. Weniger dramatisch ausgedrückt lautet die Überlegung, wer die Gewinner und Verlierer im unabdingbaren Kampf gegen den Klimawandel sind. Ein konkretes Beispiel: Im Oktober 2019 gab die Ratingagentur S&P Global Ratings bekannt, dass sie die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bahn von “AA-” auf “AA” hochgestuft hatte. Der Schritt kam im Zuge der Verabschiedung des Klimapakets durch das Bundeskabinett. Das Gesetzesvorhaben sieht vor, neben einer Kapitalerhöhung um 11 Mrd. Euro auch den Mehrwertsteuersatz im DB-Fernverkehr zu senken, und im Gegenzug Flugreisen stärker zu besteuern. Laut S&P war dies das erste Mal in Europa, dass die Agentur das Rating eines großen Unternehmens aufgrund von Klimamaßnahmen erhöht hatte. Das klimafreundliche Geschäftsmodell der Bahn ist bares Geld wert. Nicht immer ist der Einfluss so konkret messbar. Wir wissen jedoch, dass in wenigen Jahren Millennials weltweit drei Viertel der arbeitenden Bevölkerung ausmachen und eine entsprechende Marktmacht sowohl als Konsumenten als auch als Anleger auf die Waage bringen werden. Zahllose Studien belegen, dass gerade die jüngere Generation den Klimawandel, die Armutsbekämpfung und das Verhindern und Beenden von Kriegen und bewaffneten Konflikten als die drängendsten globalen Probleme sieht.Die Bedeutung, die dem Thema in der ETF-Branche auch hierzulande mittlerweile zukommt, lässt sich an einigen Zahlen ablesen. Weltweit sind mittlerweile über 50 Mrd. Dollar in ESG-orientierten ETFs investiert. Interessant dabei ist neben dem starken Wachstum – seit 2016 immerhin eine Verfünffachung – auch die Tatsache, dass Europa in diesem Bereich führt. Über die Hälfte der Assets sind in EU-domizilierten ESG-ETFs angelegt.An dieser Stelle lohnt ein kurzer Blick auf die nicht immer konsistent verwendeten Begriffe wie ESG, SRI oder thematisches, nachhaltiges Investieren. ESGHier handelt es sich um Anlagen, die Nachhaltigkeitsüberlegungen – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung – neben der traditionellen Finanzanalyse in den Entscheidungsfindungsprozess einfließen lassen. Viele Investmenthäuser, darunter auch Franklin Templeton, haben heutzutage eine “ESG Policy”, die öffentlich einsehbar ist und an die sich Fonds- und Portfoliomanager halten. So entstehen ESG-konforme oder Best-in-Class-Portfolien, die aus jedem Sektor die “nachhaltigsten” Unternehmen selektieren. SRIBei dieser Form von nachhaltiger Geldanlage stehen wertebasierte Ausschlüsse von kontroversen Unternehmen anhand von moralischen, ethischen oder religiösen Überlegungen im Vordergrund. Beim Indexanbieter MSCI beispielsweise wird unterschieden zwischen “null Toleranz” (z. B. geächtete Waffen), “minimaler Toleranz” (z. B. Tabak) und “niedriger Toleranz” (z. B. Glücksspiel). Anschließend können noch Best-in-Class-Selektionen vorgenommen werden. Thematisches InvestierenThematische nachhaltige Anlagen sind Investitionen mit Blick auf finanzielle Rendite, die gleichzeitig positive soziale oder klimafreundliche Entwicklungen unterstützen können. Ein Beispiel wären Green Bonds, Anleihen also, deren Mittel ein Unternehmen nur zu einem vorher definierten Zweck verwenden darf, wie zum Bau eines CO2-neutralen Gebäudes oder zur Finanzierung von Windkraftanlagen. Trotz einer Verzehnfachung der Emissionsvolumen in den vergangenen fünf Jahren machen Green Bonds nur einen Bruchteil des gesamten Anleihemarktes aus, und die 2019 neu emittierten Anleihen im Volumen von 250 Mrd. Dollar verblassen geradezu im Vergleich zu den 6 000 Mrd. Dollar, die jährlich benötigt werden, um die Zukunft klimafest zu machen. Dabei steigt die Nachfrage merklich schneller als das Angebot: Durchschnittliche Emissionen waren im Jahr 2019 dreifach überzeichnet. Auf der Aktienseite ist die Entwicklung ebenfalls rasant. Neben bereits beschlossenen regulatorischen Vorgaben, die Vermögensverwalter zum Beispiel verpflichten, bei ihren Kunden explizit den Bedarf nach nachhaltigen Anlagen abzufragen, steht die EU kurz vor der Finalisierung zweier Aktienbenchmarks, die unter anderem die Ziele des Pariser Klimaabkommens einarbeiten.Über die Regulierung und politische sowie gesellschaftliche Überlegungen hinaus gibt es einen weiteren, offensichtlichen Grund, warum nachhaltiges Anlegen längst keine Nische mehr ist – die Performance. So hat beispielsweise der SRI-Weltindex von MSCI (MSCI ACWI SRI) den nichtnachhaltigen Weltindex seit 2011 um 0,8 % pro Jahr (Stichtag 28. Februar) übertroffen. Dabei fiel auch das Risiko gemessen am Beta und der Volatilität etwas geringer aus, so dass der SRI-Index unter dem Strich eine bessere risikoadjustierte Rendite erzielte als sein Gegenüber. Allerdings gab es in diesem Zeitraum mit Ausnahme von kurzen Stressphasen in den Jahren 2015 und 2018 sowie jüngst im Zuge der Coronavirus-Epidemie kaum nennenswerte Marktrückgänge zu verzeichnen. Es lohnt also ein Blick “hinter die Kulissen”, der über die reine Performance hinaus geht. Zunächst ist festzustellen, dass der nachhaltige Index aufgrund der Ausschluss- und Best-in-Class-Verfahren natürlich weniger Titel enthalten muss als die nicht-nachhaltige Version. So sind im MSCI ACWI SRI Index 575 Titel statt 3,046 im MSCI ACWI enthalten. Das erscheint immer noch breit diversifizert. Sieht man sich allerdings die Gewichtung auf Einzelwertbasis an, erkennt man durchaus Risiken, die unter der Oberfläche schlummern. Zehn Titel – das entspricht weniger als 2 % aller Werte im Nachhaltigkeitsindex – bringen zusammen eine Gewichtung von über 25 % auf die Waage. Dieses Verhältnis ist in erster Linie ein Ergebnis der Gewichtung nach Marktkapitalisierung und nicht eine Folge des Auswahlverfahrens auf Basis nachhaltiger Aspekte. Auch beim MSCI ACWI machen die Top-10-Werte einen signifikanten Anteil der Gewichtung aus (mehr als 12 %), und die 2 % der größten Werte haben einen Indexanteil von über einem Viertel. Dies unterstreicht aus unserer Sicht die Notwendigkeit für Anleger, sich der Risiken bewusst zu sein, die in klassischen ETFs aufgrund der Indexkonstruktion inhärent vorhanden sind. Im Nachhaltigkeitsindex sticht jedoch noch ein weiterer Aspekt hervor. Der größte Einzeltitel, Microsoft, ist mit nahezu 10 % gewichtet. Der Wert hatte im Zuge der Tech-Rally der vergangenen Jahre einen guten Lauf, so dass sich diese Übergewichtung sogar eher positiv niedergeschlagen hat. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie liegt jedoch bei nahezu 28, und grundsätzlich stellt sich die Frage, ob ein längerfristig orientierter Investor, der breit diversifiziert in einem Markt anlegen möchte, solche Einzelwertwetten eingehen sollte. Insgesamt ist der Nachhaltigkeitsindex mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 20 relativ hoch bewertet, der nichtnachhaltige Index erscheint mit 18 etwas günstiger. Aus unserer Sicht sollte ein Investor besonders bei nachhaltigen Aktienanlagen über ETFs einen Fokus auf die Fundamentaldaten legen. Der von Franklin Templeton entwickelte Ansatz, der verschiedene Kennzahlen bei der Aktienauswahl in Betracht zieht, stellt solche Überlegungen in den Mittelpunkt. So weist der von Franklin Templeton konzipierte und von MSCI berechnete LibertyQ Global Equity SRI Index ein KGV von knapp unter 16 sowie eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite von über 26 % auf. Der Index beinhaltet 230 Titel, die allesamt regelgebunden aus dem MSCI ACWI SRI Index ausgewählt werden. Kein Einzelwert wird mit mehr als 1 % ursprünglicher Gewichtung aufgenommen, um die oben besprochenen Konzentrationsrisiken zu adressieren. Was ist “grün”?Anleger, die nachhaltige Kriterien auch bei Anleihen berücksichtigen wollen, stehen vor anderen Herausforderungen als Aktieninvestoren, vor allem dann, wenn sie besonders das Klima in den Vordergrund rücken möchten. Unternehmen können sich ihre Anleihe beispielsweise als “grün” zertifizieren lassen, wenn die Mittel zweck- bzw. projektgebunden für nachhaltige Unternehmungen verwendet werden. Dies ist neben finanziellen Kosten auch mit administrativem Aufwand verbunden. Die von der International Capital Market Association (ICMA) erarbeiteten Vorgaben, die Green Bond Principles, legen strenge Reporting- und Prüfpflichten zugrunde. Diese gelten allerdings nur auf Emissions- und nicht auf Emittentenebene. So könnte auch ein Unternehmen, das nach objektiven Maßstäben keinerlei nachhaltigen Kriterien Genüge tut, einen Green Bond auflegen und auch als solchen zertifizieren lassen, zum Beispiel aus Imagegründen. Umgekehrt verpassen Anleger Chancen, wenn Sie sich nur auf zertifizierte Green Bonds verlassen. Sogenannte Pure Plays, die aufgrund ihres Geschäftsmodells schon als grün gelten können, zum Beispiel Solarzellenhersteller oder Anbieter von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, lassen ihre Anleihen oftmals nicht zertifizieren. Gerade hier können sich echte Alphaopportunitäten finden lassen, wenn Anleger entsprechende Expertise aufbringen können. Schließlich müssen Investoren auch in einem stark wachsenden, aber noch relativ jungen Markt navigieren, der eine Reihe von Besonderheiten aufweist. Bei Franklin Templeton glauben wir, dass grüne Anleihen ein zentrales Mittel im Kampf gegen den Klimawandel darstellen und in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden. Der Marktzugang über rein passive Strategien hat seine Herausforderungen, zumal im Anleihebereich. Die Weiterentwicklung der ETF-Struktur in den letzten Jahren von einem rein passiven Vehikel, über Smart Beta hin zu aktiv verwalteten ETFs bietet eine Antwort für Anleger, die die bekannten Vorzüge von ETFs nutzen und dabei nicht auf die Expertise von Fondsmanagern aus Fleisch und Blut verzichten wollen. Marcus Weyerer, Senior ETF Specialist, Franklin Templeton