Nachhaltige Finanzierungen gewinnen an Bedeutung

Höhere Transparenz und erleichterter Investorenzugang zu nachhaltigen Produkten liefern wichtige Impulse für die Finanzwirtschaft

Nachhaltige Finanzierungen gewinnen an Bedeutung

Das Thema Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Trends in der Finanzwirtschaft geworden. Insbesondere mit Blick auf den Klimaschutz haben sich grüne Finanzierungen sowie grüne Investitionen als wichtige Ins-trumente etabliert. Das zeigt sich etwa am Markt für grüne Anleihen, der seit Jahren kontinuierlich wächst. Nach Berechnungen der UniCredit zeichnet sich auch 2018 ein neuer Rekord ab. Bereits im ersten Halbjahr 2018 wurden weltweit grüne Anleihen in Höhe von 72 Mrd. Dollar platziert. Für das zweite Halbjahr 2018 rechnen wir mit einem Emissionsvolumen von weltweit 93 Mrd. Dollar. Damit würde 2018 das Gesamtvolumen der Emissionen mit 165 Mrd. Dollar den Rekordwert von 161 Mrd. Dollar aus dem Vorjahr nochmals um 2,5 % übertreffen.Hinzu kommt: Der Markt für grüne Anleihen steht auf einer noch breiteren Basis. Immer mehr staatliche und privatwirtschaftliche Akteure möchten durch klimaschonende Produktionsmethoden, energieeffizientes Bauen, saubere Energiegewinnung oder die Förderung von Biodiversität dem Klimawandel entgegenwirken. Dies erfordert hohe Investitionen und zunehmend privates Kapital, das sich über den Finanzierungsmarkt gewinnen lässt.So werden auch andere Finanzierungsinstrumente wie grüne Schuldscheine oder grüne Kredite, die etwa für nicht am Anleihemarkt aktive Unternehmen infrage kommen, zunehmend nachgefragt. Und auch private und vor allem institutionelle Investoren liefern mit ihren Investments immer häufiger einen positiven Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Laut dem letzten Bericht der Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) wurden Anfang 2016 rund 22,9 Bill. Dollar unter Anwendung nachhaltiger Anlagestrategien verwaltet. Der Marktanteil der entsprechenden Kapitalanlagen lag damit bei 26,3%. Mehr als jeder vierte Dollar wird weltweit bereits nachhaltig investiert.Trotz der kontinuierlich wachsenden Bedeutung grüner Finanzierungen: Ein Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen werden, um die ambitionierten Ziele der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 zu erreichen. Die EU-Kommission schätzt, dass jährlich fast 180 Mrd. Euro an zusätzlichen Investitionen erforderlich sein werden, damit die EU ihre Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen – wie etwa eine 40-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 – erfüllen kann. Hinzu kommt eine Investitionslücke im Bereich der Infrastruktur für Verkehr, Energie und Ressourcenmanagement, die nach Schätzungen der Europäischen Investitionsbank (EIB) jährlich 270 Mrd. Euro beträgt.Die EU selbst hat sich verpflichtet, mindestens 20% ihres Budgets für klimarelevante Ausgaben bereitzustellen: Investitionen in Energie-, Umwelt- und Ressourceneffizienzprojekte sowie in die soziale Infrastruktur. Mit dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sollen bis 2020 zusätzliche Investitionen von mindestens 500 Mrd. Euro mobilisiert werden, wovon mindestens 40 % für Infrastruktur und Innovation zur Unterstützung von Klimaschutzprojekten verwendet werden sollen. Dennoch: Um dem Klimawandel effektiv entgegenzuwirken, ist es erforderlich, noch mehr Investitionen in nachhaltige Sektoren zu lenken. Dabei spielt die Finanzbranche als Katalysator eine zentrale Rolle.Vor diesem Hintergrund könnte der Aktionsplan der EU-Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen einschließlich der im Mai dieses Jahres vorgestellten Maßnahmen, ein maßgeblicher Wegbereiter für nachhaltige Finanzierungen in Europa sein. Denn eine zentrale Voraussetzung, damit sich nachhaltige Anlageprodukte und Finanzierungen weiter erfolgreich etablieren, sind verlässliche Rahmenbedingungen und Definitionen. War die mangelnde Klarheit darüber, was nachhaltige Finanzierungen oder Investitionen ausmacht, bisher ein Hindernis für die Klassifizierung grüner Assets, ist das geplante einheitliche EU-Klassifikationssystem (“Taxonomie”) für die effiziente Zuweisung von Finanzmitteln für umweltfreundliche Projekte von wesentlicher Bedeutung.Anhand der im Vorschlag vorgesehenen harmonisierten Kriterien wird sich bestimmen lassen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich ökologisch nachhaltig ist. So werden Wirtschaftsakteure und Investoren Gewissheit darüber erlangen, welche Tätigkeiten als nachhaltig gelten, damit sie fundiertere Investitionsentscheidungen treffen können. Die entsprechenden Leitlinien sollen in einem nächsten Schritt zudem als Grundlage für die Einführung von Normen und Kennzeichen für nachhaltige Finanzprodukte dienen und dadurch nochmals die Transparenz für Anleger erhöhen.Dies gilt auch für die im Aktionsplan der EU neu vorgesehenen Investorenpflichten. Die vorgeschlagene Verordnung wird für Kohärenz und für Klarheit darüber sorgen, wie institutionelle Anleger – etwa Vermögensverwalter, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder Anlageberater – die Faktoren Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Faktoren) in ihren Investitionsentscheidungsprozessen berücksichtigen sollten. Vermögensverwalter und institutionelle Investoren müssen zudem künftig nachweisen, inwieweit ihre Investitionen an ESG-Zielen ausgerichtet sind, und offenlegen, in welcher Weise sie ihren Pflichten nachkommen. Hinzu kommen die Ansätze der EU-Kommission zur besseren Integration von ESG-Aspekten in die Beratung von Privatkunden einschließlich der Berücksichtigung der Nachhaltigkeitspräferenzen der jeweiligen Kunden.Diese erhöhte Transparenz, die wiederum zusätzliche Glaubwürdigkeit schafft, sollte einem breiteren Spektrum von Investoren den Zugang erleichtern und damit einen wichtigen Impuls für den Markt nachhaltiger Finanzierungen liefern. Bereits heute kommt kaum ein Vermögensverwalter noch ohne ESG- oder SRI-Fonds (Social Responsibility Investments) aus. Diese Entwicklung wird sich weiter verstärken und die erhöhte Nachfrage nach nachhaltigen Assets wird sich wiederum positiv auf die Emissionsseite auswirken. Privatwirtschaft gefordertDer hohe Finanzierungsbedarf für eine nachhaltige Entwicklung erfordert unterschiedliche Finanzierungsströme, die zunehmend auch aus der Privatwirtschaft kommen müssen. Die Vorschläge der EU-Kommission werden es Anlegern erleichtern, festzustellen, welche Investitionen nachhaltig sind. Sie werden ESG-Faktoren in den Mittelpunkt des Anlageprozesses stellen und sind damit ein wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zu einem nachhaltigen Finanzsektor. Denn nur wenn es gelingt, Investitionen in die richtige Richtung zu lenken, wird der Finanzsektor seinen Beitrag leisten, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und Nachhaltigkeit zu fördern. Dabei ist der Aktionsplan eine Chance – sowohl mit Blick auf bestehende als auch neue Produkte zur Finanzierung nachhaltiger Projekte. EU-KlassifikationssystemEin gemeinsames EU-Klassifikationssystem etwa sollte das Umfeld für die Emission grüner Anleihen weiter verbessern und dazu beitragen, dass sich einheitliche Standards endgültig etablieren. Zugleich erleichtern die Vorschläge neue Konzepte – wie etwa die erste Nachhaltigkeitsanleihe, die von der Europäischen Investitionsbank im September mit einem Volumen von 500 Mill. Euro aufgelegt wurde und deren Erlöse direkt in Nachhaltigkeitsprojekte fließen. Wie erfolgreich sich diese Konzepte dann etablieren hat die EIB bereits gezeigt: Vor elf Jahren begab sie den ersten Climate Awareness Bond und ebnete damit den Weg für die grünen Anleihen.—-Antonio Keglevich, Leiter Sustainability Bond Origination der UniCredit