Nachhaltige Finanzierungen sind aktueller denn je

Selbst in Zeiten von Corona Chancen ergreifen und Forderungen nach mehr Klimaschutz stärker artikulieren - Neueste Entwicklung in Luxemburg

Nachhaltige Finanzierungen sind aktueller denn je

Die Corona-Epidemie hat in ihrer Allgegenwärtigkeit die wichtige gesellschaftliche Debatte über Klimaschutz und nachhaltige Finanzierung in den Hintergrund gerückt. Dabei ist der Meinungsaustausch über nachhaltige Finanzierungen gerade angesichts dieser globalen Krise aktueller denn je.Die EU-Kommission hat ihren Aktionsplan vom März 2018 zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums insbesondere hinsichtlich der vier Schlüsselthemen Nachhaltigkeitstaxonomie, europäische Stan-dards für grüne Anleihen, CO2-arme Benchmarks sowie Offenlegungspflichten von klimarelevanten Informationen konsequent weiter umgesetzt. Bereits Ende 2019 einigten sich die Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union über ein EU-weites Klassifikationssystem für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen (Taxonomie) und erzielten damit einen wichtigen politischen Meilenstein. Diese Einigung ist die weltweit erste supranationale Abstimmung zur Klassifikation von Nachhaltigkeit in den Bereichen der Verringerung und Anpassung an den Klimawandel. Taxonomie-VerordnungDie von der EU-Kommission eingesetzte technische Expertengruppe (TEG) hat daraufhin im März 2020 ihren endgültigen Bericht über die Taxonomie vorgelegt. Die Empfehlungen der TEG waren und sind grundlegend für die Arbeit der EU-Kommission im Bereich nachhaltiger Investitionen. Ihr Taxonomie-Bericht definiert Nachhaltigkeitsanforderungen für ökonomische Aktivitäten, enthält wichtige Leitlinien sowie konkrete Anleitungen für Unternehmen und Finanzdienstleister. Am 15. April 2020 verabschiedete der Europäische Rat seine Position zur Taxonomie-Verordnung. Nach der noch ausstehenden Abstimmung im Europäischen Parlament ist somit noch in diesem Jahr mit einer finalen Verabschiedung und einem Inkrafttreten der Taxonomie-Verordnung zu rechnen.Gleichwohl wird auch die Taxonomie “work in progress” bleiben, da die EU-Kommission noch technische Klassifizierungskriterien entwickeln muss. Im Dezember 2019 trat die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor in Kraft, die in weiten Teilen ab dem 10. März 2021 gelten wird. Die Verordnung wird Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater verpflichten, sowohl auf Ebene ihres eigenen Unternehmens als auch auf der Ebene der Finanzprodukte umfassend Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren zu analysieren, zu beschreiben und zu veröffentlichen. Dies gilt auch für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater, die im Bereich Nachhaltigkeit überhaupt nicht tätig sind.Ebenfalls im Dezember vergangenen Jahres trat die EU-Verordnung hinsichtlich der EU-Referenzwerte für den klimabedingten Wandel in Kraft. Im März dieses Jahres veröffentlichte die TEG ihre Anwendbarkeitsleitlinien für den europäischen Green-Bond-Standard (GB-Standard), um Emittenten grüner Anleihen, Gutachter und Investoren zu unterstützen. Der GB-Standard, dessen Befolgung freiwillig sein wird, hat den großen Vorteil einer vollständigen Abstimmung auf die Taxonomie. Erst nach einer Konsultationsphase, die noch in diesem Jahr durchgeführt werden soll, will die EU- Kommission entscheiden, ob der GB-Standard auch auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden wird. Trotzdem beeinflusst er bereits jetzt die Marktpraxis. Dynamisch weiterentwickeltAuch der Finanzplatz Luxemburg hat sich im Bereich Nachhaltigkeit in den zurückliegenden Monaten weiter dynamisch entwickelt. An der Luxembourg Green Exchange (LGX), der Nachhaltigkeitsplattform der Luxemburger Börse, sind derzeit über 342 Green Bonds von über 40 Emittenten mit einem Ausgabewert von über 260 Mrd. Euro notiert. Damit steht die LGX beim Marktanteil von Green Bonds auf Platz 1. Hinzu kommen annähernd 300 Sustainability und Social Bonds sowie fast 60 ESG- (Environmental, Social, Governance), Green- und Social- Investmentfonds.Die im Jahr 2016 gegründete LGX ist damit nach wie vor die weltweit größte Plattform, die sich ausschließlich auf nachhaltige Finanzinstrumente spezialisiert hat. Es zeigt sich somit, dass es neben dem bereits erwarteten Wachstumsschub bei Green Bonds auch zu einer weiteren Diversifizierung bei den gelisteten nachhaltigen Finanzprodukten gekommen ist. Die LGX hat ferner ihre Position als zentraler Zugangspunkt für Daten und Informationen über inländische Green Bonds aus der Volksrepublik China, die an der Shanghai Stock Exchange oder dem Chinese Interbank Bond Market notiert sind, weiter gefestigt und kann damit eine Lücke zwischen chinesischen Emittenten und internationalen Investoren schließen.Ihre Aktivitäten stark ausgebaut hat zudem auch die LuxFlag, eine unabhängige Non-Profit Agentur, die im Bereich Microfinance und ESG Produktlabels vergibt. LuxFlag konnte ein Wachstum im Produktlabelling-Geschäft von über 88 % in den vergangenen zwölf Monaten verzeichnen. Bis heute hat die LuxFlag somit insgesamt 196 Produkte zertifiziert. Allein im März 2020 wurden 27 neue Investmentfonds, vor allem in den Bereichen ESG, mit dem LuxFlag-Label ausgezeichnet. Weitere VerbesserungAuch auf politischer Ebene bleibt Luxemburg überaus engagiert, seine Umwandlung in eine CO2-arme Volkswirtschaft aktiv voranzutreiben. Initiativen umfassen die Climate Finance Task Force von Regierung und Finanzindustrie mit dem Ziel, Luxemburgs Rolle als internationales Zentrum für nachhaltige Finanzierungen weiter zu stärken, oder die Luxembourg Sustainable Finance Roadmap von UNEP und dem Umwelt- und Finanzministerium, die Luxemburgs führende Rolle im Bereich nachhaltiger Finanzen weiter ausbauen soll. Dank dieser Bemühungen und Erfolge konnte sich der Finanzplatz im Global Green Finance Index (Stand März 2020), der 67 große Finanzzentren weltweit um-fasst, im Vergleich zum vergangenen Jahr weiter verbessern. Luxemburg belegt nun nach Amsterdam den Platz 2 im Bereich Marktdurchdringung sowie den Platz 6 im Bereich Qualität. Erkennbares VorankommenDie deutlichen Fortschritte auf europäischer Ebene insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeitstaxonomie und Offenlegungspflichten von klimarelevanten Informationen werden nun auf der Ebene der Finanzdienstleister zu einer noch stärkeren Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit führen. Um die einzelnen Offenlegungspflichten umzusetzen, sollten Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater rechtzeitig und umfassend Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken in ihrem Unternehmen sowie auf Produktebene analysieren. Neben den Transparenzpflichten bietet die fortschreitende Entwicklung im Bereich nachhaltiger Produkte auch Geschäftschancen. Selbst in oder sogar gerade wegen der Coronakrise sollten diese Chancen ergriffen und die Forderung nach mehr Klimaschutz stärker artikuliert werden. Philipp Mössner, Partner bei GSK Stockmann