Nachhaltigkeit bedeutet Wettbewerbsfähigkeit
Die Coronakrise hat den Themenkomplex Nachhaltigkeit, Umwelt und Klima zunächst in der öffentlichen Debatte aus dem Rampenlicht verdrängt. Das Thema ist damit aber noch lange nicht erledigt. Im Gegenteil: Nach Überwindung der Covid-19-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen wird es mindestens so aktuell sein wie zuvor. Gerade im Immobilienbereich dürfte der Druck sogar noch zunehmen. Investoren müssen und auch Mieter werden immer genauer hinschauen. Eine Büroimmobilie beispielsweise, die bestimmte Kriterien nicht erfüllt, wird langfristig empfindlich an ihrer Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Zukunftsstärke und wirtschaftliche Nachhaltigkeit werden sich aus diesem Grund von ökologischer Nachhaltigkeit nicht trennen lassen können. Relevanz liegt auf der HandDie Relevanz der Immobilienwirtschaft für den Kampf gegen den Klimawandel liegt auf der Hand: Der Anteil der Treibhausgasemissionen im Gebäudebereich bewegt sich nach Angaben des Bundesumweltministeriums bei etwa 14 % der gesamten Emissionen in Deutschland. Das beinhaltet aber nur die direkten Emissionen. Rechnet man auch die indirekten Emissionen wie beispielsweise durch den Stromverbrauch mit ein, liegt der Anteil etwa doppelt so hoch. Deshalb ist es klar, dass die Branche ihren Anteil leisten kann, will und muss – und in den vergangenen drei Jahrzehnten ist bereits viel geschehen.Im Zusammenhang mit Immobilien und Nachhaltigkeit werden oftmals in erster Linie die einschlägigen Zertifikate wie das US-amerikanische LEED (Leadership in Energy and Environment Design), sein britisches Pendant BREEAM (Building Research Establishment Environ-mental Assessment Methodology) oder unser deutsches DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) genannt. Diese Zertifikate prüfen heutzutage sehr detailgenau und gewissenhaft nach eindeutig nachvollziehbaren und umfangreichen Kriterien. Immer mehr Immobilien- und Projektentwickler bemühen sich deshalb aus guten Gründen um ein entsprechendes Zertifikat. Insgesamt ist das Umfeld für Zertifikate im Real-Asset-Bereich, zu dem auch Immobilien zählen, dennoch vergleichsweise unübersichtlich im Vergleich zu liquiden Assetklassen. Angesichts der Heterogenität der einzelnen Objekte liegt das in der Natur der Sache. Gleichzeitig war in den vergangenen Jahren aber auch viel Bewegung in diesem Markt zu beobachten. Das wird dann erst recht der Fall sein, wenn Nachhaltigkeit bei Immobilieninvestments auch regulatorisch zur Bedingung wird. Man darf fest davon ausgehen, dass dies eher früher als später auf europäischer Ebene der Fall sein wird. Automatisch ein ErfolgsfaktorDoch es geht nicht darum, dass ein Siegel das Gebäude schmückt. Langfristige und Cash-flow-orientierte Investoren benötigen Assets, die auch in vielen Jahren noch wettbewerbsfähig sind. Das gilt insbesondere für Immobilien mit ihren sich über Jahrzehnte streckenden Lebensdauern. In diesen Zeiträumen verändern gesellschaftliche Megatrends langsam und stetig das Verhalten der Menschen und damit der Immobiliennutzer. Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn – aber auch bezüglich der sozialen Verantwortung sowie der Unternehmensführung (Governance) – zählt nach unserer Beobachtung definitiv zu diesen Megatrends. Deshalb werden es langfristig Immobilien schwer haben, im Wettbewerb um Mieter und letztlich auch um Investoren zu bestehen, die nicht wesentliche Nachhaltigkeitsfaktoren aufweisen.Zu diesen Faktoren gehören an prominenter Stelle natürlich Maßnahmen, die den Energieverbrauch durch die Immobilie selbst eindämmen, also vor allem ein modernes Klimatisierungs- und Beleuchtungskonzept, eine effiziente Wärmedämmung und verbrauchsarme Heizungsanlagen. Langfristig profitiert der Mieter – gleich ob Büro oder Wohnungsmieter – hierbei auch von niedrigeren Verbrauchs- und Nebenkosten in immer smarter werdenden Gebäuden.Doch damit ist es längst nicht getan. Bei einem Bürogebäude ist eine attraktive Lage mit sehr guter Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr das beste Argument, um Mitarbeiter davon zu überzeugen, mit Bus und Bahn statt mit dem eigenen Auto zu kommen – oder bei einer innenstadtnahen urbanen Lage auch mit dem Fahrrad. Gibt es einen Fahrradkeller oder zumindest ausreichend gesicherte Fahrradstellplätze? Das hilft, möglichst viele unnötige Autofahrten zu verhindern. Gibt es eine nachhaltig orientierte Kantine, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anspricht? So können Immobilien Sozialbereiche bieten, die einen Anteil zur nachhaltigen Orientierung beitragen. Vor dem Hintergrund der politisch gewollten Elektrifizierung des Autoverkehrs wird sich auch die Anzahl der Ladestationen für E- und Hybridfahrzeuge auf die Qualitätsbeurteilung interessierter Mieter auswirken. Schonend für den GeldbeutelEine möglichst flexibel belegbare Fläche erlaubt es, eine Bürofläche möglichst effizient und optimal zu nutzen, ohne für große Enge unter den Mitarbeitern zu sorgen. Eine gute digitale Infrastruktur versteht sich von selbst. Und eine hohe Drittverwendungsfähigkeit verringert den kosten- und ressourcenintensiven Aufwand bei Umzügen. Schon beim Bau kann auf den Einsatz ökologisch unbedenklicher und ressourcenschonender Materialien sowie effizienter Prozesse geachtet werden. Gleichzeitig sollten die natürlichen Gegebenheiten bei der Planung bestmöglich im Sinne der Einbindung ins Stadt- oder Landschaftsbild sowie der Ausnutzung natürlicher Effizienzvorteile berücksichtigt werden. Alle solche Maßnahmen – die Liste ließe sich um viele weitere innovative Beispiele verlängern – schonen langfristig in der Regel auch den Geldbeutel von Investoren wie Mietern.Die Beispiele zeigen, dass der Nachhaltigkeitsvorteil selten allein kommt. Fast immer werden mehrere Vorteile genutzt, die auf verschiedene Weise die langfristige Wettbewerbsfähigkeit eines Objekts erhöhen, seien es niedrigere Nebenkosten, eine bessere Konnektivität oder – ein ganz fundamentales Argument im War for Talents – zufriedenere Mitarbeiter. Die Kriterien für die Zukunftsstärke einer Immobilie greifen also ineinander, und Nachhaltigkeit ist ein ganz wesentlicher Teil dieser Kriterien. Altruistische MotiveImmer mehr institutionelle Investoren legen Wert auf Nachhaltigkeitskriterien. Zum einen aus den genannten Mehrfachvorteilen, zum anderen aber durchaus auch aus intrinsischen und altruistischen Motiven. Waren es früher hauptsächlich Kirchen und sozialem oder ökologischem Engagement verpflichtete Stiftungen, so treten heute auch Versicherungen, Versorgungswerke und Pensionskassen mit Nachhaltigkeitsagenden auf den Plan. Ausgehend von den großen Investoren und Assetmanagern – allen voran den großen Staatsfonds – sickert dieses Motiv immer weiter zu kleineren Investoren durch. Diese Investoren verpflichten sich selbst zu entsprechenden Commitments oder werden ihrerseits von ihren Endinvestoren dazu bewegt. Am Ende, so ist zu erwarten, wird auch der Gesetzgeber beziehungsweise der Regulator hinzutreten.Für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit einer Immobilie kommt es jedoch nicht nur auf die Investoren an – sofern keine spekulative Strategie mit einem schnellen Weiterverkauf im Mittelpunkt steht. Für langfristige Immobilieninvestments muss das Objekt in erster Linie dem Endkunden gefallen, also dem Mieter. Und auch unter gewerblichen Mietern ist schon seit einiger Zeit zu beobachten, dass das Thema Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle bei der Auswahl der Arbeitsräumlichkeiten spielt. Arbeitsumgebung essenziellEs gibt wohl kein großes und namhaftes Unternehmen mehr, das sich nicht zu einer bestimmten Nachhaltigkeitsagenda verpflichtet hätte. ESG (Environment, Social, Governance) wird immer mehr zu einem wichtigen Aspekt des unternehmerischen Selbstverständnisses und Handelns. Und dazu zählt ganz selbstverständlich auch die Arbeitsumgebung, die man seinen Mitarbeitern bietet und in die man Kunden und Geschäftspartner einlädt.Repräsentation war schon immer ein wichtiges Motiv für die Auswahl einer Bürofläche. Dies wird ergänzt durch Nachhaltigkeit. Objekte, die dieses Thema sträflich vernachlässigen, werden es in Zukunft immer schwerer haben, namhafte und bonitätsstarke Unternehmen mit langfristigen Verträgen und zu adäquaten Mieten pro Quadratmeter als Mieter zu gewinnen. Nachhaltigkeit im Immobilienbereich ist deshalb nicht allein eine Frage des guten Willens, sondern eine Frage der langfristigen Erfolgsaussichten einer Investmentstrategie. Gabriele Volz, Geschäftsführerin von Wealthcap und Uwe Zeidler, Geschäftsführer des Versorgungswerks der Zahnärztekammer Nordrhein