Nachhaltigkeit gehört ins Konzept von Versicherern

Manche aktuelle Forderungen von speziellen Interessengruppen überspannen den Bogen - Bei Regulierungsvorhaben ist Wachsamkeit geboten

Nachhaltigkeit gehört ins Konzept von Versicherern

Zehn Jahre nachdem Munich Re die Principles of Responsible Investment der Vereinten Nationen unterschrieben hat, ist die Gelegenheit gut, die Entwicklung der nachhaltigen Investitionskriterien kritisch zu betrachten und in die Zukunft zu blicken. Nachhaltigkeit gehört zum Geschäftsmodell einer Versicherung, denn ihre Versprechen sind einzuhalten, wenn sie im Geschäft bleiben will. Auch deswegen sind nachhaltige Investitionskriterien, auch wenn sie früher noch nicht so genannt wurden, bereits sehr viel länger als zehn Jahre für Munich Re relevant. Leitbild der KapitalanlageMit der Gründung der Münchener-Rück-Stiftung 2002 wurden Anlagekriterien mit Blick auf die Nachhaltigkeit stärker formalisiert. Ökologische, soziale und Kriterien der guten Unternehmensführung (ESG) wurden beim Management des Stiftungsvermögens berücksichtigt. 2003 folgte ein internationaler, nachhaltig anlegender Aktienfonds für Privatkunden. In dieser Zeit stand die Frage im Vordergrund, ob unter Beachtung der ESG-Kriterien eine höhere Rendite bei gleichem Risiko beziehungsweise gleichhohe Rendite bei niedrigerem Risiko möglich ist. Die Antwort war: Die Rendite ist mit nachhaltigen Kriterien nicht niedriger, meistens aber höher als bei einer klassisch gemanagten Kapitalanlage. Diese Grundaussage gilt auch heute und dient als Leitbild in der Kapitalanlage: Definiere Nachhaltigkeit so, dass der Rendite abträgliche Risiken eliminiert beziehungsweise reduziert werden!In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Verwendung von nachhaltigen Investitionskriterien mit den Kriterien grüner oder ethischer Anlagen vermengt. Professionellen Kapitalanlegern geht es bei den ESG-Kriterien vor allem um eine umfassende Risikosicht, die deutlich über rein finanzielle Kriterien hinausgeht. Es geht nicht um “Gutmenschentum” und moralische Überlegenheit, sondern um Risikovermeidung mit dem Ziel, ein bestmögliches Ergebnis in der Kapitalanlage zu erzielen.Die Kapitalanlage von Versicherungen steht im Dienst des Kerngeschäfts. Die Aktionäre wollen mit einer bewussten Risikoübernahme in der Versicherung eine nachhaltige und hinreichend positive Rendite erzielen. Die Kapitalanlage hat sozusagen eine akkommodierende Funktion, ihre Zielfunktion steht im Einklang mit den Unternehmenszielen der Versicherung. Es ist daher immer zu fragen, ob die Berücksichtigung von weiteren Zielen in der Kapitalanlage, zum Beispiel ethischer Kriterien, dem Interesse der Kunden und/oder Aktionäre dient, gerade dann, wenn auf Rendite verzichtet wird.Die Nachhaltigkeit ist Teil des Risikomanagements und der Unternehmenskultur von Munich Re. Das Kerngeschäft wie auch die Kapitalanlage sind geprägt von einer sorgfältigen und umsichtigen Herangehensweise, einer skeptischen, auch vorsichtigen Abschätzung von Risiken und einer hohen Sensibilität mit Blick auf nicht sichtbare und schwer wahrnehmbare Risiken, immer in dem Bewusstsein, dass eine unbeabsichtigte und übermäßige Risikoexponierung zu erheblichen Nachteilen führen könnte. Mit dieser Einstellung hat auch die Kapitalanlage schwierige Zeiten, wie auch jüngere Krisen, zum Beispiel die Euro-/Verschuldungskrise, gut gemeistert.Die aktuelle Diskussion über nachhaltige Kriterien ist geprägt von öffentlichkeitswirksamen Ankündigungen großer Kapitalanleger, auf die Investition in gewisse kontrovers diskutierte Themen künftig zu verzichten, zum Beispiel Tabak. Ein anderer Diskussionsstrang widmet sich der Regulierung mit der Argumentation: Wenn die Kapitalanleger nicht freiwillig Verzicht üben, dann muss man sie zwingen. Beide Diskussionen sind mit großer Vorsicht zu genießen und verlangen eine differenzierte Betrachtung.Ausschlusskriterien sind dann erwägenswert, wenn ein gesellschaftlich und politisch kritisches Thema davor steht, stärker reguliert zu werden mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen. Sie sind somit Ausdruck eines Frühwarnsystems, in dem Risiken antizipiert werden, bevor sie wirtschaftlich relevant werden. Häufig sind betroffene Unternehmen kaum in der Lage, der bevorstehen-den staatlichen Regulierung auszuweichen oder sich anzupassen. Ausschlusskriterien sind die Ausnahme und sollten deshalb als Ultima Ratio betrachtet werden. Öffentlicher DruckIn der öffentlichen Diskussion stehen häufig Ausschlusskriterien im Vordergrund. Es geht dann nicht darum, gewisse ethisch oder politisch nicht korrekte Investments zu reduzieren, sondern es soll gleich ganz auf diese verzichtet werden. Hinter solchen Forderungen stehen häufig spezielle Interessengruppen. Gibt der Kapitalanleger diesem öffentlichen Druck nach, ist damit ein Renditeverzicht verbunden, der sich nur schwer rechtfertigen lässt. Der Kapitalanleger sollte dem Kunden- beziehungsweise Aktionärsinteresse folgen. Die Interessen der Kunden beziehungsweise Aktionäre sind keineswegs identisch mit denen der Interessengruppen.Ausschlusskriterien haben den großen Nachteil, dass der Kapitalanleger nicht mehr auf eine Verhaltensänderung des betroffenen Unternehmens drängen oder diese herbeiführen kann. Wenn betroffene Unternehmensteile an nicht börsennotierte Unternehmen veräußert werden, ist diese Möglichkeit der Einflussnahme sowieso genommen. Schrittweise Regeländerungen und Übergangslösungen können auch beschäftigungsschonend Anpassung und Neuausrichtung fördern, ein abrupter Wechsel dagegen vernichtet viel wertvolles Kapital und erzeugt Arbeitslosigkeit.Nachhaltige Investitionskriterien werden auch in die Regulierung aufgenommen. Dies mag sinnvoll erscheinen, wenn es um ein Level Playing Field geht, eine Regulierung sollte aber immer nachgeordnet sein. Zunächst ist aus ordnungspolitischer Sicht auf Marktmechanismen oder Selbstverpflichtungen abzustellen – staatliche Interventionen sollten die Ausnahme bleiben! Außerdem ist in der Regulierung immer nach der Effizienz zu fragen, denn häufig wird nicht bei den Ursachen angesetzt, sondern den Wirkungen.Bedeutsam ist die Ende Juni verabschiedete EU-Richtlinie zur betrieblichen Altersversorgung, die vorsieht, dass ESG-Kriterien und Klimarisiken in der betrieblichen Altersversorgung im Rahmen eines umfassenden Risikomanagements beachtet werden sollen. Diese Richtlinie kann auch als Aufforderung verstanden werden, die regelmäßige Kommunikation über nachhaltige Anlagekriterien und deren Einhaltung zu verstärken. Einige Kommunen und Städte in Deutschland haben die Verabschiedung dieser EU-Richtlinie zum Anlass genommen, ihre nachhaltigen Anlagekriterien nachzuschärfen, und dies auch kommuniziert. Umwege vermeidenBei einer Regulierung ist aus volkswirtschaftlicher Sicht immer zu fragen, wo diese sinnvollerweise erfolgen sollte. Soll Vermögensmanagern verboten werden, in Assets zu investieren, die im Zusammenhang mit klimaschädlichen Emissionen stehen? Eine Regulierung sollte an der Quelle, beim Verursacher der klimaschädlichen Emissionen, erfolgen und nicht über Umwege beim Investor. Zudem sollte generell tarifären Maßnahmen der Vorzug gegenüber nichttarifären gegeben werden. Damit wird sichergestellt, dass klimaschädliche Emissionen dort reduziert werden, wo sie sich am kostengünstigsten vermeiden lassen.Wettbewerbsaspekte sollten ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Die restriktive Regulierung in einem Land stellt einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen dar, die dieser Regulierung nicht unterliegen. In letzter Konsequenz kann eine restriktive Regulierung sogar zum Ausscheiden nachhaltig wirtschaftender Unternehmen aus dem Wettbewerb führen. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden. Im eigenen InteresseFazit – Nachhaltiges Investieren liegt aufgrund des Geschäftsmodells im eigenen Interesse von Versicherungen, wird von diesen daher aus freien Stücken verfolgt und muss daher auch nicht incentiviert werden. Manche aktuelle Forderungen zum nachhaltigen Investieren von speziellen Interessengruppen überspannen den Bogen. Versicherungen würden gegen die Interessen ihrer Eigentümer verstoßen, wenn sie allen Forderungen nachkommen würden. Auch bei den Regulierungsvorhaben bezüglich des nachhaltigen Investierens ist Wachsamkeit geboten, schließlich sollten nicht diejenigen Unternehmen bestraft werden, die sich durch nachhaltiges Wirtschaften auszeichnen.—Holger Kerzel, Geschäftsführer der Meag