Nachhaltigkeit ist eine Frage der Gerechtigkeit und der Dauerhaftigkeit
Frankfurt ist nur ein anderes Wort für Freiheit. Mit dieser Stadt verbinden sich bis heute Europas Symbole der Emanzipation. Die Paulskirche steht für Freiheit und Emanzipation. Hier, in der Mitte Deutschlands, kamen 1848 die ersten frei gewählten Parlamentarier zusammen und setzten sich für Einheit und Freiheit ein. Sie schufen damit die Grundlage für die erste demokratische Verfassung von 1919 in Deutschland. So zieht sich von der Paulskirche über die Weimarer Verfassung bis zum Grundgesetz von 1949 eine lange Tradition der bürgerlichen Emanzipation. Dieser Weg verbindet sich mit der Paulskirche und mit Frankfurt, dieser zutiefst liberalen Stadt. Bis heute: Frankfurt gilt gemeinhin als die weltoffenste Stadt der Bundesrepublik.Mit der Paulskirchen-Bewegung standen die Gründer der Frankfurter Gewerbekasse 1862 in Verbindung. Die Gründer dieses Vorgängerinstituts der heutigen Frankfurter Volksbank waren weitgehend identisch mit jenen Frankfurtern, die sich für die Gewerbefreiheit in ihrer Vaterstadt starkmachten. Die Gewerbefreiheit gehörte zu dem Akt der Emanzipation, für den die Paulskirche den Boden bereitet hat. Vom Bürgergeist geleitetDieser Tradition sollten sich die Frankfurter verpflichtet sehen. Denn diese Stadt hat sich im Namen des Fortschritts immer dann in einem atemberaubenden Tempo entwickelt, wenn sie sich vom Bürgergeist leiten ließ. Etwa mit den Gründern der Goethe-Universität. Allesamt Bürger, die dieses Projekt vorangebracht haben. Mit einem für gute Ideen offenen Oberbürgermeister Franz Adickes. Er lenkte die Geschicke Frankfurts mehr als zwei Jahrzehnte lang. Bis heute verbindet sich mit seiner Amtszeit die Erinnerung an die wachsende Stadt, die sich in dieser Phase der Industrialisierung zügig entwickelt hat.Wegen ihrer günstigen Verkehrswege – mit dem Flughafen, dem Frankfurter Kreuz und dem Main. Frankfurts Bürger haben im vergangenen Jahrzehnt ihren Main zurückerobert. Diese Rückeroberung befördert auch das Bewusstsein für unsere eigene Geschichte. Für die Historie einer alten Handelsstadt, für die die Vorstellung von Freiheit und Bürgerwille immer bedeutsam gewesen ist: Diese Erbschaft übersetzt die Stadtgesellschaft heute mit Liberalität und Toleranz.Frankfurter Stadtgeschichte schreiben wir einmal mehr mit dem DomRömer-Projekt. Nach der Zerstörung der Altstadt im Zweiten Weltkrieg und jahrelanger Diskussion erhält die Stadt ihr Herz zurück. Die Architektur der neuen Frankfurter Altstadt wird zu einer gelungenen Mischung aus Altem und Neuem, aus Tradition und Moderne, auf die wir Frankfurterinnen und Frankfurter stolz sein können. Die neuen Altstadthäuser markieren künftig den Ort, den man recht bald Frankfurts neue Mitte nennen dürfte. Hier werden sich die Flaneure auf dem Weg zum Main treffen. Hier kommen diejenigen zusammen, die sich im Historischen Museum einen Vorgeschmack auf die Geschichte Frankfurts geholt haben. Und an diesem Ort kommen auch die nicht vorbei, die sich das Herz dieser Stadt systematisch erschließen wollen. Mit diesem bedeutenden Projekt bringen wir zusammen, was ein städtisches Gemeinwesen zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts unbedingt braucht – die Aussicht, als städtische Demokratie zukunftsfähig zu sein, und die Einsicht, die Kultur einer eigenen Erinnerung zu pflegen. Zeitalter der StädteDas 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Städte. Die Einsicht geht auf den früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan zurück. Denn allein von den Städten aus lassen sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angehen. Dem klimatischen und dem demografischen Wandel begegnen wir von den Städten aus: Dort sorgen wir für den freien Zug der Winde, um weitere Erwärmungen der Innenstädte zu verhindern, und dort bieten wir jungen Familien die Möglichkeit, sich weiterzubilden und den eigenen Nachwuchs betreuen zu lassen. Dafür gibt es ein Gebot, an dem wir uns orientieren sollten: Es ist die Maxime der Nachhaltigkeit. Es geht um den Schutz der Ressourcen unserer Welt – das ist der originäre Sinn des Schöpfungsgedankens.Nachhaltigkeit ist der zentrale Maßstab politischen Handelns. Künftige Generationen müssen die gleichen Chancen wie ihre Vorfahren haben, die eigene Stadt gestalten zu können. So versteht sich Nachhaltigkeit als eine Frage des Zusammenlebens, der Gerechtigkeit und der Dauerhaftigkeit. Unter dieser Maßgabe muss Politik einen Maßstab für das Handeln finden, das gehört zur Subsidiarität zwischen der staatlichen und der kommunalen Ebene. Wenn wir beispielsweise über Frankfurt am Main als Green City reden, geht es darum, in der Gewissheit großer Verantwortlichkeit Maßstäbe für unser an der Zukunft orientiertes kommunalpolitisches Handeln zu entfalten.Dauerhaftigkeit ist begrifflich angemessen, um die zeitliche Dimension des Maßvollen zu bezeichnen: Wir sollten uns bei all den Dingen, die wir tun und uns politisch vornehmen, daran orientieren, ob diese Dinge und diese Vorhaben Bestand haben können, auf Dauer angelegt sind, also in der Lage sind, nachhaltig zu wirken. Bedenken wir: Das Dauerhafte ist der Feind der Eile. Bildung ist die Vermittlung von Dauerhaftigkeit. Dauerhaftigkeit wiederum setzt Verantwortlichkeit voraus. Dauerhaftigkeit lässt sich nur schaffen, wenn wir kein Talent verloren geben.Alles andere wäre gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel gesellschaftspolitische Dummheit. Nach persönlichem Leistungsvermögen, nach individuellen Interessen und nach bestehenden Potenzialen müssen wir Bildungswege skizzieren. Also gilt es, die Familien zu stärken. In diesem Sinne brauchen wir perspektivisch eine Erziehung zur Nachhaltigkeit. Dann heißt Nachhaltigkeit auch: An den anderen zu denken. Sich also mit anderen Worten für eine Stadt einzusetzen, die sich auf eine solidarische Stadtgesellschaft stützen und sich auf das Engagement ihrer Bürger verlassen kann. Gerade in Zeiten des demografischen Wandels brauchen wir dieses Eintreten füreinander.Nach diesen Maßgaben wollen wir Frankfurt am Main als unsere Stadt weiterentwickeln. Als internationale Bürgerstadt, die ihren Bürgern eine gute Lebensqualität bietet, die für den Zusammenhalt ihrer Bürger sorgt, die ihnen ein ausgezeichnetes Bildungsangebot macht, die für sämtliche Branchen ein vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen auf Lager hat und die in den Bereichen Kultur und Sport zu den führenden Plätzen in Europa gehört. Denn Stadt heißt auch und ganz besonders: Heimat in der globalen Welt zu sein. Die Gründungsväter der Frankfurter Volksbank dürften dies kaum anders gesehen haben.