Nachhaltigkeit ist eine Frage des Stellenwerts

Ein Blick hinter die Kulisse von ESG lohnt sich

Nachhaltigkeit ist eine Frage des Stellenwerts

Franca PerinHead of SRI bei Generali InvestmentsInstitutionelle und private Anleger können aus Hunderten von Produkten mit SRI-Markierung wählen. Sie stehen dabei vor der zunehmend komplexen Aufgabe, beurteilen zu müssen, welche Strategien in welchem Maß SRI-konform sind.Der Markt für Anlageprodukte im Segment für gesellschaftlich verantwortungsvolles Investieren (SRI) ist äußerst heterogen. Anbieter nehmen in der Regel für sich in Anspruch, ihre Zielinvestments einerseits unter ökologischen und sozialen Aspekten sowie mit Blick auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG-Kriterien) auszuwählen, andererseits auch die Auswirkungen auf den Anlageerfolg im Blick zu haben. Es lohnt also, vor der Investitionsentscheidung einen genauen Blick hinter die Kulisse des ESG-Labels zu werfen. So zeigt sich der Stellenwert der ESG-Analyse im Rahmen eines Investmentprozesses recht unmittelbar schon daran, wie früh oder spät sie ansetzt: Meint der Anbieter es mit seinem SRI-Ansatz ernst, sollte die ESG-Prüfung der Finanzanalyse vorangehen, und nicht umgekehrt. Erst wenn die potenziellen Portfoliounternehmen aus dem Gesamt­universum einen Filter durchlaufen haben, der ethische und ESG-Kriterien abfragt, entsprechende Risiken darstellt und aus dieser Analyse ein Rating ableitet, kann die Menge der investierbaren SRI-Werte überhaupt erst bekannt sein, die dann einer klassischen Finanzanalyse unterzogen werden. Vielfach wird im Rahmen der ESG Analyse mit der Zahl der angewendeten ESG-Kriterien argumentiert. Doch wie kann der Investor damit umgehen? Gilt das Prinzip “Viel hilft viel” oder eher “Fokussierung”? Generali Investments zum Beispiel hat 34 solcher Kriterien definiert, doch viel wichtiger als diese Zahl sollte sein, wie mit diesen Kriterien umgegangen wird. Aus diesen 34 allgemeinen Kriterien werden meist etwa sieben relevante Themen pro Sektor ausgewählt, basierend auf einer Auswertung der relevanten Hauptrisiken und Chancen des jeweiligen Sektors sowie der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens. Diese Gewichtung der ESG-Kriterien ist nach unserem Verständnis ein wesentlicher Schritt, da wir nicht wollen, dass für eine Branche wichtige Themen von weniger wichtigen überschattet werden. So ist der CO2-Fußabdruck für die Industrie relevanter als für den Finanzsektor.Ebenso wesentlich ist die Definition der einzelnen Kriterien. Wichtige Merkmale für eine nachhaltige Unternehmensführung sind beispielsweise der Anteil der unabhängigen Aufsichtsratsmitglieder oder auch der Frauenanteil in den Vorständen. Die soziale Attraktivität von Unternehmen spiegelt sich unter anderem in der Mitarbeiterfluktuation wider. Und bei der Beurteilung ökologischer Nachhaltigkeit sind die realisierten CO2-Einsparungen und die CO2-Bilanz bewährte Indikatoren.Das SRI-Team von Generali Investments beurteilt die Unabhängigkeit der Aufsichtsräte auf Grundlage ihrer Biografien und mit Hilfe externer Datenanbieter. Entpuppt sich ein Aufsichtsrat als “Non-Independent”, kann er nicht die besten Entscheidungen im Interesse der Aktionäre treffen. Denn für das ordnungsgemäße Funktionieren eines Aufsichtsrats ist es entscheidend, sicherzustellen, dass keine Interessenkonflikte vorliegen. Ein Aufsichtsrat kann aus vielen Gründen solche Konflikte haben, insbesondere dann, wenn er ehemaliger Vorstand oder Mitarbeiter ist, Verwandter eines aktuellen Vorstands, ein relevanter Aktionär, ein Lieferant, ein wichtiger Dienstleister. Die Situationen, aus denen sich Interessenkonflikte ergeben können, sind vielfältig und machen diesen Aspekt der SRI-Analyse zu einer Herausforderung.Hinsichtlich der Frauen in Verwaltungsräten gilt: Vielfalt in Aufsichtsräten und Vorständen ist wichtig, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. In der Tat sind nicht alle Unternehmen diesbezüglich konform. Und mitunter sammeln einzelne Frauen Mandate geradezu – mit vergleichbaren Problemen, wie sie auch bei Männern auftreten. Auch Frauen sind in ihrer Funktion als Vorstandsmitglied nicht immer unabhängig. Und Unternehmen neigen dazu, das Ziel zu vergessen, dass eine Frau mit einem anderen Profil als bereits vorhandene Vorstandsmitglieder dem Unternehmen echten Mehrwert bringen kann. Mit all dem verfügbaren Potenzial auf dem Markt ist es zu bedauern, dass diese schlechte Praxis auch bei der Auswahl von Frauen für Vorstände und Aufsichtsräte existiert. Dieses Beispiel zeigt: Eine bloße Zahl, in diesem Fall der Anteil von Frauen in Führungs- und Aufsichtsgremien, sagt noch überhaupt nichts über die Qualität im Sinne einer SRI-Analyse. Die Mitarbeiterfluktuation lässt hier ein etwas direkteres Urteil hinsichtlich der sozialen Attraktivität eines Unternehmens zu, denn sie gibt Aufschluss darüber, wie gut ein Unternehmen in der Lage ist, seine Mitarbeiter zu halten. Doch selbst hier gilt es, Besonderheiten zu berücksichtigen. So ist es im Hotelbusiness durchaus erwünscht, wenn Mitarbeiter viel Erfahrung aus zahlreichen unterschiedlichen Betrieben einbringen können.Spannend wird es, wenn solche Analysen nicht nur einzelwertbezogen durchgeführt werden, sondern der Einfluss einzelner Faktoren auf ein gesamtes Fondsportfolio untersucht wird. Generali Investments hat das jüngst mit den vier Kriterien “Unabhängigkeit”, “Frauenanteil”, “Fluktuation” und “CO2 Fußabduck” getan und unter diesen Aspekten zwei Aktienfonds untersucht: den GIS SRI European Equity und den GIS SRI Ageing Population. Beim “European Equity” zum Beispiel beträgt die Quote der unabhängigen Aufsichtsräte knapp 57 % und der Frauenanteil gut 28 %. Die Mitarbeiterfluktuation liegt bei über 8 % und der CO2 Ausstoß des Portfolios beträgt 301,61 Tonnen CO2 Emissionen pro Million Euro Umsatz – im Vergleich zum MSCI Europe Index mit 322,17 Tonnen. Beim “Ageing Population” sehen diese Zahlen sehr ähnlich aus, allerdings liegt er mit einem CO2-Ausstoß des Portfolios von 125,55 Tonnen deutlich besser als der MSCI Europe Index.Zwei Dinge illustriert diese Auswertung: Erstens sagen auch hier die Zahlen allein wenig, sie müssen ins Verhältnis gesetzt werden. Beim CO2-Fußabdruck gelingt das sehr gut, insbesondere der “Ageing Population” zeigt Stärke gegenüber dem Vergleichsindex. Zweitens: Ganz offensichtlich ist bei den Kriterien “Unabhängigkeit” und “Frauenanteil” einerseits noch viel Luft nach oben. Andererseits kommt es bei diesen Kriterien auch sehr stark darauf an, wie hoch der Asset-Manager seine Messlatte legt. Der ESG-Filter von Generali Investments gehört zu den strengsten des Marktes, wie die Aufnahme in die höchste Kategorie “High Impact Socially Responsible Investments” der vom französischen Thinktank Novethic bewerteten Asset-Manager zeigt. Dahinter steht die Überzeugung, dass strenge ESG-Kriterien sich auszahlen. Denn Unternehmen, die “höchste Anstrengungen” unternehmen, um diesen zu genügen, werden im Laufe der Zeit eine bessere Geschäftsentwicklung aufweisen. Zum einen, weil sie Maßnahmen ergreifen, die sie vor kostspieligen Gerichtsverfahren zu Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Themen bewahren, und zum anderen, weil sie besser positioniert sind, um von langfristigen demografischen, regulativen und umweltbezogenen Trends zu profitieren.