Nachhaltigkeitsinvestoren stellen Umwelt vor Soziales

Klimaschutz liegt in der Bedeutung weit vorn - Hoffnung auf Rendite deckt sich nur teilweise mit Studienlage

Nachhaltigkeitsinvestoren stellen Umwelt vor Soziales

Von Jan Schrader, FrankfurtIn der nachhaltigen Kapitalanlage dominieren aus Sicht deutscher Investoren Aspekte rund um Umweltschutz und Unternehmensführung. Während mit Blick auf die Risiken eines Unternehmens die Themen Korruption und Geldwäsche sowie Datensicherheit vorn liegen, sehen Anleger einen “gesellschaftlichen Handlungsbedarf” vor allem in puncto Klimaschutz und Emissionen, Abfälle und Recycling sowie im Umgang mit Wasser, wie eine Umfrage unter 204 institutionellen Anlegern des Münchner Research Center for Financial Services in Kooperation mit der Evangelischen Bank zeigt.Die Studie erlaubt damit eine differenzierte Sicht auf den Begriff der Nachhaltigkeit, dessen Bedeutung oft unklar ist. Denn während die einen den Begriff oft im Sinne gesellschaftlich wünschenswerter Ziele oder schlicht als Synonym von Ethik gebrauchen, verstehen andere Nachhaltigkeit im ökonomischen Sinne und damit vor allem als Kennziffer für die wirtschaftlichen Perspektiven eines Unternehmens. Umwelt- und Klimathemen stehen in beiden Sichtweisen insgesamt vorn, wie die Umfrage zeigt. Vor allem seit der Klimaschutzkonferenz 2015 haben diverse Initiativen das Thema in die Finanzbranche getragen und damit offenbar auch die Wahrnehmung deutscher Investoren geprägt.Soziale Aspekte liegen zurück und gelten mit Ausnahme von Arbeits- und Produktionsbedingungen als weniger aussagekräftig für das Risiko von Firmen. Einige Themen wie der Tierschutz oder das für katholische Kirchenbanken relevante Reizthema Abtreibung fehlen in der Umfrage. Befragt wurden vor allem Banken, gefolgt von Versicherern, Kirchen, Fondshäusern und weiteren Adressen. Insgesamt legen 62 % der Investoren die Mittel überwiegend oder teilweise nachhaltig an, während 23 % den Einstieg planen.Von den nachhaltigen Kriterien, die oft als “ESG” (Environmental, Social, Governance) bezeichnet werden, erwarten Investoren eine höhere Rendite – dabei zeigt sich jedoch ein paradoxes Bild: Ausschlusslisten sind bei Nachhaltigkeitsinvestoren mit 69 % verbreitet, obwohl mehr als zwei Drittel keine Renditevorteile sehen oder gar Abstriche erwarten. Best-in-Class-Ansätze, die für jede Branche die jeweils vorbildlichsten Unternehmen auswählen, führen laut Erwartung einer knappen Mehrheit der Investoren zu mehr Rendite, werden aber mit 32 % eher selten genutzt. Insgesamt ist die Studienlage zum Zusammenhang zwischen nachhaltigen Ansätzen und der Rendite nach Darstellung der Autoren durchwachsen. Für Negativlisten zeigt sich demnach kein klares Bild, für andere Ansätze unterm Strich aber eine moderat positive Tendenz.Über einen gestalterischen Anspruch über reine Renditeziele hinaus gibt die Umfrage nur wenig Auskunft. Der Einfluss von oft genutzten Negativlisten auf Kurse von Anleihen und Aktien gilt als gering – ziehen sich Anleger aus ethischen Gründen von bestimmten Unternehmen zurück, treten andere Investoren an ihre Stelle, wie der Hamburger Wirtschaftsprofessor und Nachhaltigkeitsforscher Timo Busch argumentiert (vgl. BZ vom 30. November). Der Einflusshebel wäre somit gering. Einen “Engagement”-Ansatz hingegen, also der Austausch mit Unternehmen, wird mit 16 % aber nur von wenigen verfolgt. Hier stufen die Befragten vor allem die Stimmrechtsausübung sowie den Dialog mit der Unternehmensführung als sinnvoll ein, während sie die Androhung von Anteilsverkäufen und eine Klage gegen Unternehmen teils skeptisch sehen.