Nachholbedarf bei US-Investoren

Integrierte Datenhaltung durch ein IBOR

Nachholbedarf bei US-Investoren

Haben Sie in den letzten zwei Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht? Können Sie bei einem Auto den Reifen wechseln und haben sich dies bestätigen lassen von einer dafür zertifizierten Werkstatt? Haben Sie Ihre sämtlichen Autofahrten der letzten zwölf Monate in einer Liste mit Fahrtziel und Streckenlänge dokumentiert? Glückwunsch! Dann können Sie weiterhin einen Mietwagen bekommen. Wenn Sie diese Voraussetzungen nicht erfüllen, gibt es keinen mehr. Denn ab heute gilt die novellierte Verordnung “Mietwagen im Fahrbetrieb in Deutschland”, kurz Mifid II.Ein Spaß zwar – aber stellen Sie sich vor, dies würde wirklich gelten. Dann wissen Sie, wie Sie sich als Manager in der Vermögensverwaltung fühlen würden, der nichts weiter tun will, als an einem Handelsplatz innerhalb der Europäischen Union (EU) Wertpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. Ihnen nützt es dann nichts zu sagen: Bisher genügten doch fürs Mieten eines Autos der Führerschein und eine Kreditkarte. Nein, jetzt sind neue Vorschriften in Kraft, die mehr Sicherheit und Transparenz gewährleisten sollen. Große UnsicherheitBesonders herausgefordert sind institutionelle Investoren, Fondsmanager und Pensionskassen (Buy Side) mit Sitz außerhalb der EU. So muss mehr als die Hälfte der nordamerikanischen Investoren (58 %) die neue EU-Richtlinie Mifid II (Markets in Financial Instruments Directive II) beachten und sich darauf einstellen. Dies hat eine Umfrage von SimCorp im September 2017 ergeben. Von diesen Investoren waren seinerzeit nur 23 % sicher, dass sie alle nötigen Schritte rechtzeitig eingeleitet haben und über einen entsprechenden Maßnahmenplan verfügen. Die übrigen 77 % waren davon nur teilweise oder gar nicht überzeugt.Nur drei Monate vor Inkrafttreten der Richtlinie waren immer noch 28 % der nordamerikanischen Buy-Side-Akteure unsicher, ob und in welcher Form sie überhaupt betroffen sind. Als wesentliche Herausforderungen nannten 56 % die Anforderungen an das Transaction Reporting, 50 % das generelle Verständnis der neuen Marktstruktur und 45 % die Trennung von Research und Orderausführung.Diese Unsicherheit ist nicht verwunderlich, denn Mifid II ist aus Investorensicht eines der größten jemals umgesetzten Regulierungsvorhaben. Es fordert unter dem Schlagwort “Order Record Keeping” die Dokumentation und Verknüpfung unterschiedlichster Daten quer über alle Anlageklassen, geografische Regionen, Geschäftsfelder und IT-Systeme. Eine Möglichkeit dazu ist die integrierte Datenhaltung in einem Investment Book of Records (IBOR), das alle Bestände und Transaktionen erfasst. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz hilft zudem bei den Anlageentscheidungen (Front Office).In der Praxis beginnen die Probleme für manchen Investor jedoch bereits bei den ersten nötigen Schritten. Wer als Finanzmarktakteur noch keinen “Legal Entity Identifier” (LEI) hat, durch den er eindeutig von anderen Marktteilnehmern unterschieden werden kann, benötigt ihn spätestens jetzt, wenn er im EU-Raum tätig sein will. Mancher nordamerikanische Assetmanager hat bis heute keinen LEI beantragt und erhalten, so dass er keine Transaktionen in der EU vornehmen kann – zumindest nicht mehr ab Juli 2018. Denn nur bis dahin gewährt die EU-Marktaufsichtsbehörde (ESMA) unter bestimmten Bedingungen Aufschub. Auch benötigen seine Kunden jeweils einen eigenen LEI, worauf er sie frühzeitig hätte hinweisen sollen. Noch drängender als in den USA, wo der LEI bereits recht verbreitet ist, ist das Problem aktuell in den asiatischen Märkten.Natürliche Personen müssen mit einer eindeutigen Nummer, beispielsweise ihrer Sozialversicherungsnummer oder der Nummer ihres Reisepasses, identifizierbar sein. Dies gilt sowohl für Kunden als auch für Mitarbeiter. Hier sind je nach Heimatland der betroffenen Personen zusätzliche Regeln zu beachten wie zum Beispiel der individuelle Datenschutz. Kommende Monate zeigen esNoch aufwendiger wird es beim Erfüllen der neuen Anforderungen hinsichtlich der Datenhaltung insgesamt und der Dokumentation der Vergangenheit. Hier kollidiert der bisherige US-amerikanische Ansatz mit den EU-Vorgaben. Denn bisher wurden im angelsächsischen Raum bevorzugt Einzelsysteme für die verschiedenen Bereiche eingesetzt (Best of Breed), die zur Erfüllung der Mifid-II-Anforderungen nun stärker miteinander verzahnt werden müssen. Für manchen Investor stellt sich damit die Frage, ob er dies für eine grundsätzliche Umstellung auf ein integriertes System nutzt und so ein Investment Book of Records aufbaut. Spürbare ProblemeIn den kommenden Wochen und Monaten wird sich zeigen, wie schnell sich die Investoren außerhalb der EU auf die neuen Regeln einstellen. Noch gibt es – wie die SimCorp-Umfrage in den USA und Kanada gezeigt hat – viel Nachholbedarf, der zu spürbaren Problemen bei einzelnen Häusern führen kann.Erneut bestätigt sich damit ein wesentlicher Trend der vergangenen Jahre in der Assetmanagement-Branche: Wer nachhaltig erfolgreich für seine Kunden agieren will, braucht eine integrierte und zugleich sehr differenzierte Datenbasis, die möglichst in Echtzeit verschiedenste Aktionen mit all ihren Auswirkungen unterstützt und dokumentiert.Die neuen regulatorischen Vorschriften durch Mifid II verstärken diesen Trend, der zugleich von den immer weiter wachsenden Anforderungen der Buy-Side-Kunden an das Reporting ihres Assetmanagers getrieben wird. Dies sollten die Fondsanbieter, Pensionseinrichtungen und anderen Vermögensverwalter als Chance begreifen und nutzen.—Carsten Kunkel, Global Head of the SimCorp Regulatory Center of Excellence