Nächste Runde im Streit über Provisionen
Nächste Runde im Streit über Provisionen
Finanzexperte fällt vernichtendes Urteil über EU-Kleinanlegerstrategie – Unmut über Berichtsentwurf im Parlament
rec Brüssel
Die Auseinandersetzung über ein EU-weites Verbot von Provisionen in der Anlageberatung geht in die nächste Runde. Harsche Kritik kommt vom Finanzexperten Philipp Eckhardt: In einer Analyse für das Forschungszentrum CEP, die der Börsen-Zeitung vorliegt, bezeichnet er die Kleinanlegerstrategie der EU-Kommission insgesamt als "missglückt". Eckhardt lehnt insbesondere jegliche Form von Provisionsverboten ab, wovon eine abgespeckte Form angedacht ist.
Gegen entsprechende Pläne der EU-Kommission spricht sich auch die federführende Europaabgeordnete Stéphanie Yon-Courtin aus. Die Französin aus der liberalen Renew-Fraktion hat Vorschläge unterbreitet, Pflichten zum Verbraucherschutz zu entschärfen. So plädiert Yon-Courtin gegen ein Teilverbot von Provisionen im beratungsfreien Geschäft. Dafür erhält sie Applaus aus der Finanzbranche und Kritik von Kollegen im Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ).
Der SPD-Europaabgeordnete René Repasi unterstellt Yon-Courtin, vor der Finanzbranche eingeknickt zu sein. Ihr Berichtsentwurf lösche zugunsten des Finanzsektors sämtliche verbraucherschützenden Verbesserungen der Gesetzesinitiative. Damit stelle er "einen deutlichen Rückschritt dar". Repasi stellt klar, dass sich seine Fraktion mehr denn je für ein "konsequentes Provisionsverbot" einsetzen werde und dafür, das Preis-Leistungs-Verhältnis für Anleger zu optimieren.
Verunsicherte Makler
In mehreren Verbänden der Finanzindustrie sorgt der Vorstoß aus dem EU-Parlament, selbst das bereits abgespeckte Provisionsverbot für das beratungsfreie Geschäft zu streichen, hingegen für Erleichterung. Unwidersprochen bleibe allerdings das von der Kommission vorgeschlagene Provisionsverbot für unabhängige Beratung, schränkt der Versicherungsverband GDV ein. Man werde sich "weiterhin für die Koexistenz beider Vergütungsformen einsetzen", also Provisionsvertrieb und Honorarberatung.
Vor allem im Lager von Versicherungsmaklern hat die Kleinanlegerstrategie Unruhe ausgelöst. Die Makler treibt um, ob sie überhaupt weiterhin Beratungsdienste auf Basis von Provisionen der Produktanbieter, also ohne das Prädikat der Unabhängigkeit, anbieten dürfen. Es geht um ihre berufliche Existenz. Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) hat dazu eigens ein Gutachten eingeholt und gibt vorsichtig Entwarnung.
Die Frage der Unabhängigkeit im Versicherungsgeschäft lodert indes weiter. "Die EU muss mit der Kleinanlegerstrategie dafür sorgen, dass Versicherungsvermittler in Deutschland nicht irreführend mit dem Wort ‚unabhängig‘ auftreten oder werben können", fordert Dorothea Mohn, Leiterin Team Finanzmarkt bei der Verbraucherzentrale (VZBV). "Es muss gesetzlich klargestellt werden, dass bei einer unabhängigen Beratung grundsätzlich kein Geld vom Produktgeber zum Berater fließen darf."
Diesen und weitere strittige Aspekte der EU-Kleinanlegerstrategie wie die Einführung von Richtwerten (Benchmarks) für das Preis-Leistungs-Verhältnis müssen EU-Parlament und EU-Staaten klären. Verhandlungen können sie indes erst aufnehmen, wenn sie ihre jeweiligen Standpunkte festgelegt haben. Anderthalb Jahre nach einer etwaigen Einigung träten die neuen Regeln in Kraft.
"Hoffentlich wird es in der zurzeit diskutierten Form nie dazu kommen", urteilt CEP-Finanzexperte Eckhardt. Etliche Maßnahmen seien "aus ordnungspolitischer Sicht mehr als fragwürdig". Der vorgeschlagene Best-Interest-Test im Sinne der Verbraucher sei unlogisch, bevormundend, zu kostenfokussiert, wettbewerbsverzerrend und einseitig. Zudem moniert Eckhardt staatliche Eingriffe in die freie Preisgestaltung, die "in der wettbewerbsintensiven Finanz- und Versicherungsbranche nichts zu suchen" hätten.