Naga-Aktie in der Volatilitätsfalle
Die Aktie des Fintech-Unternehmens Naga Group erlebte in ihrer ersten Handelswoche erst irrationalen Überschwang und dann den Furor misstrauisch gewordener Investoren.Von Björn Godenrath, FrankfurtEs gibt wieder deutsche Börsengänge von Wachstumswerten in früher Entwicklungsphase – und bei den Anlegern zucken die alten Reflexe. Geradezu lehrbuchhaft vollzog sich diese Entwicklung bei der am vergangenen Montag ihr IPO (Initial Public Offering) feiernden Naga Group. Kurz nach dem Handelsstart im Segment Scale hatte sich der Kurs der zu 2,50 Euro je Titel ausgegebenen Papiere bereits mehr als verdreifacht, zur Wochenmitte bereits verfünffacht, was den Unternehmenswert auf sagenhafte 300 Mill. Euro stellte.Dabei war kaufwütigen Investoren durchaus bekannt, dass das in Hamburg ansässige Fintech bislang nur geringe Umsätze einfährt und dabei rote Zahlen schreibt, es sich also um einen Zukunftswert handelt, der sich klassischen Bewertungsmustern börsennotierter Gesellschaften entzieht. Anders formuliert handelte es sich beim IPO um die Aufnahme von Risikokapital über eine Börsenplatzierung – mit allen Risiken und Nebenwirkungen, die solchen Emissionen anhaften.Die wurden dann am Donnerstag schlagend, als bekannt wurde, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Naga-Group-Mitgründer Yasin Sebastian Qureshi wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung Ermittlungen aufgenommen hat. Qureshi war Gründer und lange Chef der an der Waterkant tätigen Varengold Bank, wo er im Unfrieden ausschied. Bei Varengold jagt derzeit eine Kapitalerhöhung die nächste, das Unternehmen bewegt sich offensichtlich in schwerem Fahrwasser. Dass nun Qureshi ins Visier genommen wird – die Ermittlungen betreffen seine Varengold-Vergangenheit -, mag in dem Kontext nicht unbedingt überraschen. Bis geklärt wird, ob er sich tatsächlich etwas zuschulden hat kommen lassen, wird Zeit vergehen.An der Börse setzten jedenfalls Panikverkäufe in der Naga-Aktie ein, das Papier gab auf Tradegate gut 40 % ab, auf Xetra betrug das Kursminus gut 20 % – wobei die Aktie schon vorbörslich auf Tradegate ähnlich volatil hin und her gespielt wurde. Auch am Freitag stand die Aktie unter Druck und gab 19,6 % auf 8,40 Euro ab.Nun stehen Investoren vor der Frage, ob es sich bei der hohen Bewertung um heiße Luft gehandelt hat oder ob das Papier zu Recht als Hoffnungswert gilt. Die Holding ist ein leicht unübersichtlicher Mischmasch mit drei Geschäftszweigen. Neben dem Handelsgeschäft (Hanseatic Brokerhouse), das Devisenhandel (Forex) anbietet und ausländische Kunden über eine zypriotische Lizenz für Differenzkontrakte (CFD) bedient, sind das die Social-Trading-App SwipeStox sowie die geplante Handelsplattform für virtuelle Güter Switex. An der hat die Deutsche Börse 40 % erworben und die Naga Group dem Börsenprospekt zufolge dazu verpflichtet, mindestens 2 Mill. Euro in die Entwicklung dieser Plattform zu investieren. Von außen betrachtet liegt die Vermutung nahe, dass die Börse eine ausführliche Due Diligence bei ihrem Geschäftspartner durchgeführt hat. Eine Nummer zu kleinDie Deutsche Börse ist aber nicht der einzige große Name, mit dem die Naga Group aufwarten kann. Die chinesische Fosun hat 12,5 Mill. Euro in Naga investiert – normalerweise ist das nicht die Kragenweite des mit Milliarden hantierenden Investors. Fosuns Engagement ist aber ein Fingerzeig, warum den Börsenneuling eine gewisse Euphorie begleitet hat: Für die knapp bemessene Emission bestand schon eine satte Vorbewertung – und da fällt es tradingfreudigen Anlegern dann schon mal leichter, zuzugreifen. Und wo Spekulantentum auf einen marktengen Wert trifft, explodiert der Kurs dann in beide Richtungen.In gewissem Sinne rächt sich damit, dass Naga nur eine kleine Emission gemacht hat. Im Prospekt wird angekündigt, nach den 2,5 Mill. Euro aus dem IPO in zwei Schritten weitere 40 Mill. Euro einzusammeln – wie zu hören ist, liebäugelt das Management auch mit einem Initial Coin Offering (ICO), wo auf eigene Faust unreguliert per Blockchain Gelder fließen. Wird Fosun weitere Mittel in ein deutsches Fintech pumpen? Die Chinesen dürften kaum auf den aufsichtlich begrenzten CFD-Handel setzen. Das Social-Trading-Umfeld ist zwar jung, aber schon umkämpft – obwohl Fosun einem Rollout in China helfen könnte.Die meiste Fantasie steckt offenbar im Handelsplatz für virtuelle Güter. Die Gaming-Branche ist riesig und lässt sich digital anbinden. Die Spieler sind meist mit ausreichend Budget unterwegs, um sich das kleine Extra zusätzlicher virtueller Schwertkraft zu erkaufen. Switex hat allerdings Verspätung, sollte eigentlich schon angelaufen sein und dürfte erst 2018 für Betrieb sorgen.Was in die gruselige Liste an Pro-forma-Finanzinformationen aus dem Börsenprospekt führt – dass ein so junges Unternehmen schon so komplex ist, kann Argwohn schüren. Das wird weiter genährt durch in die Höhe geschraubte immaterielle Vermögenswerte – die im Wege der Sacheinlage erworbene Swipy-Technologie wurde offenbar mit 20 Mill. Euro bewertet, was das Eigenkapital aus negativem Terrain hievte.Schönheitsfehler der Emission ist, dass die Fosun-Tochter Hauck & Aufhäuser den Börsengang mit Listing im neuen Wachstumssegment Scale arrangierte. Das stellt einen latenten Interessenkonflikt dar – dabei gibt es genug Adressen in Frankfurt, die eine solche Emission hätten begleiten können. Und für die Deutsche Börse ist das Naga-Listing im Segment Scale, das sich abheben soll von den Sünden des Neuen Marktes, nicht optimal gelaufen. Man hätte auf ein größeres Emissionsvolumen dringen und auf eine IPO-Bank bestehen sollen, die nicht zum Großaktionär gehört. Nicht zu verantworten hat der Marktbetreiber indes, dass Spekulanten ihren eigenen Hype um ein Fintech veranstalten. Aktien kauft oder verkauft ein Investor immer noch auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.