Nagelprobe für Debitos
Für das Geschäftsmodell des Frankfurter Fintechs Debitos, Betreiber einer Sekundärmarkt-Plattform für faule Kredite, bedeutet die Corona-Pandemie die Nagelprobe. Bis Ende kommenden Jahres dürfte sich das Volumen notleidender Kredite europaweit verdoppeln, meint Gründer Timur Peters.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Corona-Pandemie beschert dem Frankfurter Fintech Debitos eine Nagelprobe ihres Geschäftsmodells: Wann, wenn nicht jetzt, da sich die Kreditausfälle den Erwartungen zufolge im zweiten Halbjahr häufen werden, kann der Betreiber einer Sekundärmarkt-Plattform für notleidende Forderungen zeigen, dass sein Konzept fliegt?Entsprechend bläst die Gesellschaft zur Offensive: “Wir rechnen damit, dass sich das Volumen notleidender Kredite bis Ende 2021 europaweit verdoppeln wird”, sagt Gründer Timur Peters der Börsen-Zeitung. Dies soll das Geschäft auf der Plattform beleben: “Zu Beginn der Coronakrise war der Markt für notleidende Kredite eingefroren”, berichtet Peters. “Mittlerweile ist aber schon wieder richtig Bewegung drin. Vom Preisniveau her stehen wir in Deutschland zumindest wieder bei etwa 90 % Prozent im Vergleich zu vor der Krise.” Finanzvorstand und Chief Operating Officer Ulrich Sprenzel prognostiziert, dass sich die Banken von Lasten befreien werden, wenn sich die Lage normalisiert: “Im dritten und vierten Quartal, wenn sich die Kreditausfälle häufen dürften, werden die Schmerzen der Banken zunehmen.” Verkäufe werden günstigerSchon im April hatte der Plattformbetreiber seine Provisionssätze für die Vermittlung von Käufern und Anbietern fauler Forderungen im Mittel um 40 % gesenkt, was Peters indes nicht in einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellen will: “Unser neues Gebührenmodell hatten wir unabhängig von Corona schon länger konzipiert. Das alte Modell war einfach etwas komplex”, erklärt er.Seit ihrer Markteinführung 2012 sind über die Plattform von Debitos zwar bereits 290 Transaktionen im Nominalvolumen von rund 5 Mrd. Euro über die Bühne gegangen. Angesichts des immensen Drucks, mit welchem die europäische Bankenaufsicht schon seit Jahren darauf dringt, dass die Institute ihre Bestände an notleidenden Forderungen (NPL) reduzieren (siehe Grafik), liegt durchaus die Frage auf der Hand: Warum eigentlich nicht viel mehr?Am Apparat liegt es nicht, wie man bei Debitos versichert. Peters zufolge ist die Plattform der 17 Mitarbeiter zählenden Gesellschaft technisch letztlich beliebig skalierbar.Seit Gründung des Fintechs haben sich 2 000 Personen auf der Plattform registriert, Ende Juni waren davon knapp 900 in 16 Ländern Europas aktiv. Zum Kundenkreis zählt Peters “Landesbanken und andere öffentlich-rechtliche sowie private Banken, aber auch Absatzfinanzierer für Automobile sowie Konsumfinanzierer”. Hinzu kämen “Sparkassen, die früher nie mit uns zu tun hatten, nun aber mit Schuldschein-Engagements Probleme bekommen haben”.Was konzeptionell Hand und Fuß haben mag, stößt in der Praxis indes mitunter auf Hürden. Die Beharrungskräfte in den Reihen potenzieller Anbieter fauler Forderungen sind offenbar beträchtlich. Manches Institut schleppt ganz wacker noch immer aus der Zeit der Finanzkrise datierende NPL mit sich herum.Andere Adressen fürchten um Erträge, die sie mit der Bearbeitung von NPL selbst vereinnahmen können. Pläne, Debitos als einen mit dem Plazet der EU-Kommission versehenen NPL-Handelsplatz zu etablieren, hat zuletzt die Pandemie durchkreuzt: “Leider sind die Herren, mit denen wir dazu in Kontakt stehen, intensiv mit anderen Themen beschäftigt”, erklärt Peters.Im vorvergangenen Jahr sprang zudem kurzfristig eine große Adresse als künftiger Geschäftspartner ab, von der sich Debitos einen Ertragsschub erhofft hatte. In der Folge hat das Unternehmen seine Planung für 2018 verfehlt. Finanzvorstand Sprenzel beziffert den Umsatz auf 1,5 Mill. Euro; geplant waren 1,8 Mill. Euro. Vor Steuern steht ein Verlust von rund 200 000 Euro zu Buche anstatt eines Gewinns in ähnlicher Größenordnung. Auch für 2019 sei keine schwarze Null zu erwarten, sagt Sprenzel und verweist auf Investitionen in eine Zusammenarbeit mit dem italienischen Finanzdienstleister Dovalue, bei dem Debitos nun in der Tat zum Zuge kommt, wie die Gesellschaft vor wenigen Tagen publik gemacht hat. Kooperation mit DovalueBeide Parteien informierten über eine neue NPL-Online-Handelsplattform namens Dolook, bei der Dovalue in Italien exklusiv mit Debitos kooperiert. Die Frankfurter haben die Plattform eigenen Angaben zufolge “als Shop-in-Shop-Lösung” entworfen, so dass auf Debitos registrierte Investoren auch Zugriff auf die Angebote von Dovalue haben. Noch im laufenden Jahr erwarte man dort Kreditverkäufe mit einem Nominalvolumen von mehreren Milliarden Euro, teilt Debitos mit. “Hier sind Stand Ende Juni bereits mehr als 2 500 Transaktionen live”, erklärt Sprenzel und frohlockt: “Diese Kooperation sichert uns das Wachstum für Italien und weitere südeuropäische Länder für die kommenden Jahre.” Angesichts der Ungewissheit in Zeiten der Pandemie will er gleichwohl keine Umsatzprognose fürs laufende Jahr wagen.