Nationalbank mit Rekordverlust

Bund und Kantone erhalten trotzdem Dividende - Ausschüttungsreserve wird fast komplett geleert

Nationalbank mit Rekordverlust

Mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses hat sich die Schweizer Zentralbank im vergangenen Jahr den höchsten Verlust ihrer 108-jährigen Geschichte eingebrockt. Doch so schlecht, wie das Ergebnis aussieht, ist es gar nicht – immerhin reichen die Reserven aus dem Vorjahr noch für eine Ausschüttung.Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im vergangenen Jahr im Zuge der Aufhebung des Euro-Mindestkurses und der damit verbundenen wechselkursbedingten Abwertung der hohen Devisenbestände einen Rekordverlust von 23 Mrd. sfr (21,2 Mrd. Euro) eingefahren. Das am Freitag mitgeteilte provisorische Ergebnis sieht damit nur noch halb so schlecht aus wie der Verlust von 50 Mrd. sfr zur Jahresmitte. Nach einem Gewinn von 16 Mrd. sfr im dritten Quartal gab es auch in den letzten drei Monaten des Jahres ein positives Ergebnis von 11 Mrd. sfr. Dollar und Börsen helfenDank dieses Aufholeffekts, der insbesondere dem stärkeren Dollar, aber auch den höheren Kursen an den Aktienmärkten und anderen Faktoren zu verdanken ist, kommt die öffentliche Hand doch noch in den Genuss einer Ausschüttung von insgesamt 1 Mrd. sfr. Ein Drittel davon fließt in die Bundeskasse, zwei Drittel kommen den 24 Kantonen zu.Das vorliegende Ergebnis erinnert nicht nur in seiner Höhe an den bisherigen Rekordverlust von 21 Mrd. sfr im Jahr 2010. Auch der Umgang mit dem Ergebnis weckt Erinnerungen an damals. Der seinerzeitige Verlust hatte die bis dahin gut gefüllte Ausschüttungsreserve der SNB vollends dahingerafft. Bund und Kantone mussten plötzlich um ihren willkommenen jährlichen Zuschuss bangen, der zu jener Zeit noch 2,5 Mrd. sfr betragen hatte und an den sich die Finanzdirektoren während neun Jahren gewöhnen durften. Ein Ausfall dieses Budgetpostens war umso bedrohlicher, als die wirtschaftlichen Perspektiven damals alles andere als verheißungsvoll aussahen und die Schweiz 2009 eine schwere Rezession durchmachte.Die SNB machte das Geld schließlich doch locker. Nicht zuletzt die Kantone, die im Bankrat der SNB selbst stark vertreten sind, setzten durch, dass die Notenbank ihre Rückstellungen für Wertschwankungen auf den Devisenreserven von fast 4 Mrd. sfr auf weniger als 1 Mrd. sfr reduzierte. Rückstellungsentscheidungen fallen in die Kompetenz des Bankrats, der im Unterschied zu dem von Thomas Jordan geleiteten dreiköpfigen Direktorium auch nach politischen Kriterien zusammengesetzt ist. Der Beschluss im Januar 2011 ließ auch außenstehende Beobachter erkennen, dass Beschlüsse über die Höhe dieser Rückstellung eine politisch motivierte Sicherstellung der Ausschüttung zum Hintergrund haben können.Heute scheint es auf den ersten Blick, als hätte der Bankrat erneut eine politische Entscheidung getroffen. Die Rückstellung zur Deckung der Wertschwankungsrisiken in den Währungsreserven wird mit 1,4 Mrd. sfr deutlicher tiefer angesetzt als im Vorjahr (2 Mrd. sfr), und sie liegt weit unter dem Mittel der vergangenen Jahre von mehr als 3 Mrd. sfr. Doch im Unterschied zu 2011 scheinen sich die SNB-Bankräte diesmal an ihre eigenen Vorgaben gehalten zu haben.Die niedrigere Rückstellung ist das Ergebnis des deutlich geringeren Wirtschaftswachstums in der Schweiz, an das die Höhe der Rückstellung formal geknüpft ist. Als Vorgabe gilt das Doppelte der durchschnittlichen nominalen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts der vergangenen fünf Jahre. Diese erreichte für den aktuell relevanten Zeitraum nur noch 1,3 %, verglichen mit 1,8 % für die Fünfjahresperiode bis 2014 beziehungsweise sogar 2,9 % für die direkt davor liegende Periode 2009 bis 2013. Rückstellung entscheidendDie Höhe der Rückstellung kann den Ausschlag über eine Ausschüttung geben. Bevor die SNB nämlich den Bund und die Kantone bedient, entnimmt sie dem Jahresergebnis den Betrag für die Schwankungsreserve. Der Rest verbleibt in der Ausschüttungsreserve, die der Gewinnverteilung in den darauffolgenden Jahren dient. Nach dem Rekordgewinn von 38 Mrd. sfr im Jahr 2014 lagen 27,5 Mrd. sfr in der Ausschüttungsreserve. Diese schrumpft nun mit dem Jahresverlust und der Reservezuweisung auf nur noch 2 Mrd. sfr.Eine Mehrheit der Kantone und auch der Bund hatten die diesjährige Ausschüttung der SNB in ihren Budgets mindestens teilweise fest eingeplant. Mit einem Ausfall wäre die Haushaltsplanung vieler Kantone aus dem Gleichgewicht geraten, was zu einer Verschärfung der bereits sehr weit verbreiteten Sparprogramme geführt hätte. Ein Ausfall der Ausschüttung hätte den ohnehin schon erheblichen politischen Druck auf die Franken-Wächter wohl zusätzlich erhöht. Viele Kantone darbenFür das laufende Jahr rechnet nur etwa ein Drittel der Kantone mit einem ausgeglichenen oder positiven Haushalt. Vor diesem Hintergrund ist die Ausschüttung der SNB für die öffentlichen Finanzen umso wichtiger. Zwar haben die SNB-Ausschüttungen mit maximal 1,2 % der Gesamteinnahmen und bis zu 3,5 % der Fiskaleinnahmen in den Kantonen optisch keine tragende Rolle, aber in knappen Zeiten wie diesen können sie den Unterschied zwischen Sparpolitik und Normalität ausmachen.