IM INTERVIEW: HEIKO BECK

"Natürlich spricht einiges für vereinheitlichte Strukturen"

Chef der DWP Bank sieht Chancen durch Ertrags- und Kostendruck in der Kreditwirtschaft - "Trotzdem keine rasche Konsolidierung" technischer Systeme

"Natürlich spricht einiges für vereinheitlichte Strukturen"

– Herr Dr. Beck, 2015 war ein gutes Wertpapierjahr, was sich auch für die DWP Bank ausgezahlt hat. Im laufenden Jahr ist das Wertpapiergeschäft schwächer. Wie geht es für Ihr Institut weiter?Die aktuellen Transaktionszahlen sind etwas unter dem Niveau von 2015. Die Ergebnisse sind jedoch stabil, und wir gehen aktuell davon aus, dass wir dieses Niveau auch im nächsten Jahr halten werden.- Die Zahl der Depots ist in den vergangenen Jahren gesunken. Wie lassen sich da noch Skaleneffekte erzielen?Die Zahl der Depots ist aber nur eine Kenngröße. Es ist natürlich nicht schön, wenn es in Deutschland immer weniger Depots gibt, aber die Zahl sinkt leider weiter, wobei sich der Trend etwas abschwächt. Auf der anderen Seite nehmen die Zahl der Depotpositionen und das Volumen zu. Unsere – zum großen Teil deutschen – Kunden halten also mehr Wertpapiere und Fonds, und sie halten größere Vermögen. Das Volumen wächst aber vor allem marktgetrieben. Einen signifikanten Trend, dass die Deutschen anteilig mehr Geld in Wertpapiere und Fonds investieren, können wir bislang in unserem Geschäftsvolumen nicht erkennen.- Was machen Sie, falls die Zahl der Depots weiter abnimmt?Die Entwicklung ist nicht so bedeutsam, wie es den Anschein hat. Die Depots, die wir verloren haben, sind eher Leerdepots oder kleine Depots. Und der Rückgang verläuft momentan sehr langsam. Daher erwarten wir, dass wir bald den Boden erreicht haben. Insofern bereitet uns das derzeit kein Kopfzerbrechen.- Die DWP Bank ging 2003 aus einer Fusion hervor und hat immer mehr Systeme auf der Wertpapierplattform WP2 integriert. Wie wichtig ist die Konsolidierung der Dienstleistung?Es ist natürlich wichtig, dass es nicht zu viele technische Plattformen gibt. In der Entwicklung der DWP Bank wurde daher alles zum Kernsystem WP2 zusammengeführt. Mindestens genauso wichtig ist aber unter Qualitäts- und Effizienzaspekten, die Angebote auf dieser Plattform möglichst weit zu standardisieren.- Was bedeutet das für Ihr Institut?Die DWP Bank blickt auf eine Veränderungs- und Wachstumsentwicklung zurück, in der sie viele Systeme integriert hat. Bis vor ungefähr drei Jahren war die Bank überwiegend mit der Migration von Systemen und Kunden auf eine Plattform beschäftigt. Seitdem haben wir verstärkt an der Standardisierung gearbeitet und den Standard-Servicekatalog neu gestaltet. Diese neue Strukturierung unserer Services werden wir bis zum Jahresende abgeschlossen haben.- Was ändert sich für Ihre Kunden?Es wird übersichtlicher, und wir denken unsere Prozesse und unsere Services nun stärker von den Geschäftsmodellen unserer Kunden her. Wir geben damit einerseits einen Impuls Richtung Standard, um die Effizienz zu steigern, wollen aber andererseits auch passgenauere Services anbieten. Das mag zunächst wie ein Widerspruch klingen, ist es aber nicht. Es geht uns ähnlich wie der Automobilindustrie: Wir brauchen eine gemeinsame Plattform, also zum Beispiel gleiche Achsen, gleiche Getriebe, gleiche Motoren, aber eben unterschiedliche Karosserien, je nach Kundenwunsch. Wir brauchen Standards, die wir sehr effizient erzeugen, wir müssen aber auch in der Lage sein, einen “Standard plus” zu generieren. Ab Anfang 2017 werden wir unseren Kunden sagen können, wie ihr jeweiliges Service-Portfolio künftig aussieht, was sie als Standard und was sie als individuelle Leistung beziehen können.- Für welche Kunden wird es billiger, für welche teurer werden?Das ist im Moment schwer zu sagen, weil wir mit den Einzelkundensimulationen erst noch beginnen werden. Insgesamt werden sich besonders die Transaktionen sicher deutlich günstiger entwickeln.- Sind die Angebote zu teuer?Nein, es geht vielmehr um die Frage, wie die Angebote strukturiert werden. Bisher hatten wir sehr viele Einzelservices und Gebühren, wir hatten also ein gewachsenes Modell. Dieses werden wir jetzt deutlich vereinfachen. Im Transaktionsbereich ist die DWP Bank aber bereits sehr ordentlich aufgestellt; im Depotbereich können wir aber – und da sind wir nicht die Einzigen im Markt – noch einiges tun. Eine Facette dabei ist die Regulierung. In den vergangenen Jahren kam nämlich eine Fülle neuer Melde- und Dokumentationspflichten und sonstiger regulatorischer Anforderungen hinzu, die wir rechtssicher in unsere Services integriert haben. Auch deshalb haben wir unser Angebot jetzt entsprechend neu strukturiert.- Zuletzt war im Gespräch, ob die DWP Bank stärker mit Clearstream, der Tochter der Deutschen Börse, kooperieren sollte. Auch über eine Fusion wird spekuliert.Da gibt es im Moment nichts zu berichten. Wir haben mit Clearstream, wie mit vielen anderen Marktteilnehmern, vielfältige Geschäftsbeziehungen. So sind wir mit einem technischen Verwahrvolumen von 2,4 Bill. Euro per Ende 2015 ein großer Clearstream-Kunde. Wir arbeiten aber zum Beispiel auch mit Verwahrstellen zusammen, die wiederum für Clearstream tätig sind. In unserem Segment arbeiten wir alle in einem eng verbundenen Netzwerk, dementsprechend spricht man auch miteinander. Mehr gibt es zu diesem Thema im Augenblick nicht zu sagen.- Also Sie sprechen miteinander, aber nicht über einen Zusammenschluss?Wenn Sie einmal die Spekulationen außen vor lassen: Wir haben national natürlich eine gewachsene Wertschöpfungskette: Da ist zunächst der Handel über die Börse. Daneben steht das Clearinghaus, also die Abwicklung und Endverwahrung. Dann kommen Wertpapierservice-Banken wie die DWP Bank, aber auch andere Häuser. Wir sind an dieser Stelle die Wegstrecke zwischen einer Clearstream und unseren Kundenbanken. Wir liegen also in der Wertschöpfungskette hintereinander, und dementsprechend gibt es immer Ideen, die man bespricht.- Zumindest auf Ebene einer Wertpapierplattform ergibt eine weitere Konsolidierung durchaus Sinn.Wir haben mit WP2 eine einzigartige Plattform in Deutschland mit einem Multi-Mandanten-fähigen System, wir haben rund 1 500 Teilnehmer auf dem System, und wir könnten auch noch mehr bearbeiten. Trotzdem wird es meines Erachtens keine rasche Konsolidierung geben. Es geht dabei für viele Banken auch um strategische Fragen, sie wollen ihre eigenen Plattformen nicht ohne Weiteres aufgeben.- Wie lang werden Banken diese Position noch aufrechterhalten können?Natürlich spricht einiges für vereinheitlichte Wertschöpfungsketten und Strukturen. Allerdings ist die Vertriebszeit in unserem Marktinfrastruktur-Geschäft sehr lang: Wenn Sie heute mit potenziellen Kunden sprechen, sagen viele, dass sie derzeit etwa die Vorgaben der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II in ihre Plattform einbauen müssen, dafür sehr viel Geld investieren, aber derart aufwendige Projekte künftig nicht mehr stemmen wollen oder können. Aber eine mögliche Umstellung kommt frühestens nach Abschluss dieses Umbaus in Frage, also erst 2019 oder 2020. Insgesamt denke ich aber, dass der Ertrags- und Kostendruck, der in den nächsten Jahren sicher nicht sinken wird, in Zusammenwirken mit den erheblichen Regulierungsanforderungen uns in Zukunft sicher Marktchancen bieten wird.- Die DWP Bank gilt als national systemrelevant. Könnte die Aufsicht eine weitere Konsolidierung bremsen, damit das Institut nicht zu groß wird?Wir erfreuen uns in der Tat als wesentlicher Teil der Kapitalmarktinfrastruktur aufsichtsrechtlicher Aufmerksamkeit. Aber anders als ein Clearinghaus oder eine Geschäftsbank akkumulieren wir keine Liquiditäts- oder Ausfallrisiken, sondern es geht vor allem um operationelle Risiken. Die Aufsicht prüft, ob wir die Infrastruktur und genügend Ressourcen haben, um die operationellen Risiken des Geschäfts zu managen. Wenn die Transaktionen nicht funktionieren würden, käme es zu einem Verzug, zu Leistungsstörungen, auch bei geringer Größe. Das könnte natürlich zu Schäden führen, aber wir werden bei all unseren Kunden für unsere sehr stabilen Systeme geschätzt.- Zu Ihren Kunden zählt auch die Postbank. Nehmen wir einmal an, dass das Institut, anders als offiziell geplant, doch vollständig in den Mutterkonzern Deutsche Bank integriert wird: Verlieren Sie dann einen wichtigen Kunden?An Spekulationen über einzelne Kunden beteiligen wir uns nicht. Grundsätzlich ist es aber so, dass unsere Kundenbeziehungen immer sehr langfristig ausgelegt und vereinbart sind, insofern können wir kurzfristige Veränderungen bei Kunden mit Ruhe betrachten.- Neben der Konsolidierung auf der Plattform feilen Sie auch an ergänzenden Dienstleistungen. Was hat Ihre Bank dort vor?Wir haben viele Ideen im Haus, welche Services wir anbieten können. Wir konzentrieren uns dabei aber auf die wichtigsten drei Themen. Erstens die Marktfolge Wertpapier, was unter der Abkürzung Back Office Servicecenter läuft. Nach Transaktionen müssen Institute eine ganze Reihe an Prüfungen durchführen, zum Beispiel Compliance-Checks. Für 150 Sparkassen und auch einige Privatbanken bieten wir die Dienstleistung bereits an, und wir streben zunächst an, weitere Sparkassen, idealerweise alle gut 400 Institute, zu bedienen. Zweitens bauen wir die Services für Verwahrstellen aus, also etwa die Einbindung verschiedener Unterverwahrer und Lagerstellen oder die Betreuung in aufsichtsrechtlichen Fragen. Drittens prüfen wir, ob wir die Daten, die wir als zentraler Dienstleister haben, für unsere Kunden besser nutzbar machen können. Wir sehen, wo Geschäft gemacht wird, wie es gemacht wird und wie sich die Geschäftsmodelle entwickeln. Big Data ist für uns deshalb auch ein wichtiges Thema, und wir sind dabei, einige interessante Ideen für unsere Kunden zu entwickeln, befinden uns aber noch in einer frühen Phase.- Sie bauen Dienstleistungen aus, gleichzeitig streichen Sie Stellen. Wie passt das zusammen?Die Bank hat 2014 beschlossen, die Zahl der Vollzeitstellen auf etwa 1 000 zum 1. Januar 2018 zu reduzieren. Das Programm läuft, in Summe geht es noch um circa 160 Vollzeitstellen. Mit dem Personalabbau reagieren wir auf die nach der Finanzkrise stark gesunkenen Geschäftsvolumina, aber auch auf die Systemkonsolidierung, wodurch sich ein Personalüberhang ergeben hat. Der Abbau ist ein schwieriger Prozess, der natürlich nicht spurlos durch das Unternehmen geht. Auf der anderen Seite entwickelt sich unser Geschäft aber weiter. Dort, wo wir spezielles Know-how brauchen und Wachstumschancen sehen, stellen wir daher gezielt Personal ein.- Welche Technologien könnten die Bank weiter verändern?Wir sind sehr stark prozessorientiert, basierend auf Technologie, daher ist die Automatisierung der Abläufe für uns wichtig. Interessant für uns sind zum Beispiel lernende Prüfalgorithmen. Bei Meldungen an die Aufsicht muss beispielsweise stets geprüft werden, ob die Angaben vollständig sind. Der Algorithmus könnte künftig nicht nur erkennen, wo ein Fehler ist, sondern auch, was den Fehler verursacht hat und wie er sich beseitigen lässt.- Was erwarten Sie von der Blockchain-Technik, die Transaktionen in Form von zusammenhängenden Datenblöcken speichert und über ein Netzwerk an Teilnehmer verbreitet?Zur Blockchain wird natürlich unheimlich viel geschrieben. Hat die Blockchain das Potenzial, die heutige Transaktionskette, wie wir sie im Wertpapiergeschäft haben, irgendwann infrastrukturell ein Stück weit abzulösen? Ja, das ist sicher so. Es gibt aber noch ganz viele offene Fragen. Das betrifft die Integrität der Daten und die Regulierung. Ich glaube nicht, dass die Blockchain im Wertpapiergeschäft kurz- oder mittelfristig eine große Rolle spielen wird. Im Zahlungsverkehr mag dies vielleicht anders sein.- Wo liegt der Unterschied?Im Zahlungsverkehr wird lediglich Geld bewegt. So ist es auch bei der Kunstwährung Bitcoin, die auf der Blockchain-Technik beruht. Im Wertpapiergeschäft wird aber nicht nur Geld getauscht, sondern Geld gegen Stücke, also zum Beispiel gegen Aktien oder Anleihen. Das macht die Transaktion komplexer. Daher wird die Blockchain sicher nicht in einem Schritt die derzeitige Wertschöpfungskette ersetzen können, sondern eher in der Peripherie starten, zum Beispiel bei bestimmten Emissionen. Technisch ist für uns entscheidend, dass wir mit unserer Wertpapierplattform WP2 anschlussfähig sind, was neue Technologien betrifft. Damit beschäftigen wir uns. Die Weiterentwicklung unseres Kernsystems gehört daher neben dem Ausbau des Service-Portfolios und der Verbesserung unserer Prozesse zu den zentralen Themen unseres Veränderungsprogramms DWP Bank 4.0.- Wieso ist ein großer Sprung nicht möglich?Grundsätzlich ist es so, dass wir nicht mal eben etwas in unser System einarbeiten können, um dann zu sehen, ob es funktioniert. Im Prinzip gehen wir ähnlich vor wie die Luftfahrtindustrie: Neue Systeme werden erst in ein Flugzeug eingebaut, wenn klar ist, dass sie funktionieren. Und selbst dann ist ein Notfallplan wichtig, falls das neue System doch einmal ausfällt. Bei uns geht es natürlich nicht um Menschenleben, aber immerhin um die Funktionsfähigkeit von Kapitalmarktketten. Entsprechend verantwortungsvoll schauen wir uns die Dinge an.- Die DWP Bank gehört jeweils zur Hälfte der Finanzgruppe der Sparkasse und der Kreditgenossen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit zwei so unterschiedlichen Eigentümern, von denen keiner die Mehrheit besitzt?Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Wir sind ja nicht das einzige sektorübergreifende Unternehmen. Denken Sie etwa an Concardis oder Paydirekt. Wir erfüllen Aufgaben, die nicht wettbewerbsdifferenzierend sind und bei denen eine Zusammenarbeit zwischen Banken und Sparkassen von Vorteil ist. Bei unseren Wertpapierservices profitieren alle Beteiligten von der Bündelung von Kompetenzen und Skaleneffekten. Und so unterschiedlich sind unsere Eigentümer gar nicht: Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind beide sehr erfolgreiche Bankengruppen, die eine hohe Stabilität haben. Und sie verfolgen ähnliche Geschäftsmodelle, wozu insbesondere ein Fokus auf das Privatkundengeschäft zählt.- Schreckt Privatbanken nicht die starke Rolle der Sparkassen und Kreditgenossen als Eigentümer der DWP Bank ab?Die Gefahr sehe ich nicht. Unsere Anteilseigner haben ein Interesse daran, dass sich die DWP Bank positiv entwickelt und wächst. Ein Unternehmen, das möglichst viele Kunden hat, ist ein gutes Investment. Wir sind also an neuen Kunden interessiert und können dies auch glaubhaft vermitteln.- Ihre Eigentümer sehen als Kapitalgeber gerne hohe Gebühreneinnahmen, doch als Kunden wollen sie möglichst geringe Kosten haben. Wie passt das zusammen?Das ist eine typische Konstellation, die Sie in jeder User-owned-Governance-Struktur haben. Der Kunde will den besten Service zu einem geringen Preis, aber die Eigentümer wollen natürlich ein attraktives Investment. Es geht darum, die Balance zwischen beiden zu halten. Am Ende müssen wir uns mit unseren Leistungen und unserer Preispolitik im Markt behaupten. Der Markt ist ein Korrektiv.—-Das Interview führte Jan Schrader.