Im Gespräch:Rupert Graf Kerssenbrock, LPA

Neobroker stellen sich auf Ende der Rückvergütungen ein

Neobroker müssen ab 2026 auf Rückvergütungen verzichten. LPA-Experte Rupert Graf Kerssenbrock erläutert im Gespräch der Börsen-Zeitung ihre Optionen, um dies zu kompensieren.

Neobroker stellen sich auf Ende der Rückvergütungen ein

IM GESPRÄCH: RUPERT GRAF KERSSENBROCK

Neobroker stellen sich auf Ende der Rückvergütungen ein

Gesetzesänderung wirkt ab 2026 – Berater über Strategien zur Kompensation und mögliche Auswirkungen

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Der Termin steht: Ab Mitte 2026 müssen die Neobroker auf die Rückvergütungen aus Payment For Order Flow verzichten. Das EU-Verbot dieses Weiterleitens des Tradeflows an Handelsplätze mit eigenem Market Maker war nicht abzuwenden. Die Branche muss sich neu erfinden. Denn bei Trade Republic etwa stehen Rückvergütungen für rund ein Drittel der operativen Erträge. Bei Scalable Capital dürfte das Bild ähnlich sein.

Die erste Option wäre es, als große Lösung eine eigene elektronische Handelsplattform, eine sogenannte Multilateral Trading Facility (MTF) aufzubauen.

Rupert Graf Kerssenbrock

Wie sie es anstellen wollen, diesen Einnahmeausfall zu kompensieren, dazu halten sich die Neobroker bedeckt. Aber es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Handlungsmöglichkeiten. „Die erste Option wäre es, als große Lösung eine eigene elektronische Handelsplattform, eine sogenannte Multilateral Trading Facility (MTF) aufzubauen", sagt Rupert Graf Kerssenbrock, von Lucht Probst Associates (LPA) im Gespräch der Börsen-Zeitung.

Börse-light-Modell eher unrealistisch

Das wäre das Börse-light-Modell, bei dem sich Handelsteilnehmer wie Market Maker, Banken und Fonds gleichzeitig auf einer Plattform gegenüberstehen, um Aktien, ETFs, Anleihen und ähnliches handeln. Für den Betrieb einer solchen Handelsplattform bräuchten die Neobroker aber eine eigene behördliche Erlaubnis, gibt Kerssenbrock zu bedenken. Das beanspruche viel Zeit und sei daher eher unrealistisch.

Die kleinere Lösung wäre es, wenn die Neobroker sich auf das Market Making konzentrieren und das selbst erledigen, was bislang über die Partner L&S Exchange oder Gettex/Baader Bank erfolgt. Unternehmen wie Trade Republic und Scalable Capital verfügen bereits über die dafür erforderlichen Zulassungen.

Im Trading-Bereich wie klassische Banken

„Zur selben Zeit können die Neobroker auch ihr Geschäft als Systematische Internalisierer (SI) in Aktien und ETFs ausbauen, wo aber nur ein bilateraler Handel oder Direkthandel mit dem Kunden stattfindet und dieser oft nicht die allerbeste Kursqualität genießt", sagt Kerssenbrock. Hier erbringe der Broker quasi direkt den Service für seinen Endnutzer.

Effektiv würden die Neobroker das Geschäftsmodell vieler klassischer Banken im Trading-Bereich nachahmen, die ebenfalls als Market Maker und SI handeln und damit von der BaFin gesondert beaufsichtigt werden. Das ist wichtig, enthalten die Mifid2/Mifir doch diverse Regeln zum Schutz der Anleger, beispielsweise Transparenzvorschriften.

Will auch Scalable Capital die Vollbanklizenz?

Kerssenbrock weist darauf hin, dass die Neobroker mit Blick auf das Ende der Rückvergütungen sehr wahrscheinlich bereits konkrete Pläne in ihren Schubladen haben, um direkt den Übergang zu gestalten mit Wegfall des Payment For Order Flow. Scalable Capital könnte zudem in einem weiteren Großprojekt gebunden sein: Es heißt, die Münchener würden eine Vollbanklizenz beantragen wollen und schon an der Infrastruktur dafür arbeiten.

Zwar hatte Mitgründer Erik Podzuweit solche Ambitionen zuletzt runtergespielt, entsprechende Berichte aber nicht dementiert. Nachdem Trade Republic ihre Vollbanklizenz vor einem Jahr erhalten hat, wäre es nur logisch, wenn Scalable nachziehen würde. Denn dies würde es dem Start-up erlauben, sein Produktspektrum zu erweitern. Kontenführung, Einlagen- und Kartengeschäft sowie weitere Anlageprodukte würden für zusätzliche und diversifizierte Erlöse sorgen.

Auch hierbei wäre der zeitliche Aufwand allerdings nicht zu unterschätzen. Kerssenbrock zufolge kann allein das BaFin-Erlaubnisverfahren für das Einlagengeschäft wegen dessen besonderer Bedeutung des Einlagengeschäfts 12 bis 24 Monate in Anspruch nehmen.

Umsetzungsrisiken bei IT-Migration

Hinzu kommen Umsetzungsrisiken bei der IT-Migration. So kam es bei Trade Republic etwa zu Beeinträchtigungen bei der Verbuchung von Dividenden, als das Unternehmen sich von seinem Dienstleister HSBC löste und gleichzeitig die Girokonten-Funktionen schrittweise aufschaltete. Es hagelte Kundenbeschwerden und das Management sah sich gezwungen, den Kundenservice über Outsourcing zu erweitern.

Viele Kunden beginnen erst mit dem Vermögensaufbau und mit wachsender Depotgröße entsteht dann Bedarf, in Einzeltitel zu gehen sowie Absicherungsstrategien zu implementieren.

Rupert Graf Kerssenbrock

Das ist sozusagen die Schattenseite des schnellen Wachstums. Die Neobroker erfreuen sich weiter hoher Nachfrage, die aber zum Großteil aus dem niedrigmargigen Geschäft mit ETF-Sparplänen kommt. Das müsse man langfristig betrachten, sagt Kerssenbrock. „Viele Kunden beginnen erst mit dem Vermögensaufbau und mit wachsender Depotgröße entsteht dann Bedarf, in Einzeltitel zu gehen sowie Absicherungsstrategien zu implementieren. Daran verdienen die Broker dann.“

Wenn Trade Republic nun 4 oder 5 Euro als Orderprovision verlangen würde, dann könnten Kunden auch bei Flatex Wertpapiere kaufen.

Rupert Graf Kerssenbrock

Die Gretchenfrage

Die Gretchenfrage ist aber, ob der Market-Maker-Eigenhandel reicht, um die fehlenden Einnahmen aus den Rückvergütungen auszugleichen. Für eine Erhöhung der Ordergebühren von 1 Euro (als kostenlos vermarktet) sieht der Experte wenig Spielraum. „Bislang hat Trade Republic etwa 3 Euro pro weitergeleitete Order verdient. Wenn man nun 4 oder 5 Euro als Orderprovision verlangen würde, dann könnten Kunden auch bei Flatex Wertpapiere kaufen. Mehr als insgesamt 2 Euro pro Order sind aus meiner Sicht nicht möglich, auch weil man sich dann zu weit von dem Anspruch als Kostenlos-Anbieter entfernen würde.“

Banking und Depot mit dem Wertpapiersparen verbinden

Ob sich das über das eigene Market-Making reinholen lässt? Es wird auf eine Mischkalkulation hinauslaufen müssen, wie Kerssenbrock signalisiert. Denn mit den ausgebauten Bankdienstleistungen kommen zusätzliche Erlöse herein, bei zugleich höheren regulatorischen Kosten.

Trade Republic macht aber vor, dass es möglich ist, das gesamte Angebot auf das Kernprodukt Depot zuzuschneiden. So hat das Unternehmen den Cashback aus der Kreditkarte als Kleinstsparen an das Depot gekoppelt. Man darf optimistisch sein, dass von Trade Republic weitere Innovationen kommen, die Banking und Depot mit dem Fokus Wertpapiersparen verbinden. Zudem sollten die Neobroker erheblich davon profitieren, wenn das geplante Altersvorsorgedepot kommt.

Die Neobroker müssen sich umstellen: Mit dem Ende der Rückvergütungen brauchen sie eigene Handelsstrukturen. Der Aufbau einer Multilateral Trading Facility (MTF) wäre die große Lösung, so Rupert Graf Kerssenbrock von LPA im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Viel Luft für höhere Orderprovisionen besteht nicht.

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