Neue Anbieter mischen Handelsfinanzierung auf

Working-Capital-Plattformen greifen Banken an - BCG sieht Erträge von global 50 Mrd. bis 75 Mrd. Dollar

Neue Anbieter mischen Handelsfinanzierung auf

bn Frankfurt – Das Wachstum im Markt für Betriebsmittelfinanzierungen hat neue Wettbewerber auf den Plan gerufen, die den etablierten Anbietern Marktanteile streitig machen. Wie die Boston Consulting Group in einem White Paper darlegt, dürfte das Volumen der weltweit ausstehenden Forderungen von 47 Bill. Dollar im vorvergangenen Jahr auf 51 Bill. Dollar im übernächsten Jahr anschwellen und das Ertragspotenziel in diesem Geschäft entsprechend treiben. Der Appetit von Unternehmen auf Dienstleistungen der Working-Capital- und Supply-Chain-Finanzierung wachse rasch, angetrieben durch niedrigere Finanzierungskosten, sinkende Margen in zahlreichen Branchen sowie einer wachsenden Aversion, für risikomindernde Maßnahmen beim Einsatz herkömmlicher Arten der Handelsfinanzierung zu zahlen, heißt es. Günstigere VariantenJe globaler, komplexer und digitaler Lieferketten würden, umso stärker würden dokumentarische Instrumente der Handelsfinanzierung zugleich durch günstigere, durch kurzfristige Cash-flow-Ströme besicherte Finanzierungsvarianten abgelöst, erklärt BCG. Diese gäben einer größeren Bandbreite von Unternehmen mehr Flexibilität mit Blick auf die Optimierung ihrer Barposition, indem sie es ihnen etwa ermöglichten, je nach Bedarf Außenstandstage von Verbindlichkeiten sowie die Zeitspanne einer ausstehenden Forderung zu kalibrieren oder auch Zahlungen zu verzögern. Angesichts digitaler Plattformen, die Kunden wertvollen Zugang zu vielen Parteien eröffneten, stelle dies eine bedeutsame Kraft der Veränderung dar. Finanzinstitute müssten sich diesem Trend anpassen, wollten sie es nicht riskieren, Marktanteile zu verlieren.Gerade das Feld der Handelsfinanzierung wird bei Beobachtern schon seit längerem als eines jener Felder ausgemacht, in denen eine konsequente Digitalisierung der Prozesse deutliche Einsparungen bringen würde. Hier kommen die neuen Wettbewerber ins Spiel. Zum Umfang des Marktes für Betriebsmittelfinanzierungen existierten kaum verlässliche Angaben. Ihre Prognose eines Forderungsvolumens von 51 Bill. Dollar 2022 leitet BCG aus Schätzungen sowie aus der Annahme ab, dass der Markt bis dahin ebenso rasch wachsen wird wie die Weltwirtschaft. Falls sich nur ein Zehntel dieses Volumens für Betriebsmittelfinanzierungen eigne, summiere sich das daraus resultierende Ertragspotenzial auf 50 Mrd. bis 75 Mrd. Dollar, einen konservativen Margenaufschlag von 100 bis 150 Basispunkten unterstellt, heißt es.Dominiert wird der Markt für Supply-Chain-Finanzierungen traditionell von wenigen global aktiven Großbanken wie Citigroup, Standard Chartered, HSBC, J.P. Morgan oder der Deutschen Bank, die multinationalen Unternehmen die volle Palette an Dienstleistungen bereitstellen. Im kontinentalen Maßstab buhlen Häuser wie ING, Santander, Unicredit und BBVA um Kunden. Auf nationaler Ebene zählt BCG Häuser wie die DZ Bank, Helaba und LBBW zu den Anbietern. Raus aus der NischeWie für Fintechs üblich, konzentrieren sich die neuen Anbieter zum Start auf spezifische Produkte, wie BCG erläutert. Vielfach haben sie ihre Nische indes bereits verlassen. Adressen wie die in London ansässige Greensill Capital oder Demica böten inzwischen eine umfassende Palette an Angeboten der Supply-Chain-Finanzierung an, heißt es. Im Zuge ihrer jüngsten Finanzierung durch den Softbank Vision Fund sei Greensill mit 3,5 Mrd. Dollar bewertet worden, was darauf hindeute, dass aus den Nischenspielern rasch bedeutende Wettbewerber würden. Andere Anbieter positionierten sich hingegen als Spezialisten, wie das Unternehmen C2FO, das im Segment der Frühzahlungsprogramme mit dynamischem Skontomanagement wöchentlich Finanzierungsvolumina von mehr als 1 Mrd. Dollar ausführe. Vorteile im WettbewerbZum einen bieten diese Wettbewerber Supply-Chain-Finanzierungen einer breiteren Gruppe von Unternehmen an, unter ihnen eine wachsende Anzahl mittelgroßer und kleiner Gesellschaften. Zum anderen setzten sie laut BCG auf vier Wettbewerbsvorteile: ein ansprechendes Online-Angebot, operative Exzellenz, kürzere Markteinführungsphasen sowie ein digitales Ökosystem verwandter Geschäfte, zu denen eine einheitliche Plattform Zugang bietet. Etablierte Spieler müssen daher, wollen sie ihre Stellung im Markt behaupten, BCG zufolge mit Blick auf ihr Nutzenversprechen, digitale Plattformen, Daten und Analysen sowie Organisation und Training aktiv werden. Banken, die diese Prioritäten mit einem ambitionierten Programm der Supply-Chain-Finanzierung kombinieren, dürften laut BCG auch künftig gut dastehen.