Neue Bilanzregeln auf die lange Bank geschoben
Der neue Bilanzierungsstandard für Finanzinstrumente sprengt erneut den Zeitrahmen. 2015 kann als Einführungsdatum nicht mehr gehalten werden. Die Banken wollen eine dreijährige Umsetzungsfrist. Eine Konvergenz mit den USA findet nur bei Randaspekten statt.sto Frankfurt – Wegen Verzögerungen bei der Erstellung des Reformwerks zur bilanziellen Bewertung von Finanzinstrumenten bekommen Banken und Versicherer mehr Zeit für die Umsetzung. Die bereits schon einmal um zwei Jahre auf 2015 verschobene Einführung wird auf ein unbestimmtes Datum nach hinten verlegt. Dies stand nach Angaben von Wirtschaftsprüfern beim internationalen Standardsetzer IASB bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause auf der Agenda. Zudem zeichnet sich ab, dass die politisch gewollte Annäherung zwischen den europäischen und amerikanischen Rechnungslegungsregeln in zentralen Punkten zum Scheitern verurteilt ist. Viele offene PunkteDas neue Regelwerk IFRS 9 soll die derzeit gültigen Vorgaben IAS 39 ablösen und wird bereits seit 2008 erarbeitet. Wegen zahlreicher offener Punkte hinkt das IASB derzeit dem selbst gesteckten Zeitplan hinterher und wird das Werk im dritten Quartal 2013 oder noch später veröffentlichen. Nach den eigenen Regeln wird den Anwendern aber minimal eine Implementierungszeit von 18 Monaten eingeräumt. Damit ist der 1. Januar 2015 als Startpunkt nicht mehr haltbar, zumal die neuen Bilanzierungsregeln auch in EU-Recht gegossen werden müssen.”Die Banken haben dem IASB in den vergangenen Wochen das Feedback gegeben, dass sie sogar eigentlich drei Jahre Vorlaufzeit für die Umsetzung der Regelungen für Risikovorsorge bräuchten”, berichtet KPMG-Partner Gerd Straub. Angesichts der Tatsache, dass die Erstanwendung bereits 2011 schon einmal um zwei Jahre nach hinten geschoben worden war, sei es nun “das Klügste gewesen für das IASB, den Zeitpunkt nicht noch einmal in Stein zu meißeln und möglicherweise erneut nicht halten zu können, sondern die Erstanwendung zunächst unbestimmt zu lassen”, ergänzt KPMG-Partnerin Iris Helke.”Eine Umsetzungsfrist von drei Jahren wäre vernünftig”, meint Burkhard Eckes, Leiter Banken und Kapitalmärkte von PwC. Immerhin sind zwei von drei Bestandteilen von IFRS 9 – im Fachjargon Phasen genannt – noch offen, nämlich die Bereiche Klassifizierung/Bewertung und Wertminderung. Der Bereich Sicherungsgeschäfte ist bis auf die Portfolioabsicherung (Macro Hedge) quasi fertig (siehe Grafik).Die meisten Diskussionen drehten sich bei der Sitzung des IASB, die zusammen mit dem US-Standardsetzer FASB abgehalten wurde, um die Annäherung der Bilanzregeln IFRS und US-GAAP. Hierfür gibt es zwar einen politischen Auftrag, der aber offenkundig an der Realität scheitert. Denn im zentralen Punkt Risikovorsorge, also der zweiten Phase Impairment, ist eine Annäherung angesichts der grundsätzlich unterschiedlichen Kreditmärkte in den USA und Europa Beobachtern zufolge ziemlich unwahrscheinlich geworden. Dies zeigten Szenariorechnungen der geplanten EU-Regeln für die USA und vice versa. Während die Kredite in den Vereinigten Staaten mit im Schnitt drei bis vier Jahren sehr kurzfristig sind, sind die Darlehen in Europa für Mittelständler und Häuslebauer im Schnitt auf zehn bis zwölf Jahre langfristig konzipiert.So zeigte die Modellrechnung für die USA, dass die EU-Bilanzierung die Risikovorsorge der dortigen Banken um 15 % absenken würde, während die US-Vorgaben diese um 30 bis 40 % erhöhen würden. Die US-Aufseher haben als Antwort auf die Subprime-Krise die Risikovorsorge bereits hochgeschraubt und wollen noch weiter nach oben. Insofern wäre die Einführung der EU-Vorgaben aus Sicht der Regulierer nicht opportun. “Die US-Banken haben sich in ihren Kommentaren der vergangenen Monate für ein zweistufiges Konzept, wie es das IASB in seinem Entwurf bereits vorgesehen hat, ausgesprochen”, berichtet Eckes.In Europa wird IFRS 9 die Risikovorsorge bei Immobilienkrediten der Szenariorechnung zufolge um 30 bis 250 % anschwellen lassen, die geplanten neuen US-GAAP-Vorgaben kämen dagegen auf 130 bis 730 %. Bei allen anderen Krediten würde das Europa-Konzept die Vorsorge um 25 bis 60 % hochschnellen lassen, nach dem US-Ansatz aber sogar um 50 bis 140 %. Kein Wunder also, dass die europäischen Banken den IFRS-Ansatz präferieren.75 % der Investoren indes präferieren das US-Modell, weil dort alle Kredite sofort mit den erwarteten Verlusten für die gesamte Laufzeit durch die Ergebnisrechnung gezogen werden müssen (“expected loss over lifetime”). In Europa wird demgegenüber bei guter Bonität nur auf Jahressicht die Risikovorsorge gebucht (1. Kreditstufe) und nur bei schlechteren Aussichten (2. und 3. Stufe) der gesamte zu erwartende Ausfall. “Das bildet eher die ökonomische Realität ab, da Prognosen über die lange Laufzeit der europäischen Kredite schwierig sind und es nicht sachgerecht ist, die komplette Risikovorsorge auf einen Schlag zu buchen, während die Zinsen und die darin enthaltenen Credit Spreads als Erträge erst von Jahr zu Jahr gebucht werden dürfen”, kritisiert Eckes den US-Ansatz.Lediglich in der ersten Phase streben die Bilanzierungssetzer der USA und Europas nun noch eine Konvergenz an. Für die zentralen Impairment-Regeln aber gibt es kaum noch eine Chance auf Annäherung. Banken bereinigen PortfolienDa durch IFRS 9 künftig mehr Geschäfte und Papiere als bislang unter die Bewertung zu Marktpreisen (Fair Value) fallen, bereinigen die Banken schon jetzt die Portfolien. “Im Fokus stehen dabei etwa Objektfinanzierungen oder auch die in der Finanzkrise umgewidmeten strukturierten ABS-Papiere”, so Helke.