Neue Herausforderungen für Kernbankensysteme
Kernbankensysteme sind das Herz der Banken-IT und sollten zunächst eines garantieren: Stabilität und hohe Verfügbarkeit z. B. durch den parallel gesicherten Betrieb in Rechenzentren, die alle rechtlichen, technologischen und fachlichen Standards erfüllen. Als Garant für zuverlässige Prozessabwicklung ist die Kernbankenanwendung auf den ersten Blick ein eher “konservatives” Hintergrundthema: Haben, nutzen, optimieren, aber substanziell möglichst nichts verändern. Gleichwohl plant fast ein Drittel der deutschen Banken eine Ablösung ihrer bestehenden Systeme, eine ebenso große Anzahl diskutiert dies intensiv. Die Veränderungsbereitschaft resultiert aus der wachsenden Unzufriedenheit vieler Kreditinstitute mit ihren eigens entwickelten Insellösungen.Abgekoppelt von neuen, kostengünstigeren Entwicklungen, weisen Kernbankenprozesse dann häufig ein unbefriedigendes Aufwand-Ertrag-Verhältnis auf. Also werden proprietäre Systeme zunehmend durch Standardlösungen ersetzt. Was sie attraktiv macht, sind Skaleneffekte bei Entwicklung und Pflege, d.h. Kosteneinsparungen, die Innovationshürden senken. Denn es geht um mehr als die Erhaltung des Status quo. Die Leistungsfähigkeit der Kernbankenanwendung zeigt sich in progressiver Stabilität, also darin, neue Bezahlsysteme oder Vertriebs- und Kommunikationskanäle (z. B. Apps) schnell und reibungslos anzubinden. Sie bewährt sich bei Systemerweiterungen – egal, ob regulatorische Änderungen oder lukrative Geschäftsmodelle sie motivieren. Operative ExzellenzStandardisierung macht Kernbankensysteme insbesondere dann zum Wachstumsfaktor, wenn sichere Schnittstellen und Webservices die Auswahl passender Drittsysteme (z. B. Bonitätsprüfung, CRM-Systeme) vergrößern und ihre prozessoptimierte Einbindung ermöglichen. Ein weiteres Qualitätskriterium ist die vollständige und konsistente Abdeckung der grundlegenden Funktionen einer Bank, wobei Modularität den Anwendern die Option lässt, das einzusetzen, was sie tatsächlich benötigen. Komplette Geschäftsabläufe – vom Erstkontakt zum Kunden bis hin zur Verwaltung und Archivierung seiner Daten – müssen durchgängig abgebildet werden. Anwender erwarten von Softwareherstellern zwar eine möglichst weitreichende Unterstützung ihrer Geschäftsmodelle, akzeptieren aber kein “Lock-in”. Wenn ein Kernbankensystemanbieter der Bank beispielsweise ein integriertes Wertpapiersystem liefern kann, ist das ein erheblicher Vorteil. Aber die entsprechenden Lösungen alternativer Drittanbieter sollten ebenso unterstützt werden; denn Banken wollen aus strategischen, technologischen und betriebswirtschaftlichen Gründen ihre Entscheidungsfreiheit wahren.Von Kernbankenanwendungen wird operative Exzellenz erwartet: Die Lösung muss Banken messbar und nachhaltig Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dabei geht es “defensiv” um eine Reduktion der Betriebs- und Innovationskosten und “offensiv” um einen beschleunigten Markteintritt mit webbasierten Angeboten, Services oder Vertriebsformen. Ihren strategischen und operativen Wert beweist eine Kernbankenanwendung dadurch, dass sie Direkt- oder klassische Geschäftsbanken, traditionsreiche Privat- und große Kundeninstitute oder auch Nischenpositionierungen, wie das Worksite-Banking, flexibel unterstützt. Stabilität alleine genügt hier nicht, sie muss digitale Innovationen beschleunigen. Immerhin nur noch jeder zehnte Bankkunde nutzt ausschließlich die Niederlassung mit Geldautomaten vor Ort. Multi-Channel-Banking, also der synchronisierte Mix aus Filiale, Internet und mobilen Kanälen, steht im Fokus. Hierbei beurteilen Kunden ihre Bank nach der Qualität der ITK-basierten Services sowie danach, ob sie Innovationen – möglichst als Erste – nutzen können. Zunehmend sind es Banking- und Börsenportale, Informationsdienste oder komplette Transaktionen auf dem Smartphone, die das Image einer Bank und die Kundenzufriedenheit ebenso prägen wie der Filialauftritt. Kunden erwarten einen direkten Zugang zu Bankservices “hier und jetzt”. Folglich müssen sich Banken kanalübergreifend als kompetente Finanzberater etablieren – zumal die Kundenloyalität sinkt und das Hausbankprinzip auf dem Rückzug ist. Einer der Schlüssel hierfür ist ein gezielter Ausbau IT-gestützter Angebote. Das gilt umso mehr, da klassische Kreditinstitute sich im Bereich digitaler Bezahltechnologien (z. B. NFC, Mobile Wallet) gegen Internetanbieter und Mobilfunkprovider behaupten müssen. Wachsende KundenmobilitätDie abnehmende Kundenbindung eröffnet Banken gleichzeitig Wachstumschancen in einem dynamischen Markt. Vor diesem Hintergrund fällt der IT-Leitung eine Schnittstellenkompetenz zwischen technologischen Anforderungen, juristischen Vorgaben und bankbetriebswirtschaftlichen Zielen zu. Um innovative Anwendungen und Angebote zügig zu platzieren, setzen Banken zumeist auf plattformunabhängige, nicht an bestimmte Rahmenbedingungen oder Server-Betriebssysteme gebundene Kernbankenanwendungen. Das vereinfacht z. B. die Anbindung einer großen Auswahl verbreiteter CRM-, Risikomanagement- und Kommunikationssysteme, die für die Umsetzung von Compliance-, Marketing- und Vertriebsvorgaben besonders geeignet sind. Plattformunabhängigkeit bedeutet Teilhabe am hohen Entwicklungstempo der Open-Source-Welt und gilt für Software ebenso wie für Hardware, indem Banken Anschluss gewinnen an einen hoch kompetitiven Server- und Komponenten-Markt mit kurzen Innovationszyklen, sinkenden Kosten und intelligenten Optionen wie Virtualisierung. Kann die Kernbankenanwendung z. B. auch auf Unix- und Linux-Systemen betrieben werden, stehen kleinere und flexibel erweiterbare Server zur Verfügung. Sie gewährleisten mit hoher Skalierbarkeit eine exakte, schnelle Anpassung der Kapazitäten und Hardware-Investitionen an die sich verändernden Anforderungen. Die Plattformunabhängigkeit einer Kernbankenanwendung bewährt sich zudem, wenn IT-Systeme zügig zusammenwachsen sollen, etwa bei Fusionen, Kooperationen oder Neustrukturierungen von Niederlassungen. Steuerungshoheit behaltenModerne Kernbankenanwendungen sollten neue Handlungsspielräume eröffnen. Insbesondere dabei, den Block der Betriebskosten zu “verflüssigen” und zugunsten von Entwicklungsetats umzuschichten. ASP-Services, also das Hosting, die Wartung und Pflege der Software durch den Kernbankenanbieter, werden daher zunehmend nachgefragt. Banken halten sich so den Rücken frei, um finanzielle und personelle Ressourcen mit Blick auf geschäftliche Herausforderungen zu bündeln. Gleichzeitig reduziert ASP mit der kundenübergreifenden Weiterentwicklung der Systeme den Investitionsanteil einer Bank an Innovation und Compliance-Anpassung. Betriebskosten lassen sich senken, wenn sich Preismodelle an Transaktionen und betriebswirtschaftlichen Kenngrößen – wie Kunden- und Kontenanzahl – variabel orientieren.ASP-Services sind nicht mit der Cloud zu verwechseln, die von Banken bislang mit Skepsis betrachtet wird. Zwar werden auch bei ASP Daten und Prozesse ausgelagert. Aber hier existieren eindeutige Regelungen zum Ort der Datenverarbeitung mit detaillierten Informationen über die technischen, organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. So ist jederzeit klar, wo die sensiblen Daten liegen, wer Zugriff auf sie hat oder sich verschaffen kann. Dennoch setzen zahlreiche Banken weiter auf den Eigenbetrieb ihrer Kernbankenanwendung, etwa um das gewachsene IT-Know-how im Haus zu pflegen. Daher sollten Software- und Service-Provider Kunden “Best-Sourcing” bieten, das den Inhouse- und Outsourcing-Betrieb sowie individuell definierte Mischformen umfasst. Diese Wahlfreiheit ist für Banken eine Frage der strategischen Steuerungshoheit über ihre IT, auf die es heute ankommt.