BANKEN ZWISCHEN GESUND- UND KAPUTTSPAREN - SERIE KOSTENDRUCK IM FINANZSEKTOR: TEIL 16

Neue Ideen dringend gesucht

Wettbewerbsintensität und Margendruck nehmen auch im Firmenkundengeschäft zu - Stärkere Industrialisierung der Prozesse gefragt - Zu viele Kapazitäten

Neue Ideen dringend gesucht

Das Firmenkundengeschäft in Deutschland gilt in der Bankenwelt noch immer als attraktiv, obwohl auch hierzulande ein immer schärferer Wettbewerb verzeichnet wird und die Margen immer stärker unter Druck geraten. Discount-Ansätze laufen zwar ins Leere – Experten raten aber dennoch zu einer stärkeren Industrialisierung und Modularisierung der Angebote.Von Andreas Heitker, DüsseldorfDie Liste der Finanzinstitute, die sich eine Expansion im deutschen Corporate-Banking-Geschäft auf ihre strategischen Fahnen geschrieben haben, ist lang: Ob HSBC Trinkaus, die seit dem letzten Jahr eine Offensive im Firmenkundengeschäft fährt, ob die Kreditgenossen und Sparkassen, die etablierten deutschen Großbanken, ausländische Institute wie BNP Paribas oder ING-DiBa oder gar Banken, die bislang eher im Retailgeschäft unterwegs waren – alle versuchen, sich ein zusätzliches Stück des offenbar noch immer attraktiven Marktes zu sichern.Dabei sehen nahezu alle Experten die Volumina im deutschen Firmenkundengeschäft auf absehbare Zeit stagnieren oder höchstens ganz leicht steigen. Berechnungen der Managementberatung Oliver Wyman zeigen zum Beispiel, dass in den kommenden Jahren ein deutliches Überangebot im Markt zu erwarten ist. Die aggregierten Wachstumspläne aller im Firmenkundengeschäft aktiven Banken werden demnach das real zu erwartende Marktwachstum um ein Vielfaches übersteigen. Bis 2018 könnte sich eine Ertragslücke in Höhe von 6 Mrd. Euro für den gesamten Sektor ergeben.Oliver-Wyman-Partner Klaus Hölzer warnte daher kürzlich schon: “Damit alle Institute ihre internen Wachstumsziele erreichen können, müsste sich das erwartete Marktwachstum bis 2018 mehr als verdoppeln – oder über 20 % der Kapazität aus dem deutschen Sektor verschwinden.” Beide Szenarien erscheinen eher unwahrscheinlich. Bankkredite weniger gefragtDie Attraktivität des Corporate-Banking-Geschäfts speist sich noch immer auch aus der Stabilität, die die deutsche Unternehmenslandschaft in den vergangenen Jahren ausgestrahlt hat. Relativ wenig Ausfälle hatte es auch in Krisenzeiten gegeben. Große Insolvenzwellen? Fehlanzeige. Stattdessen ist zum Beispiel der deutsche Mittelstand bei Geldgebern und Investoren heute so attraktiv wie nie.Dass die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 allerdings auch die Finanzierungspolitik der Firmen verändert hat, wird vielfach übersehen. Die Eigenkapitalquoten sind heute in vielen Industrieunternehmen deutlich höher als vor 2008. Zudem haben sie sich alternative Finanzierungsquellen gesichert und sich bankunabhängiger aufgestellt. Bankkredite haben grundsätzlich an Bedeutung verloren. “Unternehmen sind in den vergangenen Jahren deutlich professioneller geworden”, meint auch Tomas Rederer, Corporate-Banking-Experte der Beratungsgesellschaft Capco. “Sie haben zum Teil selbst einen Zugang zum Kapitalmarkt gewonnen und zum Beispiel ihr Cash-Management verbessert, so dass letztendlich auch ihr Bedarf an Kapital und Bank-Dienstleistungen trotz steigenden Geschäftsvolumens stagniert.” Dies drückt ebenfalls auf Preise und Margen.Für Rederer ist daher auch klar, dass angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks und des stagnierenden Marktvolumens die Banken sich im Firmenkundengeschäft einem fundamentalen Change-Prozess unterziehen müssen, um langfristig in diesem Segment weiter erfolgreich agieren zu können. Abschied vom Manufakteur?Er plädiert dafür, die Produkte und Prozesse im Bereich Corporate Banking deutlich stärker zu industrialisieren. “Dadurch können die Kosten je nach Ausgangsbasis und Umsetzung um 30 % bis 50 % gesenkt werden”, erläuterte Rederer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Bei den Banken, so die Erfahrungen des Capco-Experten, werden solche Forderungen allerdings noch immer vielfach als eine Art Sakrileg wahrgenommen: “Der typische Corporate-Banker empfindet sich auch heute noch als eine Art Manufakteur, der maßgeschneiderte Lösungen für seine Kunden entwickelt, zu denen er üblicherweise jahre- oder gar jahrzehntelange Beziehungen pflegt.” Dazu scheine eine stärkere Standardisierung und Automatisierung auf den ersten Blick nicht unbedingt zu passen – und doch sei sie über Methoden wie etwa der Modularisierung oder des flexiblen Workflows damit gut vereinbar.Effizientere interne Prozesse, die die Kosten senken, sind der eine Ansatz. Einen anderen hat Holger Dümler im Blick, der bei Oliver Wyman der Experte für den Bereich Retail & Business Banking ist: Die Fixkostenstrukturen vieler Banken würden in Höhe und Struktur in Zukunft nicht mehr zu halten sein, betont Dümler im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Die Frage, die sich die Institute stellen müssen, ist unter anderem, ob alle Back-Office-Funktionen tatsächlich weiterhin im Haus bleiben müssen oder ob nicht wesentliche Teile ausgelagert werden können. Bei den Service-, IT- und Back-up-Funktionen der Banken wird es nach unserer Einschätzung in Zukunft zu fundamentalen Veränderungen kommen.”Für Dümler sind die notwendigen Veränderungen im Firmenkundengeschäft auch Folge der allgemeinen Umbrüche und steigenden Regulierungsanforderungen, denen die Finanzinstitute zurzeit ausgesetzt sind. Immerhin hätten die Banken bis zur Finanzkrise 20 Jahre lang Ertragswachstum verzeichnet, sagt er. Die Kosten seien in dieser Zeit relativ stabil und begrenzt geblieben, und Liquidität sei selten ein Thema gewesen, weil immer verfügbar. Von diesen Paradigmen mussten sich die Banken verabschieden. “Heute müssen sie sich mit sinkenden Erträgen und Kostenabbau beschäftigen. Frühere bilanzsummenorientierte Geschäftsmodelle verlieren gegenüber kapitalmarktorientierten Strategien mit anderen Kapital- und Liquiditätsanforderungen an Bedeutung.”Doch wohin können die Kosten- und die Effizienzprogramme oder auch eine stärkere Industrialisierung der Prozesse im Corporate-Banking-Geschäft führen? Sind gar ganz neue Geschäftsmodelle auf Basis eines Discount-Ansatzes à la Aldi und Lidl denkbar? In der Branche wird dies für kaum zielführend und durchsetzbar gehalten. So wichtig die Kostenbasis sei, heißt es bei den Experten, bei der Preiskalkulation sei sie aber nicht der bestimmende Faktor. “Ein rein kostenbasiertes Herangehen ist im Firmenkundengeschäft im Gegensatz zum Retail-Massengeschäft wenig sinnvoll”, sagt etwa Rederer. “Die Anzahl der Tickets ist geringer, gleichzeitig sind diese jedoch größer und komplexer.” In den Blickpunkt rücken also mehr die Gesamtkonditionen wie die Refinanzierung und die Risikopositionen. Durchlaufzeiten, Qualität und Komplexitätsmanagement, so Rederer, stünden bei der Optimierung im Fokus. Neue Konkurrenz aus AsienDass dabei das Thema Differenzierung im Wettbewerb nicht zu kurz kommen darf, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Neue Ideen sind aber dringend gefragt, haben sich die Angebote im Corporate-Bereich nach Meinung von Kritikern in der Vergangenheit doch zu stark geglichen.Eine ausgefeiltere Internationalisierungsstrategie könnte helfen. Mit einer solchen würde zugleich auch den neuen Wettbewerbern aus China, Südkorea und anderen Wachstumsregionen ein wenig der Wind aus den Segeln genommen – eine Konkurrenz, die aufgrund ihrer Vernetzung vor Ort auch deutschen Banken durchaus Firmenkunden abjagen kann, wie DZ Bank-Vorstand Stefan Zeidler jüngst im Interview der Börsen-Zeitung betonte (vgl. BZ vom 26. Juni). “Zu glauben, dass nur Angelsachsen und Europäer das Geschäft verstehen, wäre eine arrogante und gefährliche Haltung.”—-Zuletzt erschienen:- “CIR-Könige” halten an ihren Filialen fest (18. September)- Die Bankfiliale: Totgesagte leben länger (17. September)