BANKENREGULIERUNG - RISIKOMANAGEMENT

Neue Klumpenrisiken

Die Arbeit von Risikomanagern wird immer komplizierter: Nicht nur, dass sich die Unwägbarkeiten im operativen Geschäft in den vergangenen Jahren deutlich gehäuft haben. Grenzüberschreitend tätige Bankengruppen haben es überdies mit einem zunehmend...

Neue Klumpenrisiken

Die Arbeit von Risikomanagern wird immer komplizierter: Nicht nur, dass sich die Unwägbarkeiten im operativen Geschäft in den vergangenen Jahren deutlich gehäuft haben. Grenzüberschreitend tätige Bankengruppen haben es überdies mit einem zunehmend vielstimmigen Chor nationaler Aufsichtsinstanzen zu tun. Dass der globale, im Lichte der Finanzkrise gebildete Konsens in der Regulierung verloren gegangen ist, belegen nicht nur Alleingänge der ihren Unilateralismus pflegenden USA, sondern eben auch die von elf EU-Staaten geplante Finanztransaktionssteuer sowie zahlreiche Spielräume der EU-Staaten bei der Umsetzung der neuen Eigenkapitalrichtlinie.Die Zahl der Varianten an aufsichtsrechtlichen Anforderungen, denen sich Banken zu stellen haben, nimmt damit zu. Auch droht eine Addition nationaler Kapitalvorgaben durch Regulierer, die darauf beharren, dass Auslandsbanken in ihrem Zuständigkeitsbereich ein bestimmtes Niveau an Eigenkapital vorhalten. Risikomanager kostet dies nicht nur Nerven, ihre Bank Kapitaleffizienz und damit Rendite. Deshalb dürfte sich der ohnehin zu beobachtende Trend verstärken, dass Banken Auslandsmärkten vermehrt den Rücken kehren. Wird als kuriose Folge der Krise die Aufsicht nun vollenden, was vor Jahren mit dem Misstrauen der Banken am Geldmarkt begann, nämlich die Zerlegung des Bankenmarktes in seine nationalen Einzelteile?Wer daran glaubt, unterschätzt nun doch die Wandlungsfähigkeit und den Erfindergeist der Finanzbranche. Eher wird das alte Hase-und-Igel-Rennen von Aufsehern und Banken neue Dynamik bekommen: Banken, denen die Kapitalanforderungen der Aufseher in einem Auslandsmarkt über die Hutschnur gehen, dürften etwa dazu übergehen, Geschäfte dort verstärkt am Sitz im Heimatmarkt zu buchen – zumindest so lange, bis die Aufseher dies eindämmen wollen.Generell aber dürften Marktein- und -austrittshürden in der Branche künftig höher liegen. Banken stellt dies vor schwere Entscheidungen: Halten sie ihre internationale Präsenz aufrecht, setzen sie sich Reibungsverlusten und regulatorischen Risiken aus. Ziehen sie sich dagegen auf ihren Heimatmarkt zurück, handeln sie sich operativ ein Klumpenrisiko ein, weil sie ihre Abhängigkeit vom Heimatmarkt maximieren.Aus der Vogelperspektive betrachtet haben gewisse Unebenheiten im aufsichtsrechtlichen Umfeld keineswegs nur Nachteile. Für den Steuerzahler ist eine abgestufte Regulierungslandschaft nicht das schlechteste Umfeld – vorausgesetzt, auch auf der untersten Stufe wird ein Mindestmaß an Standards erfüllt. Denn regulatorisch sind die Klumpenrisiken am größten, wenn der Grundsatz gleicher Bedingungen für alle realisiert ist: Stellt die Aufsicht dann fest, dass sie ein Risiko unterschätzt hat, wie dies im Falle von mit null Eigenkapital zu unterlegenden Staatsanleihen zu studieren war, sieht sie sich rasch Problemen gegenüber, die auf die Schnelle unlösbar sind. Überhaupt werden die Vorzüge eines “Level Playing Field” stark überschätzt. Beispiele, wie ein internationaler Gleichlauf laxer Regularien bei grenzenloser Vernetzung von Banken die Krise anfachte, finden sich zuhauf, vom Masseneinsatz von Kreditderivaten und dem Missbrauch außerbilanzieller Zweckvehikel über zu kurzfristig bemessene Leistungsanreize bis hin zur allgemeinen Aushöhlung der Kapitaldecke der Banken.Müssen Banken künftig in Auslandsmärkten jeweils eine Art Basis-Eigenkapital vorhalten, beeinträchtigt dies die betriebswirtschaftliche Effizienz. Bei der Reregulierung des Bankensektors geht es aber um die Abwehr größerer Übel. Mehr Kapital als bisher mag die Rendite der Banken drücken. Zu wenig Kapital aber kann nicht nur Banken zerstören, sondern Staatshaushalte aus dem Gleichgewicht bringen und letztlich die Akzeptanz des Gesellschaftsmodells unterminieren.In ihrer Unfähigkeit, einen gemeinsamen Nenner zu finden, leisten die Regulierer somit bessere Arbeit, als sie dies selbst wahrnehmen mögen. Es ist gut, wenn Banken in Auslandsmärkten mehr Eigenkapital vorhalten müssen.