GASTBEITRAG

Neue Meldepflichten zwirbeln Finanzdienstleister

Börsen-Zeitung, 6.7.2019 Durch die EU-Richtlinie "DAC 6" werden neue Mitteilungs- und Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen sowie ein automatischer Informationsaustausch unter den EU-Mitgliedstaaten geschaffen. Dadurch...

Neue Meldepflichten zwirbeln Finanzdienstleister

Durch die EU-Richtlinie “DAC 6” werden neue Mitteilungs- und Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen sowie ein automatischer Informationsaustausch unter den EU-Mitgliedstaaten geschaffen. Dadurch beabsichtigen die Finanzverwaltungen, frühzeitig Kenntnis von Gestaltungen zu erhalten, die zwar rechtlich zulässig sind, die der Fiskus aber dennoch unter Umständen unterbinden will. Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums zur Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht geht inhaltlich über den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie hinaus. Denn dieser Entwurf sieht zusätzlich eine Ausweitung der Meldepflichten auch auf rein nationale Steuergestaltungen vor. Pflichten ohne Regeln Auch wenn die Frist zur Umsetzung der neuen Mitteilungspflichten in nationales Recht erst mit Ablauf dieses Jahres endet, wurde bereits mit Inkrafttreten der DAC-6-Richtlinie Mitte vergangenen Jahres eine Übergangsphase in Gang gesetzt: Dementsprechend besteht jetzt schon konkreter Handlungsbedarf für Intermediäre wie Kreditinstitute, Versicherungen oder Kapitalanlagegesellschaften, aber auch Rechts- und Steuerberater. Denn wenn die ersten Schritte zur Umsetzung oder Initiierung einer Gestaltung nach dem Stichtag 24. Juni 2018 erfolgt sind, unterliegen diese bereits der künftigen (Nach-)Meldepflicht. Mit anderen Worten: Die betroffenen Unternehmen müssen bereits seit einem Jahr Steuergestaltungen identifizieren, evaluieren und dokumentieren, ohne dafür eine konkrete gesetzliche Regelung oder zumindest Interpretationshilfen zur EU-Richtlinie an der Hand zu haben.Vom 1. Juli 2020 an müssen betroffene Gestaltungen dann innerhalb von 30 Tagen in einem standardisierten Verfahren elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) gemeldet werden. Anschließend ist ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehen. Von der Meldepflicht der DAC-6-Richtlinie sind vor allem sogenannte (Finanz-)Intermediäre betroffen.Die Definition des Intermediärs ist bewusst weit gefasst und knüpft an die Einbindung in eine Steuergestaltung an. Dies umfasst letztendlich jeden, der in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist oder eine Betriebsstätte unterhält und meldepflichtige Gestaltungen konzipiert, organisiert, zur Nutzung bereitstellt oder deren Umsetzung durch Dritte verwaltet, also besonders Banken, aber auch Rechtsanwälte oder Steuerberater. Identifiziert werden meldepflichtige Steuergestaltungen durch bestimmte Kennzeichen – sogenannte “Hallmarks” -, die entweder per se zu einer Meldepflicht führen oder in Kombination mit einem weiteren Kriterium – dem sogenannten “Main Benefit Test” – eine Meldepflicht auslösen.Besonders die meldepflichtigen Unternehmen der Finanzindustrie werden massiv von diesem neuen Regelwerk betroffen sein. Sie müssen sich auf inhaltlich komplexe und – durch unbestimmte Rechtsbegriffe – nur vage bestimmte Regeln einstellen. Zudem müssen sie dabei die Waage zwischen Eigeninteresse (d. h. sanktionsbewehrte Erfüllung in- und externer Compliance Anforderungen) und Kundeninteresse (d. h. Weitergabe sensibler Kundendaten) mehr denn je austarieren. Diese Meldepflichten treten darüber hinaus neben eine ganze Reihe bestehender oder auch neu eingeführter Meldepflichten wie das Common Reporting System und Country-by-Country-Reporting oder beispielsweise die neuen Meldepflichten über Beziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Drittstaat-Gesellschaften, Stichwort: “Panama”.Positiv für Finanzintermediäre ist, dass die von der DAC-6-Richtlinie geforderten Informationen zumindest teilweise bereits im Kontext dieser anderen Meldepflichten erhoben werden. Zumindest können unternehmensintern dieselben Ansprechpartner adressiert und Meldesysteme genutzt werden. Die Kunst besteht darin, diese Schnittmengen zu identifizieren und möglichst minimalinvasiv die notwendigen organisatorischen und prozessualen Strukturen zu schaffen, um die Informationen zu erheben, zu melden und zu dokumentieren. Geschäftsmodelle in GefahrMithin ist sowohl den meldepflichtigen Unternehmen der Finanzindustrie als auch national und international tätigen Rechts- und Steuerberatern anzuraten, sich mit den neuen Regularien dringend zu befassen. Dabei muss der Blickwinkel eher weit als eng gefasst werden: Denn es müssen nicht nur die Implikationen auf die eigene Prozessarchitektur und die Schaffung der notwendigen Strukturen festgestellt werden, sondern unter Umständen geht es auch darum, das eigene Geschäftsmodell und dessen Fortführung zu hinterfragen. Parallel zur sinnvollen Nutzbarmachung der im Unternehmen bereits vorhandenen Daten stehen die Identifizierung und Definition der betroffenen Prozesse und Schnittstellen im Fokus der Betrachtung. Und dies muss schließlich verknüpft mit einer engen fachlichen Begleitung des noch immer nicht finalisierten Gesetzgebungsprozesses erfolgen. Götz Weitbrecht, Partner Baker Tilly in Frankfurt, Bereich Financial Services Tax