Neue Stabilitätssorgen um US-Regionalbanken machen die Runde
Neue Sorgen um US-Regionalbanken gehen um
Wettbewerb um Einlagen lastet auf Zinsmargen – Aussicht auf anhaltend restriktive Geldpolitik verunsichert – Druck durch Krise bei Gewerbeimmobilien
xaw New York
Die US-Regionalbanken zeigen sich ein halbes Jahr nach Beginn der Kollapswelle im Sektor wieder robuster – doch machen neuerliche Sorgen bezüglich der Stabilität des Sektors die Runde. „Die Einlagenabflüsse haben sich verlangsamt, nachdem sie im ersten Quartal in Reaktion der Investoren auf die Schlagzeilen um Bankzusammenbrüche gesprungen waren“, unterstreichen die Analysten des Vermögensverwalters American Century Investments.
Tatsächlich sind Banken abseits der 25 nach Bilanzsumme führenden Finanzinstitute der USA seit Mai sogar wieder Mittel zugeströmt: Sackte das Gesamtvolumen ihrer Depositen gemäß Daten der Federal Reserve zwischenzeitlich bis auf rund 5,16 Bill. Dollar ab, hat es sich bis Mitte September auf 5,27 Bill. Dollar erholt. Unterdessen haben die größten Geldhäuser des Landes seither Einlagen eingebüßt.
Defaults ziehen an
Zudem habe der Großteil der Regionalbanken im zweiten Quartal die Prognosen der Wall Street erfüllt oder übertroffen, während 34% der größeren Institute aus dem KBW Bank Index enttäuscht hätten, betont American Century. Die Kreditqualität falle robust aus, nachdem viele Geldhäuser in Reaktion auf die Krise striktere Vergabestandards eingeführt hätten. Zwar hätten die Ausfälle und Abschreibungen angezogen, von einem steilen Anstieg könne aber nicht die Rede sein.
„Allerdings machen sich die Effekte der Einlagenabflüsse noch immer bemerkbar“, wenden die Analysten ein. Schließlich werben die Institute nun mit höheren Zinsen um Depositen, nachdem sie in den Vorjahren und vor allem zu Beginn der Coronakrise noch Neumittel abgewiesen hatten, um die Fremdkapitalquoten nicht ausufern zu lassen. Bereits im zweiten Quartal habe der Einlagenwettbewerb auf den Nettozinserträgen und -margen der Regionalbanken gelastet.
Die Hoffnung im Sektor ruht nun darauf, dass die Profitabilitätsrückgänge ein Ende finden, nachdem die Federal Reserve einen weniger restriktiven Kurs einschlägt. Doch wenngleich der Offenmarktausschuss auf seiner jüngsten Sitzung nach elf Anhebungen binnen 16 Monaten nicht zu einer weiteren Zinserhöhung gegriffen hat: Etwa zwei Drittel der Mitglieder des Offenmarktausschusses rechnen damit, dass die Fed bis Jahresende zu einer erneuten Straffung um 25 Basispunkte greifen wird.
Kreditwürdigkeit herabgestuft
Zudem gehen die Fed-Vertreter für 2024 von weniger kräftigen Zinssenkungen aus als zuvor angenommen. Die erhoffte Neubepreisung von Kreditportfolios und Wertpapieren und resultierende positive Effekte auf Nettozinserträge und -margen dürften damit nach Meinung vieler Analysten wieder in weite Ferne gerückt sein. Angesichts des Drucks auf die Profitabilität stufte die Ratingagentur Moody’s im August die Kreditwürdigkeit von zehn kleinen und mittelgroßen Banken herab. S&P Global Ratings folgte mit einem Downgrade für fünf Regionalbanken.
Hinzu kommt, dass der ungebrochen restriktive Fed-Kurs für anhaltend hohen Druck auf den Immobilienmarkt sorgt. Die Zinsen auf 30-jährige Festhypotheken haben in den USA den höchsten Stand seit dem Jahr 2000 erreicht. Laut einer Veröffentlichung der staatlich geförderten Hypothekenbank Freddie Mac vom Donnerstag liegen die durchschnittlichen Raten inzwischen bei 7,31%. Die steilen Anstiege seit dem Frühjahr 2022 lasten sowohl auf der Refinanzierungs- und Verkaufsaktivität am Häusermarkt als auch auf den bestehenden Kreditportfolios.
Hohe nicht realisierte Verluste aus hypothekenbesicherten Wertpapieren hatten großen Anteil an den Bankzusammenbrüchen ab März des laufenden Jahres. Die Silicon Valley Bank (SVB), mit deren Kollaps die Krise im Sektor ins Rollen kam, hielt Ende 2022 fast 78 Mrd. Dollar an Agency MBS – also hypothekenbesicherten Wertpapieren, die von Freddie Mac, der ebenfalls staatlich geförderten Fannie Mae und der staatlichen Ginnie Mae begeben werden. Die SVB war nach einem Einlagenschwund gezwungen, neben US-Staats- und Kommunalanleihen auch solche Wertpapiere unter hohen Verlusten abzustoßen, was die Einlagenkunden zusätzlich alarmierte und einen beschleunigten Bank Run zur Folge hatte.
Leer stehende Büros
Die ebenfalls kollabierte Signature Bank hielt Ende des vergangenen Jahres hypothekenbesicherte Wertpapiere im Volumen von weiteren knapp 20 Mrd. Dollar. Zudem gehörte das Institut zu den größten Gewerbeimmobilien-Lendern der Vereinigten Staaten. Die Lage in diesem Segment bleibt äußerst angespannt: Weil viele Beschäftigte auch nach der Hochphase der Coronakrise nur langsam in die Büros zurückgekehrt sind und die Liquidität bei vielen Unternehmen knapp ist, haben die Leerstandsquoten in den Metropolen im laufenden Jahr Rekordniveaus erreicht.
Auch der Americas-Chef der Deutschen Bank, Stefan Simon, hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg nun vor den Auswirkungen der Krise am Gewerbeimmobilienmarkt auf mittelgroße Finanzinstitute gewarnt. Diese Geldhäuser seien nicht stark genug, um die noch bevorstehenden Preisanpassungen im Segment einfach absorbieren zu können. Das hohe Exposure vieler Institute gegenüber Gewerbeimmobilienkrediten werde sich früher oder später in den Kapitalquoten niederschlagen.
Strengere Kapitalvorgaben
Ende Juli stellten Regulatoren um die Fed strengere Regeln vor, in deren Folge der vorgeschriebene Mindestwert für die harten Kernkapitalquoten (CET1) amerikanischer Bankholdings um aggregiert 16% steigen soll. Eine Konsultation dazu läuft bis Ende November – laut Simon sorgen die Pläne der Regulatoren für zusätzlichen Druck auf Kreditinstitute, die ohnehin mit den Folgen der Zinserhöhungen zu kämpfen hätten.
Das angepeilte Regelwerk ist Teil der Umsetzung des internationalen Bankenpakets Basel III in den Vereinigten Staaten und war damit schon vor der Krise unter den regionalen Finanzinstituten auf dem Weg. Allerdings glauben Branchenkenner, dass sich die Regulatoren durch die Zusammenbrüche im Frühjahr dazu bewegen ließen, ihre Pläne zu verschärfen.
Unter anderem enthalten sie härtere Anforderungen für die Besicherung von Hypothekenkrediten. Insbesondere der Anfang Mai kollabierten und von J.P. Morgan übernommenen First Republic Bank waren ihre lockeren Vergabestandards bei solchen Darlehen zum Verhängnis geworden. Mit Blick auf die Regelverschärfung verlangen viele Institute seither deutlich höhere Raten auf großvolumige Hypothekenkredite, sogenannte Jumbo Mortgages, und versuchen, günstige Bestandsdarlehen abzustoßen. Analysten fürchten durch den Verkaufsdruck indes neuerliche Einbrüche in den Wertpapierportfolios.
Deal macht Hoffnung
Marktstrategen wie Greg Hertrich von der japanischen Investmentbank Nomura glauben, dass sich der regionale Bankensektor nun durch Konsolidierung zu stabilisieren suchen wird. Der Ende Juli verkündete Übernahme von Pacwest Bancorp durch Banc of California sei „ein positives Signal für den gesamten Sektor“ gewesen, betonte Hertrich damals im Interview der Börsen-Zeitung. Denn der Deal habe gezeigt, dass „Zusammenschlüsse noch ohne Unterstützung durch die Fed oder die FDIC zustande kommen“ könnten.
Die Analysten von American Century wenden allerdings ein, dass die hohen Zinsen solche Transaktionen verkomplizierten. Zudem dauere es unter US-Präsident Joe Biden länger, bis Merger zum Abschluss kämen. Denn dieser sei der Meinung, dass mehr Konsolidierung und weniger Wettbewerb schlecht für Bankkunden seien. Zwischen der Ankündigung des Mergers von Columbia Banking System und Umpqua Holdings und dem Abschluss im März des laufenden Jahres habe es beispielsweise 18 Monate gedauert. Die US-Regionalbanken mögen sich also zwar robuster aufstellen – der Weg bis zu einer Stabilisierung gilt aber noch als weit.
Die Einlagenerosion bei den US-Regionalbanken ist vorerst gestoppt, doch brechen sich neue Sorgen um die Stabilität der Institute Bahn. Denn der Wettbewerb um Depositen lastet auf den ohnehin angekratzten Zinsmargen. Zugleich trifft der Druck auf den den Gewerbeimmobilienmarkt viele kleinere Geldhäuser hart.