Neue Wege zum Investor finden

Mifid II schlägt auf IR-Arbeit durch - IR wird in Zukunft noch mehr zur Wertaufdeckung und zur Senkung der Kapitalkosten beitragen müssen

Neue Wege zum Investor finden

Dank der Finanzmarktrichtlinie Mifid II müssen Broker Handelsvolumina und Services künftig wohl trennen. Research, Roadshows und andere Dienstleistungen bekommen damit kommunizierte Preise. Was bedeutet das für Unternehmen?Die Uhr tickt: Am 3. Januar 2017 treten die neuen Finanzmarktrichtlinien der Europäischen Union (EU) in Kraft. Die EU-Kommission wird dann Vorgaben zur Umsetzung der sogenannten Mifid II in nationales Recht formulieren. Um Unternehmen Zeit für die notwendigen internen Umstellungen einzuräumen, will die EU die Richtlinien bereits Anfang 2016 veröffentlichen. Verantwortlichen für Investor Relations (IR) läuft die Zeit aber schon jetzt davon. Denn im Spannungsfeld zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt wird sich einiges ändern. Das Aus für versteckte KostenDie Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat ihre Vorschläge zur Umsetzung von Mifid II bereits im Dezember 2014 an die EU-Kommission weitergereicht. Sie kritisiert darin die Intransparenz in der Zusammenarbeit zwischen Brokern und institutionellen Investoren sowie die gängige Praxis, verschiedene Kosten über die sogenannten Dealing Commissions versteckt an den Endkunden weiterzureichen – Punkte, die die britische Regulierungsbehörde FCA schon 2011 aufbrachte. Diese bemängelte damals, dass kaum ein Investmentmanager den finanziellen Aufwand für Broker-Services wie Beratung, Erwerb von (Sell-Side-)Analysen und Marktberichten sowie das Zusammenbringen mit Emittenten durch Roadshows beziffern konnte. In ihrem Consultation Paper verlangte die FCA daher von den Investoren, die Kosten für alle in Anspruch genommenen Dienstleistungen klar auszuweisen oder als Betriebskosten selbst zu übernehmen anstatt sie – wie bisher üblich – über Commissions zu decken. Lediglich eng definierte Research-Leistungen, so die FCA, dürften dem Endkunden in Rechnung gestellt werden.Seit Beginn des Jahres sind diese Forderungen in Großbritannien umgesetzt. Die ESMA verfolgt für den Rest Europas nun das gleiche Ziel: Assetmanager sollen zu mehr Verantwortung im Umgang mit den Geldern ihrer Kunden angehalten werden, und Kunden sollen erkennen können, welche Kosten sie durch den Kauf von Fondsanteilen mittragen. Detaillierter AusweisDer Weg dahin führt über das sogenannte Unbundling, also eine detaillierte Ausweisung aller Servicekosten. Investmentmanager sollen diese Kosten nun vorab schätzen und bei der Aufstellung ihrer Jahresgebühren für einen Fonds mit veröffentlichen. Daneben soll die bisher gängige Praxis der Abrechnung von Dienstleistungen über Handelsvolumina – und damit die Bevorteilung von Investoren mit hohem Umschlag in den Portfolios – abgeschafft werden. Durch die Entkopplung von Research und Transaktion erhofft sich die EU zudem, einen funktionierenden Markt für Research und somit ein qualitativ besseres, kostengünstigeres und spezialisiertes Angebot zu schaffen. Auch kleine Research-Anbieter hätten im Wettbewerb mit den bisher quersubventionierten Research-Produkten der großen Broker dann eine Chance.Die Vorschläge der ESMA werden von Investmentgesellschaften und Banken nicht nur positiv gesehen. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) erwartet, dass Investoren die Services der Broker – etwa Roadshows und Research – nicht mehr in gleichem Maße nutzen werden, wenn die Kosten dafür separat ausgewiesen oder sogar von ihnen getragen werden müssen. Die Banken kritisieren die geforderten Dokumentationspflichten: Es sei schlicht unmöglich, alle Services einzeln zu bepreisen und die Zahlungsströme getrennt darzustellen.Die EU-Kommission scheint aktuell leicht zurückzurudern: Offenbar hat sie einen Kompromiss vorgeschlagen, in dem sie zwar eine separate Dokumentation der Kosten fordert, jedoch eine kumulierte Zahlung und Abrechnung für unterschiedliche Services über Kommissionspools zulässt. Das Unbundling fände somit nur auf dem Papier statt. Also viel Lärm um nichts?Aus IR-Perspektive ist das zu verneinen. Denn die wichtigsten Instrumente des IR-Managements werden durch die Mifid-Regulierung auf jeden Fall neu definiert: Der Zugang des Emittenten zur Sell Side und der Markt für Research werden sich mittelfristig ebenso verändern wie die Allokation und Durchführung von Non-Deal-Roadshows.Ihr Ziel, den Markt für Research transparenter zu machen, dürfte die EU mit Mifid II durchaus erreichen. Wenn Broker und Investoren ihre Research-Budgets dokumentieren müssen, dürfte es zudem zu einer Konsolidierung und einer Spezialisierung des Marktes kommen.Aufgrund der Marktkonsolidierung wird es künftig voraussichtlich weniger Sell-Side-Research geben. Aus Unternehmensperspektive bedeutet das, dass die Zahl der Analysten, die das eigene Unternehmen covern, in den meisten Fällen sinken wird. Der BVI weist zu Recht darauf hin, dass etliche KMU ganz vom Radar der Analysten verschwinden könnten – eine nicht gerade wünschenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass der Anteil ungecoverter gelisteter Unternehmen schon heute bei gut 40 % liegt. Für IR-Verantwortliche heißt das, dass sie das Marketing für ihr Unternehmen bzw. ihre Aktie stärker selbst in die Hand nehmen müssen. Dabei könnte auch ein vom Emittenten selbst bezahltes Research, das sogenannte Issuer Paid Research, wichtiger werden.Die zu erwartende Spezialisierung des Research-Marktes wird Analysten unter Druck setzen: Sie müssen qualitativ höherwertige Analysen liefern und zugleich dabei helfen, Alpha zu generieren. IR-Manager sollten öfter als bisher tiefgehende Analysen erwarten und diese über IR unterstützen. Dabei hilft es beiden Seiten, wenn IR-Manager auch ungefragt auf die Branchenspezialisten und Sales-Verantwortlichen der Banken zugehen – selbst, wenn diese das eigene Unternehmen eigentlich nicht covern.Angesichts der Veränderungen beim Sell-Side-Research könnte die Buy Side ihre Analysekapazitäten künftig ausweiten. Größere Assetmanager kümmern sich bereits um den Aufbau von eigener Expertise. Mittelfristig könnten sie sich im Wettbewerb um die Aufdeckung von Werten dadurch Vorteile verschaffen. Kleinere Investoren könnten den bisher nahezu gleichberechtigten Zugang zu wertaufdeckenden Informationen verlieren. IR-Manager müssen die für sie wichtigen Investoren und deren Analysten kennen und für einen lebendigen Austausch und Informationsfluss sorgen.Von den Mifid-II-Regelungen ebenfalls betroffen sind Roadshows. Zwar klärt die ESMA das Thema Corporate Access in ihrem Papier bisher nicht explizit; es ist aber davon auszugehen, dass sich die EU an den Definitionen der FCA orientiert – das heißt: Der Zugang zum Unternehmen stellt kein Research dar und fällt somit unter das Verbot, Dienstleistungen mit Kommissionszahlungen zu verknüpfen. Ihre Forderungen sollte die EU allerdings deutlich formulieren. In Großbritannien nutzen Assetmanager und Broker aktuell häufig eine Definitionslücke im Regelwerk der FCA: Sie vereinbaren, dass Corporate Access grundsätzlich unentgeltlich durchgeführt wird. Die Regulatoren haben darauf bislang nicht reagiert. Kontakte pflegenUngeachtet dessen sollten IR-Verantwortliche hierzulande vorbereitet sein. Etliche Fonds haben bereits begonnen, eigene Corporate Access Desks aufzubauen. IR-Manager sollten die dort verantwortlichen Mitarbeiter kennen und den Kontakt zu ihnen pflegen. Zudem rücken die Sales-Teams der Broker in den Fokus der IR-Arbeit. Deren Mittlerfunktion wird deutlich an Bedeutung gewinnen und IR-Manager sollten die “Industry Specialists” der Sales-Teams für ihre Branchen mindestens so gut informiert halten wie die Analysten.Die skizzierten Entwicklungen führen dazu, dass sich die Rolle des IR-Managements für das Unternehmen verändert. IR wird in Zukunft noch mehr zur Wertaufdeckung und zur Senkung der Kapitalkosten beitragen müssen. Der Marketing-Aspekt der IR-Arbeit wird in den Vordergrund rücken. Verstärkt gilt es, die Kapitalmarkt-Story attraktiv darzustellen und in den Markt hineinzutragen. Viele Unternehmen außerhalb des Dax werden sich zudem künftig selbst um ihr Research und den Kontakt zu möglichen Investoren kümmern müssen. Das erfordert nicht nur neues Know-how, sondern auch entsprechende Ressourcen. Gute eineinhalb Jahre haben Unternehmen noch, um zu prüfen, ob sie dafür gerüstet sind.—Jörg Hoffmann, Senior Vice President Investor Relations bei Wacker Chemie—Kay Bommer, Geschäftsführer des Deutschen Investor Relations Verbands (DIRK)